Brautzeit.

[3] Meine Koffer blieben über nacht Tage aus. Ich hatte nur mein Amazonenkleid und ein weißtaftnes Negligée bei mir. Im Amazonenkleid in Gesellschaft zu gehen, war damals nicht so Mode, wie einige Jahre nachher, und in weißtaftenem Rock und Kontusch schickte es sich auch nicht. Mithin blieb ich immer zu Hause und konnte noch keine Visiten machen. Inzwischen kam immer Besuch, teils Freunde von meinem Kummerfeld, die meisten aber aus Neugierde, mich zu sehen und persönlich kennen zu lernen. Meine freundlichen Wirte waren froh, daß meine Koffer noch nicht da waren. Sie sagte: »Ja, wenn Sie erst Ihre Kleider hier haben werden, dann werden wir manchen Tag ohne Sie zubringen müssen.« Endlich waren meine Koffer gekommen und nach Kummerfelds Haus gebracht. Meine liehe Nichte begleitete mich hin, und ich packte aus und brachte nur so obenhin einiges in Ordnung. Acht Kleider, die zu Jahreszeit schicklich waren, nahm ich nur mit mir; denn 24 hatte ich, vollständig und gut, daß keine Dame sich schämen durfte, solche anzuziehen. Auch an Wäsche war kein Mangel, und was noch nicht verarbeitet war, lag zugeschnitten in Stücken neuer Leinwand. Mein Silber machte auch Aufsehen; ich hatte ein vollständiges Kaffee- und Teeservice, zwei Leuchter, Lichtscheren und Teller dazu, auch gewisse notwendige Stücke zur Tafel, kurz, nichts überflüssig, aber auch alles bis auf die geringste Kleinigkeit vollständig und ordentlich.

(W.H.: Von Wäsche und Silbergeschirr war ich eine Freundin schon als Mädchen. Da ich noch bei dem Theater war, war's Mode, daß man vielen Putz von Gold oder silbernen Spitzen oder Tressen trug. Sobald ich's tun konnte, kaufte ich alles echt. Auch meinen Bruder unterhielt ich in Gold und Silber, das er auf Hüten oder als Schleifen an dem Degen trug. Wenn es alt geworden, so mußte er es mir wiedergeben. Ich zupfte es aus, und hatte ich viel[3] oder wenig, so schaffte ich mir ein Stückchen von Silber an. Einen guten Vorrat hatte ich, da ich meinen Theaterstaat ablegte. Dieser wurde verwandt an Silbergeschirr. Daher kam solches. Auch meine Singe- und Meßgeschenke von Koch wurden daran verwendet. Daher kam's, daß ich manches Stück neu mitbrachte. Auch bekam ich in Leipzig einige Geschenke von Silber in meine künftige Haushaltung. Jedes Stück war mit den Anfangsbuchstaben meines Namens bezeichnet.)

Als wir des Abends spät nach Hause kamen, sagte meine Nichte: »Ich habe nicht geglaubt, daß es möglich wäre, so viel in Koffer zu bringen.« Nun freuten sie sich noch mehr, da sie hörten, daß Kummerfelds Braut, wenn sie gleich keine Kapitalien hätte, doch so eingerichtet wäre, daß sie vor jedermann sich könnte sehen lassen. Besonders gefiel ihnen das Reelle der Wäsche. Denn sie hatten sich eine Idee gemacht, daß, wenn Aktricen nur Blumen, Band, Flor und Blonden haben, mag das übrige beschaffen sein, wie es will. Daß meine Kleider nicht neu vom Schneider gekommen, konnten sie sehen. Aber sie sahen doch auch an keinem Schmutz oder Flecke. Daraus schlossen sie, wie richtig zu schließen war, daß ich das Meinige schonte und eine gute Wirtin sein mußte. Und Gott sei noch mein Zeuge, der weiß, daß es wahr ist, daß ich mich nie genauer beholfen, als damals in Leipzig. War mir am Mittag nichts von meinem Essen übriggeblieben, so speiste ich des Abends ein Stückchen trockenes Brot, keine Butter, noch Käse. Ja, den ganzen Sommer, Herbst und Winter habe ich nicht einen Groschen für Obst ausgegeben. Denn wenn ich nicht so sehr genau für mich gelebt hätte, hätte ich freilich so große Kosten und Ausgaben nicht bestreiten können. Wie viele würden bei dem Gedanken eines reichen Bräutigams so gedacht haben?

Quelle:
Schulze-Kummerfeld, Karoline: Lebenserinnerungen. Berlin 1915, S. 3-4.
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