Briefschreiben.

[94] Nur der Vollständigkeit wegen soll auch hiervon in diesem Büchlein die Rede sein, da es ja unzählige Briefsteller giebt, in denen Jedermann sich Rath holen kann; auch wird ja vielfach in den Schulen die Form des Briefschreibens gelehrt.

Aber dennoch ist es vielleicht Manchem angenehm, sich die kleineren Regeln, die dabei zu beachten sind, in's Gedächtniß zurückzurufen.

Also zuerst: man nimmt gutes, reines Briefpapier, mit oder ohne Monogramm, darauf kommt es nicht an.

Der Ort der Absendung, sowie das Datum kommt an die Spitze des Briefes, rechts in die Ecke. Schreibt man an Personen, denen man ganz besondern Respect[94] schuldet, an Behörden u.s.w., wird man beides am Schluß des Briefes, unten links zu schreiben haben.

Absendungsort, Adresse und Namensunterschrift (letztere rechts unter den Brief) habe ich deutlich zu schreiben, damit der Empfänger im Stande ist, dieselbe zu entziffern und nicht genöthigt, wie bei jenem Herrn, den Namen auszuschneiden, auf das Couvert zu kleben, und nun dem Briefboten die Sorge für richtige Bestellung seiner Antwort zu überlassen.

Der Unterschrift des Namens hat man verschiedene Höflichkeitsformen hinzuzufügen, je nach dem Verhältniß in dem man zu dem Adressaten steht. Es sind da die Wendungen: »Ihr ergebener, ergebenster, hochachtungsvoll ergebener N.N.« – oder – einfach »achtungsvoll« – oder vertraulicher: »mit freundlichem Gruße, gehorsamst, in treuer Gesinnung, in alter Freundschaft, – Ihr dankbarer, Ihr treuer, Ihr treu ergebener Bu.s.w. zu nehmen.

Steht man den Leuten fern oder schreibt man an Höherstehende, ist die Namensunterschrift tief unten auf den Bogen zu setzen.

Was die Anrede betrifft, so ist: »Ew. Wohlgeboren« – wenig gebräuchlich. Man wählt diese Anrede eigentlich nur noch solchen Personen gegenüber, bei denen man verlegen ist wie man sie nennen soll. Jedenfalls aber nur solchen geringeren Standes vis-à-vis.

Sonst hilft man sich mit: »Geehrter Herr, geehrte Frau, Hochverehrter, Verehrter Herr – Frau« u.s.w.

Ew. Hochwohlgeboren schreibt man als Anrede an Vorgesetzte, fremdere Personen, im Geschäftsverkehr, und braucht man damit nicht so ängstlich zu sein, da es Gebrauch geworden ist in letzter Zeit auch solche Personen damit anzureden, denen solche Anrede, streng genommen, nicht zukommt. Wollte freilich Jemand seinen Schuster oder Schneider so anreden, würde er sich lächerlich machen.

Grafen haben die Anrede: »Ew. Hochgeboren« – zu beanspruchen.

»Sr., Ihrer Hochwohlgeboren« schreibt man auch häufig auf den Umschlag des Briefes, ja bei einem respectvollen Verkehr ist dieses sogar geboten. »Sr. –[95] Ihrer Wohlgeboren« – auf den Umschlag zu schreiben ist entschieden unfein.

Daß man bei jedem, auch vertraulichen Briefe, einen genügenden Rand rings um frei lasse, will ich noch bemerken; auch daß die Anrede sich durch entsprechenden Raum von dem übrigen Briefe abheben muß. Briefe an Respectspersonen sind mit einem Siegel zu versehen.

Was nun den Inhalt der Briefe betrifft, so muß derselbe dem Schreibenden anheimgestellt werden und legt ein Brief meist Zeugniß ab von dem Bildungsgrade und der natürlichen Begabung seines Verfassers.

Die Gabe, einen guten Brief zu schreiben ist manchem, sonst klugen und interessanten Menschen, versagt. Der Eine ergeht sich in endlosen Beschreibungen von Begebenheiten oder Personen, die den Empfänger gar nicht interessiren. Der Andere schreibt wieder so kurz und abgerissen, daß aus dem Briefe nichts zu entnehmen ist.

Mit langen Entschuldigungen und Auseinandersetzungen warum man so viel Zeit hat verstreichen lassen, ehe man schrieb, soll man einen Brief nicht ausfüllen. Ebensowenig soll man am Schlusse jeden Einzelnen aufnennen, dem man einen Gruß sendet, wenn man diese Freundlichkeit Mehreren zu theil werden läßt. Es könnte sonst leicht geschehen, daß der ganze Brief nur Entschuldigungsreden und Aufzählung der Personen, die man grüßen lassen wollte, enthielte. Dergleichen ist polizeiwidrig langweilig und legt ein Armuthszeugniß ab von den Fähigkeiten des Schreibenden. Auch der Anfang: »Ich ergreife die Feder«, ist, als recht spießbürgerlich, aus der Mode gekommen.

Sendet man Briefe und Postkarten ab, hat man darauf zu achten, daß sie ausreichend und richtig frankirt sind. Nichts ist unhöflicher als wenn man durch Nachlässigkeit den Empfänger zwingt, ein Strafporto zu erlegen, an dem er doch ganz unschuldig ist.

Jedermann sollte es sich zur Pflicht machen, alle ihm gewordenen Briefe rechtzeitig und entsprechend zu beantworten. Bei richtiger Zeiteintheilung, Ordnung und Gewissenhaftigkeit sollte selbst denen solches möglich sein, deren Zeit beschränkt ist. Sehr häufig findet[96] man, daß die schreibfaulsten Leute diejenigen sind, die ihren Tag mit Nichtsthun verbringen.

Briefe, die nicht an uns adressirt sind, zu öffnen und zu lesen, ist eine grobe Unart. Auch selbst, wenn solche Briefe an uns Nahestehende gerichtet sind. Wissen wir denn etwa, ob der Briefschreiber nicht Dinge mittheilt, die nicht für uns bestimmt sind und deren Offenbarung ihm höchst peinlich ist? – Das Briefgeheimniß ist also streng zu wahren.

Anders verhält es sich mit einer Postkarte, die ja oft geschrieben ist in der Erwartung, daß bei Abwesenheit des Adressaten, ein Anderer Notiz davon nimmt, und die ja auch, auf keinen Fall, ein Geheimniß enthalten kann.

Empfängt man einen Brief in Gesellschaft oder in Gegenwart Anderer überhaupt, so hat man ihn zu verwahren bis man allein ist, oder man bittet, was jedenfalls vorzuziehen ist, um Erlaubniß ihn lesen zu dürfen, die natürlich stets gewährt wird.

Briefe, die man zur Besorgung übernimmt, soll man nicht vergessen, sie weder in der Tasche stecken lassen, noch versäumen sie dem Empfänger einzuhändigen.

Für den, der eine große Correspondenz hat, ist es gut, die abgehenden und einlaufenden Briefe zu registriren, wodurch es ihm leicht wird eine Uebersicht zu gewinnen und Briefschulden nicht anwachsen zu lassen.

Quelle:
Kistner, A.: Schicklichkeitsregeln für das bürgerliche Leben. Guben 1886, S. 94-97.
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