Jagd

[117] zu, welche ja auch, wenn sie nicht Beruf ist, einen gesellschaftlichen Anstrich hat und zu der man also eingeladen wird. Hat man eine solche Einladung angenommen und folgt ihr, so nehme man sich vor, die[117] Treiber zu schonen. Denn die Treiber haben dies mit den Nachtwächtern gemein, daß auch sie Menschen sind.

Kann man nicht gut lügen, so schlage man die Einladung aus. Dasselbe thue man, wenn man das Lügen nicht leiden kann und imstande ist, irgend etwas, was in einer Gesellschaft von Jägern erzählt wird, in Zweifel zu ziehen und mit einem ungläubigen Lächeln anzuhören. Jede Jagd ist eine Entenjagd, und wer dies bezweifelt, bleibe ihr fern.

Man gehe auf die Jagd, ohne einen Augenblick zu vergessen, daß die Wildhandlungen immer mit Beute versehen sind. Das erfüllt mit Mut und Seelenruhe.

Beim Wildhändler hat man genau auf das zu achten, was er einpackt. Namentlich vergewissere man sich, daß er keinen gespickten Hasen in die Jagdtasche steckt. Solches Tier ist zwar der Hausfrau ganz willkommen, man wird aber von ihr ausgelacht, da sie aus dem illustrierten Brehm weiß, daß der Hase nicht gespickt umherläuft.

Dem Schlusse uns fortwährend nähernd, finden wir auf diesem Wege andauernd Gelegenheit, uns hier und da aufzuhalten, um uns mit bisher übersehenen Situationen, in die man im Winter geraten könnte, belehrend zu beschäftigen. Aber bei näherer Betrachtung müssen wir uns doch sagen, daß diese Situationen nicht ausschließlich winterliche sind, sondern auch im Sommer eintreten, und da ich mich sehr bald einem »Leitfaden durch den Sommer« zuwenden werde, so wird sich Gelegenheit bieten, alles, was nur scheinbar unberücksichtigt blieb, auf das Sorgfältigste zu erledigen. Man gestatte mir nur noch einige Worte für den Fall, daß man dekoriert wird, da das Ordensfest in den Winter fällt.

Wird man, wie etwa Professor Menzel, mit dem höchsten Orden ausgezeichnet, so muß man selbst[118] wissen, wie man ihn entgegenzunehmen und zu tragen hat. Daß man bei dieser Gelegenheit die größte Bescheidenheit an den Tag legt und die Auszeichnung als dem ganzen Stande, dem man angehört, erwiesen bezeichnet, zugleich ihn auch als Sporn, auf dem betretenen Wege fortzuwirken, betrachtet, braucht wohl nicht besonders betont zu werden. Ist man dann mit sich unter zwei Augen, so kann man sich unbeschränkt sagen, daß man die seltene Gabe ausschließlich dem verdankt, was man geleistet hat, und daß man dies geleistet haben würde, auch wenn man den höchsten Orden nicht erhalten hätte. Bemerkt man alsdann, daß alle Kollegen neidlos auf die Dekoration blicken, so wird man im Irrtum sein, der bekanntlich menschlich ist.

Weiß man längst, daß man einen Orden bekomme, so sei man derart überrascht, daß man keine Worte findet. Man finde sie erst am anderen Vormittag.

Erklärt ein Dekorierter jedem, der es nicht wissen will, ihm sei ein Orden gleichgültig, so sei man überzeugt, daß er nicht aus dem Hause geht, ohne ihn anzulegen, und ihn auch im Hause trägt. Fügte er hinzu, daß er nichts gethan habe, um in den Besitz des Ordens zu gelangen, so zweifle man nicht, daß er sich jahrelang und mit großen Opfern darum bemüht hat.

Will man ewig leben, so bekomme man einen Orden. Mit einem einzigen Orden ist noch niemand gestorben.

Und nun: Auf Wiedersehen!

Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 1905, Bd. II.
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