[217] König der Tänze! Nationaltanz! so dürfen wir Deutsche den Walzer mit Stolz nennen. Ja, er ist König der Tänze, weil kein anderer Tanz in solchem Maße die Verehrung von jung und alt genießt, kein anderer Tanz mit solcher Begeisterung in allen Gauen Deutschlands getanzt wird und kein anderer Tanz einer solchen Variation fähig ist, als der Walzer. Jede Gemütsstimmung läßt sich im Walzer ausdrücken. Behagliche Ruhe, Feuer und Leidenschaft geben sich in der Ausführung des Walzers zu erkennen. Man möchte fast sagen: »Jeder tanzt seinen eigenen Walzer.« Dieses mag, soweit es den Ausdruck der Gemütsstimmung betrifft, seine Geltung behalten, sollten aber in Bezug auf die technische Ausführung des Walzers nicht der Fall sein. Im einigen Deutschland ein einheitlicher Walzer, er ist unser Nationaltanz.
Wo der Walzer, früher Dreher, Schleifer oder auch der Deutsche genannt, herstammt, ist nicht mit Bestimmtheit nachzuweisen. Es ist aber sehr wahrscheinlich, daß er sich aus der Polonaise entwickelt hat und unser erster Rundtanz ist. Beide Tänze haben den 3/4 Takt und Akzent auf dem guten Taktteil. Ihre Schritte sind im Ganzen gleich, nur in der Ausführung etwas verschieden. Man markiert bei der Polonaise wie beim Walzer das erste Viertel. Ursprünglich ist[217] nämlich der Polonaiseschritt nicht der einfache Gehschritt, sondern bestand wie der Walzerschritt aus drei Bewegungen. Somit war also der Walzerschritt in der Polonaise vorhanden; es brauchte nur eine andere Art des Anfassens und das Umdrehen beim Tanzen hinzuzukommen. Es ist nicht wahrscheinlich, daß das Umdrehen beim Tanze als beabsichtigte Neuerung hinzutrat, sondern es ist eher anzunehmen, daß der Zufall im Spiele war und den Anstoß zu dieser Neuerung gab. Vielleicht hat bei einer Polonaise ein Tänzer in übermütiger Laune oder als Ausdruck auffallender Zärtlichkeit seine Dame mit beiden Händen erfaßt oder ihr sogar die Hände um die Taille gelegt, hat dann statt des fortwährenden Geradevorwärtsgehens eine Drehung beschrieben. Andere Tänzer, die dies sahen, fanden Gefallen daran und ahmten diese Art des Tanzens nach. Diesem Drehen beim Tanzen paßte man eine Melodie an, und so ergab sich eine neue Tanzart. Das Drehen beim Tanzen wurde immer mehr beliebt und so entstand für diese neue Art des Tanzens der Name Dreher. Mit der Zeit veränderte sich auch die Ausführung der Schritte, man führte diese etwas geschleift aus. Die neue Tanzart wurde deshalb auch Schleifer genannt. Durch die Landbevölkerung wurde ihm der Name Landerer, Länderer und zuletzt Ländler beigelegt. Erst als man diesen neuen Tanz nach flotten Tanzweisen ausführte, entstand dafür der Name Walzer. Über den Ursprung dieses Wortes läßt sich nicht bestimmtes angeben; ob vielleicht der Vergleich der drehenden Bewegung beim Tanzen mit der der Walze die Bildung des Wortes verursacht hat, dürfte eine Möglichkeit der Erklärung sein.
Zur schnelleren Verbreitung dieser neuen Tanzart hat auch der Umstand beigetragen, daß in einer in Wien im Jahre 1787 aufgeführten Oper »Una cosa rara« ein Tanz vorkam, bei dem der Tänzer seine Tänzerin zu beiden Seiten der Taille anfaßte. Das Paar tanzte nun, der Herr sich rückwärts bewegend und die Dame nach sich ziehend in gerader Richtung, drehte sich einmal auf dem Platze herum und tanzte in gleicher Weise an den Platz zurück. Nach der Art der Ausführung erhielt der Tanz den Namen Langaus, auch wurde er nach der Oper »Una cosa rara« benannt.[218]
Die Musik zu dem Walzer bestand früher nur aus 8 oder 16 Takten, die so lange der Tanz dauerte, immer wiederholt wurden. Einige dieser alten Walzermelodien sind noch heute bekannt. Wir erwähnen nur »O, du lieber Augustin«, »Mein Hut, der hat drei Ecken«. Durch Karl Maria von Weber (geb. 18. Dezember 1786) kam ein großer Umschwung in die Tanzkomposition und zwar durch die im Jahre 1819 in Wien erschienene »Aufforderung zum Tanz«. Mit einem Schlage wurde die Tanzmusik eine schönere, edlere, kunstvollere; es kam mehr Leben hinein; das Tempo wurde flotter; die Musik wirkte hinreißender und begeisternder. Die Tanzkomposition fand ihre Vollendung durch die großen Walzerkomponisten, Joseph Lanner, geb. 1801, Johann Strauß, Vater, geb. 1804, Joseph Gungl, geb. 1810, Johann Strauß, Sohn, geb. 1825. Die hinreißenden, bezaubernden Tanzweisen trugen natürlich auch wesenstlich zur Weiterverbreitung des neuen Tanzes, des Walzers, bei.
