Krankheit.

[161] Es ist ein Beweis von Artigkeit und Teilnahme, wenn man erkrankte Freunde oder Bekannte besucht oder sich nach ihrem Befinden erkundigt. Die Erkundigung erfolgt um so häufiger, je gefährlicher die Krankheit ist. Bei Vorgesetzten oder solchen Personen, denen man besonders verbunden ist, oder höhere Achtung schuldet, wird die Nachfrage sogar zur Pflicht, deren Versäumnis wesentliche Nachteile bringen kann. Es ist nicht immer nötig, daß man sich persönlich nach dem Gesundheitszustande erkundigt, sondern man kann es auch durch Bedienstete oder Dienstboten besorgen lassen. Will man aber dem Kranken eine besondere Aufmerksamkeit erweisen, so ist es nötig, die Anfrage selbst zu machen. Bei der Erkundigung läßt man sich aber nicht zum Besuch melden, sondern man fragt nur nach dem Befinden des Erkrankten und gibt seine Visitenkarte ab. In vornehmen Häusern ist es üblich, seinen Namen in eine im Vorzimmer ausgelegte Liste einzutragen. Läßt die Krankheit nach, so werden die Erkundigungen seltener. Befindet der Kranke sich in der Besserung, so erkundigt man sich, ob er Besuche empfängt. (Siehe Krankenbesuch).


Quelle:
Samsreither, J. V. & Sohn: Der Wohlanstand. Altona-Hamburg 2[1900], S. 161-162.
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