Abendgesellschaften und andere

Formen der Gastfreundschaft und des

geselligen Verkehrs.

»Tages Arbeit, Abends Gäste.« In vielen Berufskreisen bleiben nur die Abendstunden für den geselligen Verkehr übrig.

Wir kennen die verschiedensten Abstufungen von Abendgesellschaften von dem Hausball, der unsern ganzen Bekanntenkreis vereinigt, bis zu dem anspruchslosen »Butterbrot«, zu dem wir getreue Nachbarn erwarten.

Der Hausball oder Thé dansant verlangt die meiste Umwälzung im Hausstande. Wir müssen genügend Platz für die tanzende Jugend wie für das zuschauende Alter schaffen und dürfen unsere Zimmer zu diesem Zwecke teils ganz, teils dreiviertel ausräumen. Es genügt, wenn ein behaglich eingerichteter Salon und ein Rauchzimmer vorhanden sind; die andern Räume sollen zum Empfang und zum Tanze möglichst leer sein.[148] Man sorge dagegen für genügende, leicht zu transportierende Stühle, welche von der Bedienung in den Tanzpausen nach Wunsch hingestellt werden. Wer einen Ball giebt, versichere sich eines gewandten Arrangeurs. Man wähle hierzu einen Verwandten oder Bekannten, vermeide es aber, einen Bewerber oder Verehrer der Tochter durch die Bitte der Uebernahme dieses Amtes offenkundig auszuzeichnen. Die Tanzkarten werden den Damen angeboten resp. von den Herren überreicht. Während sich die Gesellschaft versammelt, wird in Tassen gegossener Thee nebst Arrak, Zucker und Sahne angeboten, daneben sogenannte petits fours, kleine Dessertbäckereien, die leicht verspeist werden können, ohne den Handschuh zu beschmutzen. Je nach Belieben wird während einer größeren Tanzpause an Tischen warm soupiert, oder es ist ein Büffet vorhanden. Was des weiteren bei Vorbereitungen für Geselligkeit im Hause zu beachten ist, findet der Leser in dem Kapitel »Von dem Arrangement einer Gesellschaft«.

In den Tanzpausen reicht man Limonade, Eis, eingezuckerte Apfelsinen, kleine Kuchen, Wein, Bowle, später Sandwiches, Häringssalat und eventuell Bier. Zum Schluß des Balles wird Kaffee serviert. Die Toilette für ältere Damen besteht in einem Gesellschaftskleid mit Schleppe, für tanzende Damen in einer ausgeschnittenen Balltoilette und hellen Handschuhen, für Herren in Frack, weißer Binde, Chapeau claque, Orden, hellen Handschuhen und Lackstiefeln. Die Einladung dazu erfolgt 10–14 Tage vorher. Ein Hausball, an dem nur die Jugend teilnimmt, ein sogenanntes »Lämmerhüpfen«,[149] soll früher beendet sein wie ein anderer Ball. Die Dame des Hauses ist hier die Anstandsdame für alle jungen Mädchen. – Das Ende eines Hausballes besteht des öfteren in einem Defilieren der wie zur Polonaise antretenden Paare und Dankverbeugung vor der Dame des Hauses.

Der Rout ist eine besonders in Hof- oder Diplomatenkreisen beliebte große, nur wenige Stunden währende Abendgesellschaft (z.B. von 9–12 oder 10–1 Uhr), während welcher nur am Buffet gespeist wird, zu der man aber große Toilette wie zu einem Balle macht. Ist das Erscheinen des Hofes zu erwarten, so legen Offiziere zum Gesellschaftsanzug Galabeinkleider an.

