Beilage 10.

Ceremoniel

bei der

am 28. Dezember 1875 im Königlichen Palais zu Berlin stattfindenden feierlichen Investitur Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich Wilhelm von Preussen mit dem hohen Orden vom Goldenen Vliesse.

Auf Allerhöchsten Befehl findet am 28. Dezember 1875 um 41/2 Uhr im blauen Salon des Königlichen Palais zu Berlin die feierliche Investitur Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich Wilhelm von Preussen mit dem hohen Orden vom Goldenen Vliesse und um 5 Uhr im runden Saale ein Diner statt.

Der Anzug ist in Gala mit dunkelen Unterkleidern und mit Ordensband, vorzugsweise Spanischem, für die Herren vom Militair in grauen Beinkleidern ohne Schärpe.

Seine Majestät der Kaiser und König, gefolgt von Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen, Ihren Königlichen Hoheiten den Prinzen des Königlichen Hauses, den hier anwesenden Prinzen aus anderen souverainen Häusern, dem Reichskanzler, in seiner Eigenschaft als Minister der auswärtigen Angelegenheiten, dem Minister des Königlichen Hauses, dem Geheimen Cabinets-Rath und den General- und Flügel-Adjutanten, sowie den dienstthuenden Prinzlichen Adjutanten, begeben Sich, unter Vortritt der Obersten Hof- und Ober-Hof-Chargen, aus dem Balkon-Saal durch das Malachitzimmer in den blauen Salon.

Seine Königliche Hoheit der Prinz Friedrich Wilhelm von Preussen, begleitet von Höchstseinem Gefolge, begiebt Sich durch das Treibhaus nach dem Compartiment des runden Saales.

Der Spanische Gesandte Don F. Merry y Colom mit dem Personal der Gesandtschaft, von welchem der Spanische Legations-Secretair die Ordens-Insignien auf einem Kissen, und der Attaché die Verleihungs-Urkunde (Titre Royal envoyé a S.A.R.) gleichfalls auf einem Kissen trägt, wird empfangen und nach dem Malachitzimmer geleitet, um daselbst den Befehl zu erwarten, welchen Seine Majestät geruhen werden, ihm durch den Ober-Ceremonienmeister zukommen zu lassen.[263]

Seine Majestät der Kaiser und König geruhen am Ende des blauen Salons, dem Eingange zum Malachitzimmer gegenüber, Ihre Aufstellung zu nehmen; rechts von Allerhöchstdenselben die Ritter des Goldenen Vliesses, Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz, Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen Carl und Friedrich Carl und der Reichskanzler Fürst von Bismarck, sowie die Obersten Hofchargen; links von Seiner Majestät Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen des Königlichen Hauses und die hier anwesenden Prinzen aus anderen souverainen Häusern, der Minister des Königlichen Hauses und die Ober-Hofchargen; links vom Eingange alle anderen eingeladenen, nicht zum Königlichen Hofstaate gehörenden Personen, sowie das Prinzliche Gefolge, während die General-Adjutanten und der Flügel-Adjutant vom Dienst rechts, der Geheime Cabinets-Rath und die Flügel-Adjutanten links hinter den Königlichen Prinzen ihre Plätze finden.

Sobald Seine Majestät dem Ober-Ceremonienmeister den Befehl ertheilt haben werden, den Spanischen Gesandten Don F. Merry y Colom mit seinem Gefolge eintreten zu lassen, führt Ersterer diesen aus dem Malachitzimmer nach dem blauen Salon, woselbst der Gesandte Seiner Majestät gegenüber stehen bleibt und folgende Worte in französischer Sprache an Allerhöchstdieselben richtet:


»Sire!

J'ai l'honneur de présenter à Votre Majesté le Collier de l'Ordre Insigne de la Toison d'Or, que Sa Majesté le Roi, mon Auguste Souverain, a conféré à S.A.R. Monseigneur le Prince Frédéric Guillaume de Prusse.

En Sa qualité de Chef et Grand-Maître de l'Ordre le Roi adresse à Votre Majesté la lettre que j'ai l'honneur de Lui présenter et par laquelle Elle confère à Votre Majesté commission pour investir, en Son Nom, Son Altesse Royale de ces insignes.

En m'acquittant de cette mission, je ne crois pas pouvoir me dispenser de remercier respectueusement V.M. de l'honneur qu'Elle a bien voulu m'accorder en m'appelant à participer à cette céremonie.«


Der Spanische Gesandte tritt darauf vor und überreicht Seiner Majestät dem Kaiser und Könige das Schreiben Seiner Majestät des Königs von Spanien.

