[406] (Schubarts Gedichte, 2. B. S. 78.)
Des Lebens Purpurstrahl
Fährt schäumend aus der kleinen Ritze;
O Schöpfer, wann verfliegt einmal
Dies Blut, das ich in fauler Rast verspritze?
[406]
Soll alle meine Kraft,
Im Feuer banger Qualen schmelzen?
Gebrichts nicht bald an neuem Saft,
Die Kügelchen des Blutes fortzuwälzen?
Du bist so heiß, o Blut!
Was sprudelst du in dieser irdnen Schale?
Hast du noch Gluth, noch Sonnengluth?
Zückt Freyheit noch in deinem rothen Strahle?
O Arzt, so binde du
Nur schnell, nur schnell mit deiner Binde
Die offne Ader wieder zu;
Denn Freyheit ist des Deutschen größte Sünde!
Doch willst du nimmer heiß,
O Blut, aus deinen Röhren schießen;
Willst frostig, wie zerschmolznes Eis
Vom nackten Fels, in kalten Tropfen fließen;
So fließe, fließe nur –
Kein Fürst wird deine Kälte strafen;
Denn kalte, frostige Natur
Schickt sich allein für arme deutsche Sklaven.