Will man eine Abendgesellschaft ohne Tanz oder andere Unterhaltung der Gäste geben, so ladet man zum Abendessen ein. Die Hauptaufmerksamkeit erheischt alsdann diese dem Diner an Reichhaltigkeit nachstehende, jedoch immerhin umständliche Mahlzeit. Man serviert z.B. Bouillon mit Pasteten, Stangenspargel mit Zunge, Mayonnaise von Fisch, Geflügel, Salat und Kompott, Eis, Butter und Käse, Dessert und Obst. Hierzu wird weißer und roter Tischwein, ein besserer Weißwein, zum Braten Sekt und zum Käse Portwein gegeben. Nach Aufbruch von Tisch reicht man entweder gleich ein Mokkatäßchen Kaffee sowie Liqueur und im Laufe des Abends Bier, Wein, Selterswasser, oder man läßt etwa 11/2–2 Stunden nach dem Essen Thee und Gebäck herumreichen. Für die Herren giebt es auch in diesem Falle im Rauchzimmer Bier.

[150] Freundschaftliche Abendessen – die Einladung dazu ergeht zum »Abendbrot« oder nur »zum Abend« – sind natürlich einfacher. Man giebt z.B. einen Fisch warm oder in Mayonnaise, alsdann Braten mit Salat und Kompott und eine süße Schüssel, dazu nur Tischwein oder auch eine warme Vorspeise, wie Ragout, Eierspeise mit Beilage und kalten Braten, dazu Bier.

Einen hübschen, gern gesehenen Beschluß der Gesellschaft bildet eine Bowle, die im Zimmer des Hausherrn, aber in Anwesenheit der Damen getrunken wird, und wozu kleine trockene Kuchen, z.B. Sandtörtchen, Bisquit u. dergl. gegeben werden, oder ein Grog, den die Hausfrau jedem Gast aus Cognac, dampfendem Wasser und Zucker selbst mischt, und zu welchem heiße Berliner Pfannkuchen serviert werden.

Alles, was wir in dem Abschnitt »Das Diner« über Empfang, Begrüßung der Gäste, Aufbruch u.s.w. gesagt haben, findet selbstverständlich auch auf das, was wir über Abendgesellschaften sagten, sowie auf alle nachstehend beschriebenen Formen des geselligen Verkehrs Anwendung. Der aufmerksame Leser wird das Gelernte auch hier richtig zu verwenden wissen.

Das Déjeuner dinatoire ist das in eine frühere Stunde verlegte Mittagsmahl. Es ist in vornehmen Kreisen üblich und wird bei Hochzeiten bevorzugt. Die Tafel wird dazu wie zu einem ceremoniellen Diner gedeckt. Das déjeuner dinatoire unterscheidet sich von diesem nur dadurch, daß die Suppe – Bouillon in Tassen serviert wird. Eine seine Speisenfolge wäre:[151]

1. Bouillon, römische Pasteten.

2. Ochsenmürbebraten auf Königs-Art.

3. Rheinsalm mit klarer Butter.

4. Pastete von Feldhühnern.

5. Hummer in Aspic.

6. Metzer Poularde, Salat, Kompott.

7. Artischocken.

8. Rahmgefrorenes.

9. Käsestroh und englische Sellerie.

10. Dessert und Obst.

Von Weinen reicht man zu Beginn Sherry oder Sekt, zu 2) wird der Tischwein getrunken, zu 3) ein guter Rheinwein etwa Markobrunner. Rüdesheimer oder Steinberger, zu 4) ein seiner Bordeaux, zu 6) Champagner, der bis zum Ende der Tafel fortgeschenkt wird, zu 7) Burgunder oder sehr guter Bordeaux, zu 9) schließlich Portwein oder Dessertwein.

Das déjeuner dinatoire und das Diner erlauben das gedruckte oder geschriebene Menu, falls sie zu festlicher Gelegenheit und in einigermaßen größerem Maßstabe stattfinden. Bei andern Gelegenheiten ein Menu aufzulegen, sieht prahlerisch aus und gilt für Gasthofsgeschmack. Das Menu erscheint auf einfacher oder Doppelkarte, häufig in Verbindung mit der Tischkarte. Die Ausstattung richtet sich nach der Tagesmode. Der gute Geschmack läßt sich nicht von allzu originellem Aussehen bestricken; ein einfacher weißer Karton mit dem Monogramm des Gastgebers und dem Datum bleibt immer am vornehmsten.[152]

Der Termin für Einladungen ist zehn bis vierzehn Tage vorher, die Toilette wie beim Diner.

