Verlobung.

[138] Die einleitenden Schritte für ein Verlöbnis dürfen nur vonseiten des Mannes geschehen. Welcher Art sie sein müssen, läßt sich nicht durch allgemeine Bestimmungen feststellen; Zeit und Ort setzen sie beständigem Wechsel aus. Man kann kaum annehmen, daß es Jünglinge giebt, die zu schüchtern seien, die richtigen Wege zum[138] Herzen und zur Hand der Auserwählten zu finden. Jede Überstürzung vonseiten junger Mädchen aber ist nicht nur ein sehr grober Verstoß gegen die gute Lebensart, sondern wird auch ihren Ruf ernstlich gefährden.

Hat ein junger Mann sich für ein Mädchen entschieden, so ist es am richtigsten, er bringt die Sache bei seiner Auserkorenen und deren Eltern ins Reine, vorausgesetzt freilich, seine Stellung und Mittel erlauben ihm dieses. Leider wird letzteres nicht immer der Fall sein, ja, oft gestatten die Verhältnisse eine Verbindung erst nach Jahren. Ob in diesem Falle die Liebenden auf eine Verlobung mit so weiter Aussicht verzichten sollen, um lieber den Zeitpunkt abzuwarten, an dem ihrer Vereinigung nichts im Wege steht ist eine heikle Frage, in welcher wir uns kein endgültiges Urteil erlauben.

Im Interesse des guten Tones aber sei es gesagt, daß jedes Verlöbnis, ganz gleich ob öffentlich oder geheim, kurz oder lang, beiden Teilen unwandelbare Treue und alle diejenigen Pflichten auferlegt, welche wir im weiteren noch besprechen werden.

Angenommen, die Verhältnisse eines verliebten jungen Mannes liegen so, daß einer baldigen Eheschließung nichts im Wege steht, so ist es, wie schon erwähnt, am besten, er geht direkt auf sein Ziel los. Selbstredend wird er zunächst über Familien- und Vermögensverhältnisse der Erwählten Erkundigungen einziehen; denn auch bei einer innigen Herzensneigung werden diese niemals ganz unbeachtet bleiben dürfen. Sind die Erkundigungen befriedigend ausgefallen, se steht einer deutlichen Annäherung kein Hindernis entgegen und der junge Mann hat nur fleißig achtzugeben, ob seine Huldigungen angenehm sind; denn nur in diesem Falle ist es ratsam, in der Angelegenheit weiter vorzudringen.

Ein junges Mädchen aber muß es sich zur festen Regel machen, nur denjenigen zu ermutigen, der ihr besonders wohlgefällt. Huldigungen aus Eitelkeit und Gefallsucht aufmunternd entgegenzunehmen, auch von Gleichgültigen, ist nicht nur gefühllos und unweiblich, sondern auch ganz unverträglich mit guter Sitte.

Nur wenn der junge Mann seiner Sache sicher ist, führe er eine Erklärung herbei; ein Korb bleibt unter allen Umständen, sur beide Teile, eine höchst peinliche Sache. Ist das junge Mädchen vorsichtig genug und der betreffende Herr frei von Eigenliebe, Selbstüberschätzung und Aufdringlichkeit, so ist es nicht gut möglich, daß so unangenehme Eventualitäten heraufbeschworen werden.

Ist eine Abweisung aber unvermeidlich geworden, so werde dieselbe mit freundlicher Entschiedenheit gegeben und mit tadelloser Höflichkeit entgegengenommen. Viel über den Fall zu sprechen und ihn vor[139] den Leuten breitzutreten, wäre sehr unschicklich. Niemals aber rühme sich die junge Dame eines ausgeteilten Korbes. Wäre alles nach den Regeln guter Lebensart zugegangen, so hätte es eben gar nicht erst zu einem solchen Eklat kommen dürfen.

Hält sich der junge Mann von der Zuneigung der Dame seines Herzens überzeugt, so kann er seinen An trag entweder mündlich oder schriftlich stellen. Im ersteren Falle wird es klüger sein, sich zunächst an die Geliebte und dann an deren Eltern zu wenden, obwohl sich vor dem guten Tone auch der umgekehrte Weg rechtfertigen ließe. Bei einer schriftlichen Anfrage können entweder beide zu gleicher Zeit einen Brief erhalten, oder man schreibt nur an die Eltern und nimmt deren Vermittelung für die Verständigung mit der Tochter in Anspruch. Erhält man eine einwilligende Antwort, so muß die mündliche Erklärung der schriftlichen folgen.

