[82] Das Betragen des Reisenden im Gasthause sei geräuschlos und rücksichtsvoll. Er vergesse nie, daß andere vielleicht der Ruhepflegen wollen, während er dieses Bedürfnis nicht fühlt und vermeide alles laute Rufen und unnötige Lärmen in seinem Zimmer, dem Treppenhause oder den Korridoren. Thürenwerfen ist hier, wie überall verpönt und, eingedenk der überaus leichten Wände, gebrauche man die Vorsicht, nur mit halber Stimme zu reden, um die Nachbarn nicht zu unfreiwilligen Vertrauten zu machen.
Die Auswahl des Zimmers richtet sich ebenso nach den Mitteln des Reisenden, wie nach dessen Geschmack. Darum spreche man seine Wünsche dem Kellner klar aus und nehme nicht ohne weiteres mit der Stube fürlieb, welche diesem am bequemsten liegt.
Es bleibt einem gewöhnlich überlassen, die Speisen entweder im eigenen Zimmer oder an der gemeinsamen Tafel einzunehmen. Wo nur letzteres Brauch ist, fügt man sich der allgemeinen Hausordnung. Für alleinstehende Damen ist allerdings das Erscheinen am Fremdentische wenig angenehm, und auf eine höfliche Bitte ihrerseits, wird der Wirt gern eine Ausnahme gestatten. In jedem Falle würden wir ihnen raten, nur solche Gasthäuser zu wählen, in denen sie nicht genötigt sind, an der allgemeinen Tafel teilzunehmen. Überhaupt wird es gut sein, wenn sie sich so unauffällig wie möglich betragen. Je unbemerkter sie bleiben, desto besser; denn Bemerktwerden wird für sie fast immer gleichbedeutend mit Fatalitäten und Zudringlichkeiten aller Art sein.
Ein Herr begiebt sich zu den Mahlzeiten in die Speisesäle. Mit leichter Verneigung grüßt er die Anwesenden und wählt einen der freien Plätze, ohne mit den Nachbarn sogleich ein Gespräch zu beginnen.
Reist ein junges Mädchen in Begleitung ihrer Eltern oder sonstiger älterer Beschützer, so nimmt sie an der Tafel zwischen diesen Platz, um nicht in den Fall zu kommen, von einem Wildfremden angeredet zu werden. Geschieht dies dennoch, so ist eine kurze höfliche Antwort die beste Abwehr: denn eine Unterhaltung mit einem ihr nicht vorgestellten Herren verbietet der gute Ton. Die Tischnachbarn begrüßt man ebenfalls mit einer Verbeugung, was diese durch eine leichte Verneigung im Sitzen zu erwidern haben.
Beim Essen sei man eingedenk aller von uns gegebenen Regeln und handle nach Ihnen. Es werden sicher eine Anzahl Gäste vorhanden[82] sein, welche sich erst nach ihren Beobachtungen während des Speisens ein endgiltiges Urteil über die Tischgenossen bilden. Ein Sichgehenlassen rächt sich also hier entschieden bedeutend empfindlicher, als in der Heimat. Sind die Gerichte nicht nach unserem Geschmacke oder behagen uns die Getränke nicht, so hat man das Recht, sie möglichst unbemerkt stehen zu lassen. Die Bitte um Salz, Pfeffer, Essig, Öl od. dgl. kann man an jeden Fremden richten, ohne einen Verstoß zu begehen. Hat er dieselbe erfüllt, so gebührt ihm ein kurzer Dank. Beim Aufstehen verneigt man sich wiederum gegen die Nachbarn; »gesegnete Mahlzeit!« zu sagen ist nicht angängig.
Das Rauchzimmer wird natürlich nur von Herren, das Lesezimmer nur dann von Damen betreten, wenn nicht darin geraucht wird. Wünscht man ein Blatt, das eben nicht frei ist, so richte man eine diesbezügliche Bitte an den augenblicklichen Leser. Dieser wird es uns dann, nach beendeter Lektüre, mit einigen höflichen Worten zustellen.
Ein freundliches, höfliches Betragen gegen die Bediensteten wird unser Ansehen ihnen gegenüber befestigen und sie zu einem gleichen Benehmen veranlassen. Haben sie durch irgend etwas unser Mißfallen erregt, so wäre es wenig schicklich, darüber einen Zank anzufangen; das einfachste Auskunftsmittel bleibt eine sachgemäße Beschwerde bei dem Wirte.
Trinkgelder bezeichneten wir bereits an anderer Stelle als ein Erfordernis guter Lebensart.
Vielen verursacht es Verdruß, daß sie zwei oder mehr Kerzen voll bezahlen müssen, während sie dieselben nur zum zehnten Teil verbrauchten. Gegen solches Mißgeschick läßt sich aber nichts thun, da dieser Modus fast in sämtlichen Gasthäusern eingeführt ist. Verschiedene Versuche, ihn zu stürzen, sind erfolglos geblieben. Wer also das Licht dem Wirte durchaus nicht schenken will, kann es die Nacht über brennen lassen, wenn es ihn nicht stört. Der gute Ton verurteilt solche Plänkeleien als kleinlich und unstatthaft, und da wir einmal davon reden, möchten wir auch gleich daran erinnern, daß es durchaus nicht für sein gilt, den Zucker, die Weißbrödchen u.a. einzupacken, wenn man es nicht an Ort und Stelle verzehrt hat.
Den Gastwirten und deren Untergebenen empfehlen wir ein außerordentlich zuvorkommendes Betragen gegen die Gäste, peinlichste Sauberkeit in allem, was die Zimmer und Speisen anbelangt, wie Beachtung alles dessen, was wir über private Gastzimmer und die Behandlung vom Logierbesuch sagten.[83]