Das Frühstück. Die Sitte der auf den Spätnachmittag verlegten Hauptmahlzeit hat das zweite Frühstück auf die eigentliche Mittagszeit verschoben, und die Gastfreundschaft hat sich auch hier der Gelegenheit bemächtigt. Man kennt Einladungen zu Gabelfrühstücken familiären Charakters, zu Herrenfrühstücken und dem oben beschriebenen Déjeuner dinatoire. Eine Einladung zum Frühstück pflegt meist mündlich, auf einer Besuchskarte oder in Billetform ausgedrückt zu werden. Häufig verabredet man sich auf größeren Festlichkeiten: »Wollen Sie, bitte, am Mittwoch bei mir frühstücken?« Die Stunde versteht sich von selbst: zwölf Uhr. Der Frühstückstisch erlaubt alle jene kleinen hübschen Gegenstände, wie Mixed Pickles-Dose, Essig- und Oelständer, Sardinenbüchse, Salzfäßchen in Verkleidung, bunte originelle Pfropfen, die so sehr zum lebhaften Aussehen des Tisches beitragen und doch von der feierlichen Tafel verbannt bleiben müssen. Häufig steht die Theemaschine neben dem Tisch, und die Hausfrau bereitet eigenhändig dies in Norddeutschland geschätzte Frühstücksgetränk. Die Speisenfolge eines Frühstücks ist etwa folgende: Als warme Vorspeise werden Eier in irgend welcher Form mit Beilage gereicht, Pasteten mit Bouillon, Mayonnaise oder eine Geleeschüssel und ein Gang, bestehend aus kaltem oder warmem Braten, Kotelette mit Gemüse oder ähnlichem. Kompotts fehlen gänzlich. Butter und Käse, sowie event. kleine Kuchen machen den Beschluß.[153] Als Getränk giebt man Portwein oder andern Frühstückswein, Rotwein und Weißwein. Bei einfacheren Frühstücken steht kalter Aufschnitt, Butter, Brot und Käse, Obst und kleine Kuchen, eine Geleeschüssel oder Pastete bereits in geschmackvoller Anordnung auf dem Tisch, wird nacheinander angeboten (etwaiger Tellerwechsel!) und von den Gästen weitergegeben. Auch wird häufig nur Portwein, Thee und Bier angeboten.

Nach dem Frühstück braut die Hausfrau eine kleine Tasse Kaffee, und der Hausherr läßt die Batterie Liqueurflaschen und die Rauchrequisiten auffahren. Um 3 Uhr dürfte auch das längste derartige Frühstück als beendet anzusehen sein.

Toilette: Straßenanzug.

Das Herrenfrühstück pflegt von manchen Familien, welche großen Herrenverkehr haben, als beliebte Form der Gastfreundschaft gewählt zu werden. Selbstverständlich verlangt es größere Vorbereitungen als das oben beschriebene einfache Frühstück. Die Einladungen werden fünf bis acht Tage vorher versandt.

Die Hausfrau empfängt die Gäste und verweilt bis zum Dessert an der Tafel. Ihre Gegenwart wie etwa die ihrer verheirateten Tochter übt einen wohlthätigen Zwang aus. Alsdann zieht sie sich zurück und erscheint erst wieder zur Verabschiedung im Salon.

Bei der Auswahl der Speisen wird man dem Geschmack der Herren Rechnung tragen. Die Speisenfolge, mit Bouillon, Austern oder Kaviar beginnend, wird mindestens drei warme Gänge aufzuweisen haben, z.B.[154] Fisch, Gemüse mit Beilage, Braten oder garnierten Braten, kalte Pastete, Geflügel, und mit Arrak- oder Punsch-Eis oder Plumpudding mit Butter und Käse sowie Früchten schließen. Die Tafel erscheint genau wie zu einem Diner gedeckt, nur fehlt der Suppenlöffel. Es ist jedoch erlaubt, kalte Schüsseln sowie geschnittenes Brot in Körben und Dessertweine bereits zu Anfang auf den Tisch zu stellen.

