325. Lied vom Grabe, auch beym frohen und geselligen Becher zu singen.

[426] (Mniochs kl. verm. Schriften, 1. B. S. 199.)


Gesang.

Wir werden alle Platz und Raum

In unsern Gräbern haben,

Zwe'n kleiner Schritte braucht es kaum,

Uns räumig zu begraben.

Wir liegen, wie sie uns gelegt,

Im Bettlein, uns beschieden;

Wir liegen, wie sie uns gelegt,

Und ruhen dann in Frieden!


Mit unserm Nachbar zanken wir

Nicht um die bessre Stätte,

Ob jener dort, ob dieser hier

Die weichern Späne hätte!

Wir liegen da auf Gottes Gnad,

Und harren auf Erlösung!

Und haben ja des Platzes satt

Zur ruhigen Verweisung.


Spruch.

Darum sollt ihr euch untereinander euer Plätzchen gönnen auf Erden; und euch nicht drängen und stoßen um einer Spanne Bodens willen. Die Welt ist groß genug für uns alle, wie der Kirchhof!
[427]

Gesang.

Wir werden ohne Sorg und Noth

In unsre Gräber ziehen!

Laß Morgenroth, laß Abendroth

Am blauen Himmel glühen,

Laß Feld und Wald im Segen stehn;

Es sind nicht unsre Güter!

Der Ackrer mag zum Pfinge gehn.

Zur Sichel geh der Schnitter.


Laß Feuersnoth und Wassersflut

Und Pest und böse Fürsten

Nach aller Menschen Hab und Gut

Und Ehr und Leben dürsten,

Das geht und ficht uns wenig an,

Und bängt uns nicht in Träumen,

Wir haben alles ausgethan,

Und können nichts versäumen!


Spruch.

Darum sollt ihr Geduld und Hoffnung mischen in den Kelch eures Kummers, und euch nicht alle Erdennoth zu Herzleid machen denn es kommt bald eine Zeit, da man sprechen wird: sie haben ausgekümmert!


Gesang.

Wir werden alle groß und weich

In unsern Gräbern wohnen!

Und werden, unsern Fürsten gleich,

Auf eignem Staube thronen![428]

Wer ist dort Knecht und Unterthan?

Wer ist dort Herr und König?

Im Grabe schläft ein freyer Mann!

Im Grabe schläft ein König.


Sie holen nur ein wenig Sand,

Das Küssen uns zu füllen:

Und nur ein leichtes Nachtgewand,

Den Leib uns einzuhüllen!

Den Todten fällt es nicht mehr ein,

Daß Prunk und Aufwand ehret;

Der Nakte hat an sich allein

Dort mehr, als er begehret!


Spruch.

Darum sollt ihr nicht stolz thun, und eure Brüder verachten, weil sie eure Brüder sind! Auch sollt ihr nicht alles begehren, was ihr kaufen könnt: sondern sollt groß seyn in Demuth, und reich am Wohlthun! Denn sie werden auch euch auf euren Nacken niederlegen, und euch die leeren Hände über die Brust falten, den Sargdeckel über euch decken, und sprechen: Gott befohlen!


Gesang.

So helf uns denn der treue Gott,

Durch unser armes Leben!

Und woll' uns einen leichten Tod

Bey froher Seele geben!

Am frühen Morgen öffne sich

Der stillen Herberg Pforte:

Dann, guter Wandrer, schaue dich

Schon dicht am Vaterorte.
[429]

Wohl auf und schenkt die Becher voll,

Laßt euch dieß Wahl nicht reuen:

Ihr mögt am Herbergsabend wohl

Euch jenes Tags erfreuen.

Und wer von uns im Morgengraun

Zuerst erwacht, ihr Bruder,

Der zieh voran, wir finden, traun

Ihn in der Heimat wieder.


Spruch.

Fried und Freud und traute Brüderschaft allen Mitgenossen der Hoffnung eines ewigen Lebens! Darauf geben wir uns die Hände, klingen die Becher zusammen, trinken den fröhlichen Wein! –

Quelle:
Laukhard, Friedrich: Zuchtspiegel für Eroberungskrieger, Advokaten und Aerzte. In: Zuchtspiegel für Fürsten und Hofleute, Paris [i.e. Leipzig] 1799, S. 426-430.
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