Achtundfünfzigstes Kapitel

Briefe.

[195] Der Brief einer Dame muß einen angenehmen, tadellosen Eindruck machen.

Eine Dame hüte sich, einen befleckten Brief zu versenden.

Der Stil muß gleitend, anmutig – er darf nicht schwülstig sein.

Es ist guter Ton, möglich viel in wenig Worten auszudrücken.

Eine längere Nachschrift ist gegen den guten Ton.

Nachschriften sind überhaupt nur bei intimen Briefen gestattet.

Die Anrede einer jungen Dame an einen unverheirateten jungen Mann ihrer Klasse lautet: »Sehr geehrter Herr so und so.« Sie hat die Anrede auf eine extra Zeile zu setzen.

Einen Brief an eine Respektsperson schreibt man auf gutes, starkes Papier, weiß oder elfenbeinfarben. Dieses darf Monogramm des Absenders[195] tragen, desgleichen das Kuvert. Hat der Absender irgendein persönliches Wappen, so darf es ebenfalls dem Papier aufgeprägt sein.

Ein Herr, der an eine junge Dame respektive junge Frau schreibt, hat auf einer Extrazeile »Sehr geehrte oder verehrte gnädige Frau« oder »Sehr geehrtes gnädiges Fräulein« zu adressieren.

Briefe übertrieben stark zu parfümieren, ist unfein, indes kann der Brief einer Dame etwas seinen Duft ausströmen.

Man hüte sich besonders in Briefen vor Indiskretionen.

Einen Brief soll man nie in erregtem Zustande schreiben. Man soll warten, »bis man ruhig geworden ist«.

Geschäftsbriefe sollen möglichst knapp, bestimmt, höflich gehalten sein.

Bei wichtigen Mitteilungen befleißige man sich vor allem der Deutlichkeit.

Augenblicklich ist eine einfache Briefsprache guter Ton.

Unfrankierte Briefe zu versenden, ist ungezogen. Auf einer offenen Postkarte soll man nur harmlose Mitteilungen machen. Man soll nie jemand auf einer offenen Karte mahnen oder Grobheiten sagen.

Bei formellen Zuschriften ist es guter Ton, eine Seite frei zu lassen.[196]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 195-197.
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