Hat sich die Hausfrau entfernt, so werden brennende Lichter auf die Tafel gestellt zum Zeichen, daß geraucht werden darf. Verschiedene Sorten Cigarren und Cigaretten, unter denen ja nicht eine leichte Sorte, die von sehr vielen bevorzugt wird, fehlen darf, werden nebst neuen Cigarrenspitzen auf einem Tablett von der Dienerschaft angeboten. Der Tisch ist völlig abgeräumt bis auf die Gläser und Karaffen. Man versäume nicht, eine genügende Anzahl Aschenbecher aufzustellen.

Das Zeichen zum Rauchen giebt der vornehmste Gast, dem, natürlich nur falls er eine Cigarre acceptiert hat, der Hausherr das Licht hinhält oder hinreicht. Hat er das Rauchen abgelehnt, so wird er mit den Worten: »Aber bitte, meine Herren, lassen Sie sich nicht abhalten!« die Erlaubnis zum Rauchen erteilen. Nun wird Kaffee gereicht, dazu verschiedene Liqueure, später Bier.

Die Toilette besteht aus Gehrock, Cylinder, mittelfarbenen Handschuhen und eventuell Ordensrosette. Findet das Frühstück zu Ehren einer hochgestellten Persönlichkeit statt, oder ist eine Fürstlichkeit anwesend, so erscheint man in Frack und Orden. – Der Gastgeber wird nicht verfehlen, auf der Einladungskarte »Bitte[155] Ueberrock« anzugeben, falls es so gewünscht wird. Fehlt jede nähere Bestimmung, lieber Leser, so mußt du dich in den Frack werfen. Der Gastgeber hat dann irgend einen Grund, dies zu wünschen. Ohne besondere Aufforderung im Gehrock zu erscheinen, sieht nonchalant aus und kann dir unter Umständen sehr übel genommen werden.

Hier ein Beispiel: Der Regimentskommandeur lud zu einem Mittagessen ein. Es sollte das Bewillkommnungsdiner für einen kürzlich nach dort versetzten hohen Offizier sein. Da sonst die Diners im Hause des Obersten zwanglos familiär waren, überlegten es sich die jüngeren Herren nicht lange und erschienen wie immer im Ueberrock. Welch fatale Situation aber, als ihnen nicht nur ihr Vorgesetzter, sondern auch der zu ehrende Gast im Glanz sämtlicher Orden und Ehrenzeichen entgegentrat!

Der five o'clock tea. Von England kam vor einigen Wintern die Sitte des Fünf-Uhr-Thees zu uns herüber. Dieselbe hat sich bei uns rasch eingebürgert, besonders auch in den Kreisen, die einem sonstigen Zusammenkommen am Nachmittag nicht hold sind, d.h. in denjenigen, die spät essen. Der Charakter des five o'clock tea ist ein so einfacher, anspruchsloser, daß man seine Verbreitung im Interesse der Geselligkeit nur wünschen kann.