Nachdem Seine Majestät der Kaiser und König hierauf zu antworten geruht haben, beauftragen Allerhöchstdieselben Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit den Kronprinzen, als anwesenden ältesten Ritter des hohen Ordens vom Goldenen Vliesse und erwählten padrino, Sich in das Gemach zu begeben, woselbst der Candidat des Ordens wartet.

Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit verlässt hierauf in Begleitung des Ober-Ceremonienmeisters den blauen Salon, um Sich zu Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Friedrich Wilhelm von Preussen zu begeben und Höchstdemselben folgende Fragen vorzulegen:


Seine Majestät der König von Spanien, Don Alfonso, hat Eure Königliche Hoheit zum Ritter und Mitgenossen des hohen Ordens vom goldenen Vliesse ernannt und zu diesem Behufe Seine Majestät den Deutschen Kaiser und König von Preussen mit dieser Feierlichkeit beauftragt, Allerhöchstwelche Ihrerseits mir befehlen, anzufragen, ob Eure Königliche Hoheit die Ernennung annehmen.
[264]

Seine Königliche Hoheit erwidert die Allerhöchste Anfrage durch eine Dankbezeigung, von welcher Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz Seiner Majestät dem Kaiser und König ehrerbietigst Meldung macht.

Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz sagt:


»Son Altesse Royale le Prince Frédéric Guillaume, très honoré de la grande distinction que Sa Majesté le Roi à daigné lui accorder, accepte avec reconnaissance sa nomination comme Chevalier de la Toison d'Or. Votre Majesté ordonne-t-Elle d'introduire Son Altesse Royale le Prince Frédéric Guillaume?«


Allerhöchstdieselben ertheilen sofort dem Ober-Ceremonienmeister den Befehl zur Einholung Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich Wilhelm von Preussen.

Die Obersten Hofchargen empfangen Höchstdenselben au der Thür des Gemachs.

Seine Königliche Hoheit, geleitet von Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen, naht Sich Seiner Majestät dem Kaiser und Könige und bezeigt Allerhöchstdenselben persönlich Seinen Dank für die Conferirung des Ordens.

Inzwischen hat der Ober-Ceremonienmeister den Don F. Merry y Colom aufgefordert, näher zu treten, und Seine Majestät geruhen durch denselben an des Prinzen Friedrich Wilhelm von Preussen Königliche Hoheit, folgende Eröffnung und Frage in französischer Sprache ergehen zu lassen:


»S.M. Le Roi, Chef et Grand-Maître de l'Ordre Insigne de la Toison d'Or, en témoignage de l'estime qu' Elle professe à V.A.R., et espérant que V.A.R. contribuera à l'éclat de l'Ordre Vous a nommé Chevalier Confrère de la Toison d'Or. –

Mais avant de recevoir le Collier, V.A.R. devra déclarer, si Elle est déjà Chevalier.«


Während der Gesandte diesem Allerhöchsten Auftrage genügt, stellt er sich rechts neben Seine Königliche Hoheit den Prinzen Friedrich Wilhelm von, Preussen.

Seine Königliche Hoheit erwidert auf diese Frage in derselben Sprache, welche bis zum Schlusse der Feierlichkeit beibehalten wird:


»Je le suis.«


Der Gesandte hat inzwischen von dem Legations-Secretair das Kissen mit der Ordenskette übernommen und Seiner Majestät dem Kaiser und Könige dargereicht.

Allerhöchstdieselben nehmen die Kette davon ab und hängen dieselbe Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Friedrich Wilhelm von Preussen um.

Der Gesandte spricht dabei:


»L'Ordre reçoit V.A.R. en son amiable Compagnie, en signe de quoi elle remet à V.A.R. ce Collier.

A Dieu plaise que V.A.R. puisse le porter longues années pour son honneur et sa gloire.«


Seine Majestät der Kaiser und König ertheilen Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Friedrich Wilhelm von Preussen die herkömmliche Accolade, Höchstwelcher sodann von den anwesenden Rittern des hohen Ordens vom Goldenen Vliesse der Anciennetät nach umarmt wird. Demnächst[265] wird von dem Don F. Merry y Colom dem neuen Ritter das Königliche Diplom, welches Seine Majestät der König von Spanien als Ordens-Souverain Seiner Königlichen Hoheit sendet, feierlich ausgeantwortet.

Hiermit schliesst die Ceremonie der Investitur und Seine Majestät der Kaiser und König verlassen unter demselben Vortritt und mit demselben Gefolge den blauen Salon.


Berlin, den 27. December 1875.


Auf Seiner Kaiserlichen und Königlichen Majestät Allergnädigsten Special-Befehl.


Der Ober-Ceremonienmeister:

Graf Stillfried.

Quelle:
Stillfried-Alcántara, Rudolf von: Ceremonial-Buch für den Königlich Preußischen Hof I. - XII. Berlin 1877, S. 261-266.
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