Bei einer mündlichen Werbung begiebt sich der Freier in Frack, heller Kravatte, hellen Handschuhen und Cylinder, der nicht aus der Hand gelegt werden darf, zur Besuchszeit in das Haus der Schwiegereltern und bringt sein Anliegen bei dem Vater, resp. der Mutter, in angemessener Weise vor. Erbitten sich die Eltern Bedenkzeit, so ist es selbstverständlich, daß der junge Mann bereitwillig auf diese Bedingung einzugehen hat. Geben sie jedoch ihr Jawort, so wird die Tochter herbeigeholt, und der glückliche Bräutigam begrüßt dieselbe durch einen Kuß als seine Verlobte.

Den nächsten Angehörigen, vorzugsweise seinen Eltern, bringt der junge Mann die freudige Nachricht, sobald als thunlich, selbst, worauf diese möglichst umgehend seiner Braut und deren Eltern bekannt gemacht werden müssen. Wohnen die Familien an verschiedenen Orten, so verlangt der gute Ton, daß die Mutter des Bräutigams der Braut alsbald einen gütigen herzlichen Brief sendet, in welchem sie dieselbe als Tochter begrüßt. Das junge Mädchen antwortet sehr ehrerbietig, aber in kindlicher Innigkeit und vertrauender Liebe. Alle übrigen werden durch die Zeitung und gedruckte Anzeigen benachrichtigt. Man befleißige sich hierbei der größten Kürze. Gewöhnlich ist die Einrichtung in den Zeitungsspalten und auf den Karten ungefähr dieselbe, nämlich eine Doppelanzeige. Zuerst melden die Eltern die Verlobung ihrer Tochter Julie mit dem Herrn Referendar Fritz Hase, dann der junge Mann die seinige mit Fräulein Julie Fischer, Tochter des Kanzleirates Herrn Rudolf Fischer und dessen Gemahlin Pauline, geb. Schönlein. Oder man wählt für die zweite Anzeige die einfachere Form:


[140] Julie Fischer

Fritz Hase.

Verlobte.

Rüdesheim. Memel.


Der Name der Braut steht immer voran, und ihr Wohnort wird zuerst genannt, im Gegensatze zu einer Vermählungsanzeige, bei welcher das umgekehrte Verfahren beobachtet wird.

Auf die direkte Anzeige hin hat jeder im Laufe der nächsten zehn Tage zu gratulieren, was entweder mündlich oder schriftlich geschehen kann; Postkarten sind hierbei ganz ausgeschlossen. Inserate verpflichten zu keiner Gratulation, doch berührt es herzlich, wenn Fernstehende sich hierdurch zu einigen freundlichen Worten veranlaßt sehen. Während der ersten 14 Tage nach der Verlobung richten die Brautleute es, wenn irgend angängig, ein, zur Besuchszeit im Salon anwesend zu sein, um gemeinsam mündliche Glückwünsche entgegenzunehmen. Die Gratulanten werden mit Wein und Kuchen bewirtet.

Beabsichtigt man, die Verlobung durch ein Fest zu feiern, so kann dieses entweder vor oder nach der Veröffentlichung derselben stattfinden. Im ersten Falle teilt der Vater der Braut den versammelten Gästen das frohe Ereignis bei der Tafel mit. Hierauf wird ein Hoch auf das junge Paar ausgebracht, und die Verlobten, wie die Eltern, nehmen die Glückwünsche der Anwesenden entgegen. Nach der öffentlichen Verlobung hat das Fest den Zweck, das Brautpaar den Verwandten und Freunden als solches vorzustellen, bei welcher Gelegenheit alle Geladenen ihre Gratulation aussprechen, event. wiederholen können.

Die Toilette der Braut richtet sich nach der Art des Festes und ist, je nachdem einfach oder hochelegant. Immer sind helle Farben bevorzugt, und die größte Einfachheit entspricht dem Charakter des Tages am besten. Der Bräutigam ist entweder im Gesellschafts-oder Ballanzuge.

Der Verlobte überreicht seiner Geliebten am Verlobungstage einen Strauß, der so schön wie möglich sein darf. Aus demselben wählt sie einige Blumen zum Schmucke ihrer Toilette. Auch die Verlobungsringe muß der junge Mann für diesen Tag bereit halten. Dieselben sind entweder mit kostbaren Steinen verziert oder nur glatte Goldreifen, welche zu gleich als Trauringe verwendet werden können.[141]

Quelle:
Schramm, Hermine: Das richtige Benehmen. Berlin 201919, S. 138-142.
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