Sechsundsiebenzigstes Kapitel

Tod, Beerdigung, Trauer.

[240] In einem Totenzimmer muß feierliche Stille herrschen. Jedes lebhafte Geräusch ist dort ausgeschlossen.

Dem Toten gebührt Ehrfurcht.

Solange eine Leiche im Hause liegt, muß überhaupt möglichste Ruhe herrschen. Vom Leichenzimmer aus häusliche Verordnungen zu geben, ist taktlos.

Für eine Beerdigung sind vorher verschiedene Formalitäten zu erledigen, wenn diese sich in angemessener, pietätvoller Weise vollziehen soll.

Nach Erfüllung der gesetzlichen Formalitäten hat man sich zuvörderst mit dem Prediger in Verbindung zu setzen, der den Toten am Grabe einsegnen soll.

Auch ist es nötig, die Traueranzeigen zeitig zu versenden und auf diesen die Stunde der Beerdigung genau zu vermerken.[240]

Der Leichenzug muß sich nach vorher festgesetzter Ordnung bilden.

Falls die Leiche vor der Beerdigung noch im Hause ist, so findet dort vorher eine Trauerfeier statt. Doch ist nicht jeder, der die Leiche zum Friedhof geleitet, verpflichtet, der häuslichen Feier beizuwohnen.

Direkt hinter dem Leichenwagen gehen oder fahren die nächsten Angehörigen des Verblichenen.

Indem sie, den Vortritt nehmend, bei den übrigen vorbeischreiten, grüßen sie stumm. Ein etwaiges Privatfuhrwerk des Verstorbenen muß ganz schwarz drapiert und völlig leer den Wagenzug direkt hinter dem Leichenwagen eröffnen.

Ist das Wetter hell und warm, so halten die Herren während der ganzen Zeremonie ihre Hüte in der Hand.

Bei schlechtem Wetter hingegen ist das Aufbehalten der Hüte gestattet.

Nur wenn die Leiche aus dem Trauerhause getragen wird und wiederum, wenn sie, auf dem Kirchhof angelangt, vom Wagen gehoben wird, haben die Herren als stummen Gruß ihre Kopfbedeckung zu lüften.

Eine lange Predigt am offenen Grabe ist nicht angemessen.

Hatte der Verstorbene eine sehr hervorragende, werktätige Lebensstellung, so ergreift auch des[241] öfteren eine ihm nahestehende und sprachgewandte Persönlichkeit das Wort zu einer Nachrede.

Beamte und Militärpersonen werden meist mit Musik bestattet.

Weibliche Bedienstete eines Hauses folgen dem Trauerzuge direkt hinter den männlichen in schwarzer Kleidung.

Leuten, welche in ihrem Leben militärische Ehrenstellen bekleideten und im Besitz von Orden waren, werden die Abzeichen derselben auf einem schwarzen Sammetkissen nachgetragen.

Nur Frauen, die sich genügend in der Gewalt haben, um nicht in exzentrischer, störender Weise sich auf dem Kirchhof lauten Schmerzausbrüchen hinzugeben, sollen einem Leichenzug folgen.

Lautes Weinen und Klagen auf dem Kirchhof ist höchst taktlos.

Die einem Leichenzug sich Anschließenden haben in ihrer Kleidung jede grelle Farbe zu vermeiden.

Um Eltern trauert man ein volles Jahr, um ein Kind ebenfalls.

Um einen Bruder oder eine Schwester muß man, um der Form zu genügen, wenigstens fünf Monate trauern.

Betrauert man einen sehr nahen Familienangehörigen, Vater, Mutter oder Kind, so[242] müssen die Bediensteten des Hauses ebenfalls in Trauer gehen, und zwar gebietet es der gute Ton, daß die Herrschaft den Leuten die hierzu erforderlichen Kleidungsstücke schenkt.

Bei strenger Trauer trägt man keinen Glacéhandschuh.

Man ist durchaus nicht verpflichtet, um einen Verwandten, dessen Tod einem nicht gemeldet wurde, zu trauern.

Während der Trauerzeit hält man sich selbstverständlich von jeder Lustbarkeit, Theater, Gesellschaft und dergleichen fern.

Gratulationsbesuche macht man nicht in der Trauerzeit. Man kommt einer Gratulation schriftlich nach.

Es ist unpassend, selbst wenn man in der tiefsten Trauer sich befindet, jemand auf einer schwarzumrandeten Karte zu gratulieren. Seine Trauerkleidung soll man sich nicht selbst verfertigen, wenn die Verhältnisse nicht dazu zwingen.

Buntes Briefpapier während der Trauerzeit zu benutzen, ist taktlos.

Ganz weißes Schreibpapier ist gestattet. Die überbreiten Trauerränder um Briefbogen sind höchst geschmacklos.

Man wünscht niemals jemand, der in Trauerkleidung ist, viel Vergnügen oder ein[243] vergnügtes Fest, ebenso wie man sich vorsehen soll, zu Tieftrauernden nicht viel von Gesellschaften und Lustbarkeiten zu sprechen. Kleine Kinder in tiefschwarzer Trauerkleidung gehen zu lassen, ist ebenso unschön wie unnötig.

Will man in der Kleidung eines Kindes Trauer kennzeichnen, so läßt man es weiß mit einer schwarzen Schärpe gehen.[244]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 240-245.
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