Nabob,

[45] lernt ihn kennen und verkehrt mit ihm. Da der Nabob selbst niemals weiß, wie reich er ist, so wird sein Vermögen von jedem, der ihn nicht kennt, genau angegeben. Diese Angabe schwankt zwischen zehn Millionen und einer halben Milliarde, was den Hörern einen großen Respekt einfloßt, während dieses den Nabob nicht weiter geniert. Da der Nabob immer ein Fremder ist, so weiß man nichts Näheres, weder über seine Vergangenheit, noch über die Millionen, die er angeblich mehr als der reichste Mann der Stadt hat. Er wird einstimmig beneidet und hat gewöhnlich[45] eine kranke Leber, wenig Schlaf, mehr Haare auf den Zähnen als auf dem Kopf und etliche Maitressen, die ihn betrügen und viel Geld kosten und zwar mehr, als man glaubt, sowohl betreffs des Betrugs als der Kosten.

Wird man dem Nabob vorgestellt, so mache man, wenn man seinen Namen hört, sofort Ah! Dieses Ah! freut ihn nicht nur sehr, sondern ist eine der wenigen reinen Freuden, welche er seinem vielen Gelde verdankt. Durch dieses Ah! macht man sich ihm angenehm und führt sich gut bei ihm ein.

Weiß man, daß er nicht gern von seinem Reichtum reden hört, so spreche man von diesem. Er hört es dennoch gern.

Ist man ein Mann, der fern von allem Eigennutz den Nabob niemals pekuniär in Anspruch nehmen wird, so wird man dennoch von ihm erfahren, daß er ungemein viel von Bittstellern belästigt werde und nicht imstande sei, allen Anforderungen zu genügen. Er versichert dies, weil man doch auch versuchen könnte, sich den bezeichneten Bittstellern anzureihen.

Ist man ein armer Maler und möchte ihm ein gutes Bild verkaufen, so hat er merkwürdiger Weise leider kein freies Plätzchen mehr an den Wänden des Hauses, welches er sich nächstens bauen lassen wird. Möchte man sein Porträt malen, so sitzt er gerade schon zwei Malern.

Will man ihn bestimmen, sich mit einer Summe Geldes an der Gründung eines gemeinnützigen Instituts zu beteiligen, so kommt man ganz zufällig in dem Augenblick zu ihm, wo sein Etat für derlei Dinge schon bedeutend überschritten ist. Man bedaure natürlich, das nicht gewußt zu haben. Dagegen wird man wissen, ohne es erfahren zu haben, daß sein Etat für Pferde, Maitressen, Baccarat und Soupers niemals überschritten ist.[46]

Ist man ein vielgelesener Schriftsteller, so darf man überzeugt sein, daß man dem Nabob kein Buch dedizieren könnte, das er schon hatte. Das ist doch ohne Zweifel eine große Annehmlichkeit für den freigebigen Schriftsteller. Allerdings interessiert sich der Nabob auch für die Literatur, aber nur auf Reisen, indem er in Bahnhöfen französische Romane und Bände der Tauchnitz-Edition kauft.

Man sage dem Nabob nicht, daß man wünsche, das Glück zu haben, dem er seine Schätze verdankt. Denn er verdankt alles seinem Geist und seinem Verstand. Man äußere in seiner Gegenwart auch nicht, daß das Geld auf der Straße liege. Denn er hat diese Straße niemals passiert und kennt sie auch nicht einmal dem Namen nach. Vor allem aber citiere man nicht, der Dumme habe das Glück. Der Nabob ist immer überzeugt, daß er dann so arm wie Hiob wäre.

Wenn der Nabob, vom Verzehren seiner Rente er mattet, erholungsbedürftig ist, so pflegt er nach Monte Carlo zu reisen, um daselbst am Trente-et-quarente-Tisch Erholung zu suchen. Hat er dann einige Hunderttausend Francs gewonnen, so reist er gekräftigt nach Paris, zu einer gründlichen Nachkur. Trifft man ihn später nach seiner Rückkehr, so sage man ihm, daß er vortrefflich aussehe. Dies erregt den Verdacht in ihm, daß man etwas von ihm wolle, worauf er versichern wird, daß er sich leider habe verleiten lassen, in Monte Carlo zu spielen, und viel verloren habe. Hierauf nehme man seine Einladung zu einem Souper an und weide sich weiter an seiner grundlosen Angst.

Hat man einen Nabob angepumpt, so fürchte man nicht, daß man mit Hilfe eines schlechten Gedächtnisses vergesse, ihm das Geliehene zurück zu geben, denn man wird durch den Nabob, der ein gutes Gedächtnis[47] hat, an die Schuld erinnert, indem er hinzufügen wird, daß er nicht daran erinnern würde, wenn er augenblicklich nicht selbst in großer Verlegenheit wäre. Diese Verlegenheit besteht zum Glück darin, daß ihm keine glaubwürdigere Ausrede einfällt.

Liebt man den Nabob sehr, so fürchte man nicht, daß er, obwohl allerdings sehr reich, über seine Verhältnisse lebe und darum eines Tages ruiniert sein könne. Nur Leute, die wenig haben, leben über ihre Verhältnisse.

Wenn der Nabob keine Orden und Titel erlangen kann, so pflegt er Sozialdemokrat zu werden, indem er wenigstens sozialdemokratische Redensarten laut werden laßt und die Hörer dadurch ärgert und erschreckt. Hat man ihn nun lieb, so tue man alles, was möglich ist, um ihm einen Orden oder Titel oder beides zu verschaffen, denn nichts ist lächerlicher als ein reicher Mann, der sich sozialdemokratisch geberdet.

Ist man selbst ein Nabob und zugleich Vater einiger Söhne, so gehe man mit den Millionen so sparsam um, daß sie von den bezeichneten Erben noch leidlich zahlreich vorgefunden werden, denn was die lieben Söhne eines Nabobs verbrauchen können, das wissen die Konkursverwalter ziemlich genau anzugeben.

Von den Menschen, welche auf dem besten Wege sind, Nabobs zu werden, indem sie sich entschließen, auf die Dummheit der Menschen zu spekulieren, ist in erster Reihe zu nennen:


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 1903, Bd. IV, S. 45-48.
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