Die Aufforderung dazu erfolgt entweder mündlich oder schriftlich nur einmal zu Beginn des Winters und gilt für einen oder mehrere bestimmte Tage in der Woche. Die Hausfrau empfängt ihren Besuch[156] in dem Salon, der sein gewohntes Aussehen zeigt. Neben dem Hauptsofa steht einer jener modernen Theetische aus Bambus oder Kupfer, welche die Mode des five o'clock ins Leben gerufen hat, und an dem die Hausfrau selbst den Thee bereitet. Der Sofatisch trägt eine gestickte Serviette, kein Tafeltuch, und verschiedene Schalen oder Körbchen mit Cakes von verschiedenem Geschmack und Aussehen, kleinen Sandwiches aus Weißbrot und Pumpernickel, Weißbrotschnitten mit sogenannten Pains, Anchovypaste oder Marmelade bestrichen, Kuchen und kleinem Backwerk. Der five o'clock ist ein Imbiß, keine Mahlzeit, daher wäre eine ausgedehntere oder reichlichere Bewirtung durchaus unpassend. Die Gäste kommen und gehen nach Belieben. Die Damen legen Mantel, Schirm und Galoschen, die Herren Paletot, Stock oder Schirm im Vorzimmer ab. Die Wirtin begrüßt die Eintretenden, macht sie miteinander bekannt, ladet sie zum Niedersitzen ein und bietet ihnen den Thee selbst an. Ist eine Tochter im Hause oder ein der Familie näherstehendes junges Mädchen anwesend, so unterstützt diese die Hausfrau. Die Dienerschaft ist nur im Vorzimmer beim Ablegen und beim Thüröffnen thätig. Sind sehr viele Besucher gekommen, so entstehen naturgemäß Gruppen. Die Jugend versammelt sich um die Tochter des Hauses vielleicht in einem zweiten Zimmer. Man plaudert, musiziert ein wenig, probiert ein neues Gesellschaftsspiel und geht wieder oder – weiter, denu es soll Menschen geben, die mit Ausdauer zwei oder drei Fünf-Uhr-Thees nacheinander besuchen.[157]

Der Fünf-Uhr-Thee wird im Sommer nach dem Garten verlegt. Man spielt Croquet, Tennis oder schießt nach der Scheibe. Man bietet alsdann etwa noch Eiskaffee, Limonade oder Wein mit Selters an. Die geringen Ansprüche, die der Fünf-Uhr-Thee an den Geldbeutel und die Arbeitskraft der Hausfrau stellt, machen ihn zu einem mit Recht beliebten Moment in unserem gesellschaftlichen Leben. Die Geselligkeit verlangt, soll sie anregend wirken, einen regen Austausch der Beziehungen. Diesen auf gemütliche und dabei billige Art und Weise zu vermitteln, bestrebt sich mit Erfolg der Fünf-Uhr-Thee. Eine Aufforderung zum five o'clock hat etwa folgenden Wortlaut:


Abendgesellschaften

Beantwortet wird eine solche Einladung nicht; man bedankt sich beim nächsten Wiedersehen.

Verwandtschaft mit dem Fünf-Uhr-Thee hat der Jour fixe. In Paris vermerkt die Dame auf ihrer Besuchskarte in der linken unteren Ecke den Namen des Wochentags, an dem sie empfängt. Bei der Weite der Entfernungen in der Großstadt ist dieser Brauch, der[158] ein Verfehlen des Besuchs verhütet, nur anzuerkennen. In Deutschland hat derselbe nur zum Teil Verbreitung gefunden. Was wir heute Jour fixe nennen, ist nicht ein feststehender Tag der Woche, an dem wir uns für etwa kommenden Besuch zu Hause halten, sondern es sind zu Beginn des Winters bereits festgesetzte Empfangstage. Die Wirte müssen auf eine unbestimmte Anzahl von Gästen rechnen. Die Bewirtung besteht aus Thee und Kaffee nebst Gebäck und Kuchen, alles von der Dienerschaft der größtenteils stehenden Gesellschaft angeboten. Wird getanzt, was bei größerem Kreis die dankbarste Unterhaltung ist, so werden kühlende Erfrischungen herumgereicht. An einem Büffet holen sich die Gäste kleine Butterbrote, Wein, Bowle, Heringssalat.

Die Damen erscheinen in hoher Toilette, die älteren im Hut, die jüngeren ohne Kopfbedeckung und in hellen Kleidern und mit mittelfarbenen Handschuhen, die Herren im Frack und weißer Kravatte, Ordenskettchen oder Band und Chapeau claque.

Das Büffet. Wer in beschränkten Räumen viele Gäste zu bewirten wünscht, wird das kalte Büffet dem Sitzsouper vorziehen. Es gilt, wir glauben mit Unrecht, bei vielen als eine sparsamere Art von Gastfreundschaft. Beschränken läßt sich jedoch nur die Zahl der servierenden dienstbaren Geister. Die Anzahl und die Verschiedenartigkeit der Schüsseln darf nicht geringer sein, soll es einigermaßen gefallen. Man kennt verschiedene Arten, am Büffet zu speisen.

