295. Ein Gespräch auf dem Schiffe.

[380] (Schubarts Gedichte. 2. B. S. 128.)


Der Soldat.

Verzeihen Ihro Hochehrwürden,

Wenn ich es sagen darf,

Die lezte Predigt war zu scharf!

Sie laden viel zu schwere Bürden

Auf unsern Hals: wo ist der Mann,

Der solche Bürden tragen kann? –


Der Schiffsprediger.

's mag seyn! – Wenn doch vorüber wäre

Die Wasserfahrt! Mir schaurt die Haut!

Was denkt ihr, Freund, daß ihr dem Meere

Das junge Leben anvertraut?


Der Soldat.

Das thu' ich gern, mein Fürst hats ja befohlen:

Wir schwimmen nach Amerika!
[380]

Der Schiffsprediger.

Um dort vielleicht den Tod zu holen! –

Man sagt, es gäb' so viele Wilde da,

Die mit der Art der Feinde Schedel splittern.


Der Soldat.

Nur feige Kerls und alte Weiber zittern

Vor der Gefahr; ein Deutscher nicht!

Zu streiten ist Soldatenpflicht.

Viel besser, daß die Art den Schedel mir zerspalte,

Als daß ich feig auf meinem Bett erkalte.

Und kurz und gut, mein Fürst hat es gewollt,

Und dafür hab' ich meinen Sold.


Der Schiffsprediger.

Verzeiht, wie hoch mag der sich wohl belaufen?


Der Soldat.

Fünf Batzen sind genug,

So einem Kerl, wie ich, das Leben abzukaufen.


Der Schiffsprediger.

Ganz wohl, mein Freund, ihr handelt klug;

Doch Weib und Kinder! –


Der Soldat.

O der Armen

Wird Gott im Himmel sich erbarmen!

Gott weiß, wie hart ich sie verlohr! –

Jedoch der Dienst für meinen Herrn geht vor.
[381]

Der Schiffsprediger.

Und wie? ein Mann, wir ihr, der könnte sich beklagen,

Die letzte Predigt geh' zu weit? –

Könnt ihr für wenig Sold so schwere Bürden tragen,

Und für den Dienst der Eitelkeit

Selbst Weib und Kind und Leib und Leben wagen?

Nur für das Reich der Ewigkeit

Wollt ihr nicht einen kleinen Streit

Mit eurem Fleisch und Blute wagen?

Wenn ihr mit diesem Heldenmuth

Den halben Theil für Gottes Ehre thut;

So bin ich euch für eure Seele gut.

Quelle:
Laukhard, Friedrich: Zuchtspiegel für Eroberungskrieger, Advokaten und Aerzte. In: Zuchtspiegel für Fürsten und Hofleute, Paris [i.e. Leipzig] 1799, S. 380-382.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Reigen

Reigen

Die 1897 entstandene Komödie ließ Arthur Schnitzler 1900 in einer auf 200 Exemplare begrenzten Privatauflage drucken, das öffentliche Erscheinen hielt er für vorläufig ausgeschlossen. Und in der Tat verursachte die Uraufführung, die 1920 auf Drängen von Max Reinhardt im Berliner Kleinen Schauspielhaus stattfand, den größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Es kam zu öffentlichen Krawallen und zum Prozess gegen die Schauspieler. Schnitzler untersagte weitere Aufführungen und erst nach dem Tode seines Sohnes und Erben Heinrich kam das Stück 1982 wieder auf die Bühne. Der Reigen besteht aus zehn aneinander gereihten Dialogen zwischen einer Frau und einem Mann, die jeweils mit ihrer sexuellen Vereinigung schließen. Für den nächsten Dialog wird ein Partner ausgetauscht indem die verbleibende Figur der neuen die Hand reicht. So entsteht ein Reigen durch die gesamte Gesellschaft, der sich schließt als die letzte Figur mit der ersten in Kontakt tritt.

62 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon