Der Optimist hat mehr vom Leben

[72] Wir alle sind Stimmungsmenschen. Nicht nur unser Denken, Fühlen und Urteilen, sondern auch unser ganzes Auftreten, unser Benehmen andern Menschen gegenüber ist gewissen Stimmungen unterworfen. Nicht nur diese Feststellung wollen wir uns stets vergegenwärtigen, sondern auch, daß wir wohl Stimmungen haben können, daß diese aber nicht uns haben dürfen, ferner, daß wir auch für die Art unsrer Stimmungen verantwortlich sind und sie sehr wohl beeinflussen können. Maßgebend ist fast ausschließlich die Lebensauffassung.

Ein aktiver Mensch mit froher Lebensauffassung wird viel Freude und viele Freunde haben, ein Mensch dagegen, der sich treiben läßt, dem die schlechte Laune sozusagen zum Lebensbedürfnis geworden ist, wird nicht gern gesehen. Er[72] macht sich und seiner Umgebung das Leben unnötig schwer und wird meist allein sein. Ihm wird der Pessimismus zu einem Isolierband.

Im Frohsinn haben wir die erste Stufe zum Wohlwollen zu erblicken. Ein lebensbejahender Mensch hat immer sein Spiel schon halb gewonnen. Ein Mann, der über hohe Geistesgaben verfügt, muß im geselligen Kreise oft hinter dem zurückstehen, der weniger geistvoll ist, dafür aber eine heitere Lebensauffassung erkennen läßt. Ein Mann, dessen Herz sich dem andern lachend öffnet, kann stets auf Vertrauen rechnen. Und ist es bei der Frau anders? – Keineswegs.

Eine strahlende, kalte und ernste Schönheit imponiert fraglos, erregt in kleinerem oder größerem Kreise ein gewisses Aufsehen. Man bewundert die schöne Frau und freut sich darüber. Sie ist ernst, nur hin und wieder huscht ein zurückhaltendes Lächeln um ihre Mundwinkel und Augen, das seinen gewinnenden Ausdruck vielleicht zahllosen Versuchen und Übungen vor dem heimischen Spiegel verdankt. Aber solch ein diskretes Lächeln einer kalten Schönheit ist noch längst kein Lachen. –

Dagegen kann sich eine Frau mit wahrhaft sonnigem Gemüt, die unbeschwert und lustig ihren Weg geht, mit ihrem aufgeschlossenen Wesen und ihrem herzerquickenden, glockenreinen und natürlichen Lachen schnell die Herzen ihrer ganzen Umgebung gewinnen.

Heitere Lebensauffassung ist auch ein Stück Volksgemeinschaft, denn sie schafft eine allgemein fröhliche Stimmung. Und wo sich der Humor siegreich durchsetzt, da schwinden schnell etwaige Unterschiede in Rang und Stand. Wenn sich Menschen, die ein bestimmter Zweck oder der Zufall zusammengeführt hat, einmal so recht offen und lustig anlachen, da fühlen sie sich gleich in einer herzlichen Gemeinschaft verbunden. Wie kommt es denn, daß man in der Sommerfrische meist sehr schnell Menschen findet, die einem sympathisch sind, denen man sich gern anschließt und mit denen man sich dann in erstaunlich kurzer Zeit befreundet? – Nun, der Grund liegt darin, daß hier die Menschen sorgenlos, zuversichtlich und meist bester Stimmung sind. Ein[73] unwiderleglicher Beweis dafür, daß eine frohe Lebensauffassung ein vortreffliches Bindemittel ist.

Miesmacher und Schwarzseher haben eine ausgesprochene Abneigung gegen alle Optimisten. Wahrscheinlich darum, weil sie sie beneiden, ohne es anzuerkennnen. Gern spielen sie sich als klug und weitschauend auf, sie bilden sich ein, das Gras wachsen zu hören und wenn eine von ihnen vorhergesagte unheilvolle Entwicklung nicht gekommen ist, dann erklären sie mit finsteren Mienen und zusammengezogenen Augenbrauen, daß sie bestimmt noch kommen werde. Und wer nicht derselben schwarzen Auffassung ist, wird von ihnen für töricht und unwissend gehalten.

Ein Optimist wird auch darüber lachen. Er selbst kann am besten beurteilen, wie weit man mit dem Optimismus kommt, der immer ein Beweis von Kraft und Gesundheit ist. Solange der Mensch über eine frohe Lebensauffassung verfügt, wird er schon dadurch die Lebensfreude für sich gewinnen. Daraus schöpft er viel wertvolle, lebendige Schaffenskraft.

Dem Pessimisten kommt es aus naheliegenden Gründen gar nicht zum Bewußtsein, welcher Schaden ihm dadurch entsteht, daß er fortgesetzt nur an die gefahrdrohenden Möglichkeiten des Schicksals denkt, denn diese Einstellung nagt mitleidslos an seiner Schaffens- und Widerstandskraft.

Man muß auch mal lachen können, wenn eigentlich gar kein Grund dazu vorliegt. – Das ist eine besondere Lebenskunst und das Geheimnis mancher Menschen, die immer gut gelaunt sind. Und es geht sehr gut, wenn man sich einmal angewöhnt hat, alles Schöne und Gute in der Welt in seinem Glanz zu bewundern und zugleich alles Häßliche möglichst zu übersehen. – So recht ausgelassen über irgendeine geringfügige Freude ist man in der Kindheit und auch wohl in der frühesten Jugend. Wer aber auch noch als reifer Mensch Freude und Glück unter der Lupe vergrößert sieht, der wird voll innerer Überzeugung mit Hutten ausrufen: »Es ist eine Lust, zu leben«, oder auch mit Don Carlos: »O Königin, das Leben ist doch schön!«

Um noch einmal alles kurz zusammenzufassen: Wer lacht, hat mehr vom Leben. Aber nicht er allein, sondern auch die, die ihm nahe sind.[74]

Quelle:
Volkland, Alfred: Überall gern gesehen. Mühlhausen i. Thüringen 1941, S. 72-75.
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