Der Walzer wird sehr verschieden getanzt, so daß Leute aus verschiedenen Gegenden oft nicht gut miteinander tanzen, besonders nicht ordentlich anfangen können. Der Grund liegt darin, daß die Anfangsschritte des Walzers verschieden gelehrt werden. In einigen Gegenden beginnt der Herr schleifend mit dem linken, in anderen mit dem rechten Fuße. Früher führte der Herr die ersten drei Schritte alleine aus, mit dem rechten Fuß beginnend, und dann erst begann die Dame mit dem rechten Fuß den Walzer, was natürlich nicht leicht und sehr unbestimmt war.
Beginnt der Herr schleifend mit dem linken Fuß, so kommt auf den guten Taktteil ein leichter Schritt, wobei Rhythmus und Bewegung in Gegensatz zueinander treten. Diese Art des Beginnens ist also zu verwerfen. Der erste Schritt darf nicht schleifend ausgeführt werden, sondern muß ein dégager, ein Niedertritt, sein. Da aber das Antreten beim Sechsschrittwalzer, der Herr mit dem rechten, die Dame mit dem linken Fuß auf dem schweren Taktteil, besonders bei nicht geübten Tänzern Schwierigkeit bereitet, so ist dieses einfach durch Kniebeuge zu markieren und der Herr beginnt mit dem linken, die Dame mit dem rechten Fuß. Beim dritten[219] Takt, also bei der Wiederholung des ersten Walzerschrittes fällt dann auf den schweren Taktteil ein dégager, wie es der Rhytmus der Musik erfordert.
Unsere Walzermusik hat dreiteiligen Takt, besteht nämlich aus 3 Vierteln. Das erste Viertel wird akzentuiert. Zwei Takte, worauf 6 Tanzschritte ausgeführt werden, gehören zu einer Umdrehung. In der Walzermusik bilden 2 aufeinanderfolgende Takte einen Satz, bei dem das erste Viertel des ersten Taktes mehr betont wird als das erste Viertel des zweiten. Auf den schweren Taktteil muß auch die schwere Bewegung kommen, deshalb muß das erste Viertel des ersten Taktes ein dégager auf dem ganzen Fuße und das erste Viertel des zweiten Taktes ein dégager auf der Fußspitze erhalten. So nur deckt sich der Rhytmus der Musik mit dem der Bewegungen.
Es gibt verschiedene Walzerarten: Sechsschritt-, Chassée-, Zweitritt- oder Hoch-, Hopps- und Dégager- oder Boston-Walzer, Ecosaise- oder Schottisch-Walzer. Jedenfalls sind diese verschiedenen Walzerarten dadurch entstanden, daß für die in neuen Walzermelodien vorgekommenen besonderen Figuren in entsprechender Weise die Schritte gewählt wurden. Beim Sechsschrittwalzer erhält jeder Schritt die Zeit eines Taktviertels. Beim Chasséewalzer ist der erste Schritt an Zeit gleich einem punktierten Viertel, der zweite gleich 1/8 und der dritte gleich 1/4 Takt. Beim Hoch- oder Hoppswalzer ist der erste Schritt gleich 2/4, der zweite gleich 1/4 Taktzeit. Beim Dégagerwalzer wird ein ganzer Takt, also 3 Viertel auf einem Fuß ausgehalten. Der Sechsschrittwalzer ist der beliebteste und auch der ursprüngliche Walzer. Er könnte der Normalwalzer werden.
Zur Abwechslung im Tanzen könnten die übrigen Walzer gern ihr Dasein behalten. Man würde dann aber wenigstens in ganz Deutschland den einen Walzer übereinstimmend tanzen.
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