Zunächst sei das sogenannte fliegende Büffet erwähnt. Die Dienerschaft bietet den Gästen, wo sie[159] gerade stehen oder sitzen, an. Zu diesem Zweck folgen sich zwei Dienstboten auf dem Faß. Der eine trägt auf einem Tablett Dessertteller mit einer kleinen Serviette, Messer und Gabel, der andere reicht die betreffende Schüssel, z.B. gefüllte Trüffeln, Mayonnaise, Kaviarsalat, ein dritter serviert in Gläser gegossenen Rot- oder Weißwein. Wird Sekt gereicht, so gießt der Bedienende erst unmittelbar vor dem betreffenden Gast ein.

Ist die Gesellschaft zimmerweise so weit bedient, so werden die gebrauchten Teller und Bestecke fortgenommen und fertig gemachte, verschieden belegte Butterbrote auf gleiche Weise angeboten. Zum Schluß reichen die Dienstboten eine süße Speise oder Eis und dazu kleine mit Löffeln versehene Glasteller.

Eine zweite Art besteht in folgendem Arrangement: Die Gesellschaft setzt sich an die vorhandenen, unbedeckt bleibenden Tische. Die Bedienung stellt vor jeden Gast Teller mit Besteck und Serviette. Nun wird ein reich besetzter Tisch hereingetragen, etwa mit Folgendem bestellt: Fleischpasteten, Schinken in Madeira (kalt) mit Käsecroquettes (warm), Putenbraten (kalt) mit Salat, Eisspeise. Die Gerichte werden in dieser Reihenfolge von der Dienerschaft angeboten. Der Wein wird in eingegossenen Gläsern gereicht und nachgefüllt. Die Dienerschaft wechselt Teller und Bestecke.

Am gebräuchlichsten ist es aber, daß man in einem kleineren Zimmer, das womöglich durch Doppelthüren mit den Gesellschaftsräumen verbunden ist, ein Büffet aufschlägt. Man zieht den Eßtisch aus und stellt ihn so,[160] daß die Gäste bequem an ihn herantreten können, und daß die Dienerschaft sich auch dahinter aufhalten kann. Auf dem Tisch, den man auch stufenweise nach hinten erhöhen kann, finden Tafelaufsätze mit Obst und Dessert, Bowlen, die verschiedensten warmen und kalten Schüsseln Platz. Blumenschmuck unterbleibt, statt dessen mag die Hausfrau alle Schätze ihres Silberschrankes zur Geltung bringen. Stöße von Tellern und Servietten, reichliche Bestecke stehen und liegen rechts und links an den Tafelenden oder auf besonderen Tischen für die sich selbst bedienenden Gäste bereit.

Die Dienerschaft beschränkt sich darauf, für reine Teller, Gläser und Bestecke zu sorgen; geleerte Schüsseln sind zu entfernen und durch neue zu ersetzen. Ein Hauptaugenmerk ist darauf zu richten, daß der Tisch stets appetitlich aussieht. Die Getränke werden in oben beschriebener Weise angeboten. In die Gesellschaftszimmer werden in möglichster Eile kleine mit Tafeltüchern bedeckte Tische getragen und mit Stühlen umstellt. Die Herren führen ihre Dame zu einem Platz und beurlauben sich alsdann, um am Büffet für ihre Dame den Teller zu füllen.

Ich rate dir, lieber Leser, erkundige dich nach dem Geschmack deiner Dame und richte dich nicht zu sehr nach deinem eigenen! Nimm am besten zwei Teller, lege auf den einen Braten, Brot und Pastete oder Mayonnaise, und auf den andern häufe von den Süßigkeiten. Nichts ist schrecklicher als Hummermayonnaise zu essen, in die sich die Schlagsahne des nebenan aufgehäuften Chokoladencremes zu mischen beginnt.[161]

Erst wenn du die Dame versorgt hast, darfst du ein zweites Mal von dannen ziehen und für dich selbst holen. Allzu lange fortzubleiben, ist unartig. Die Erstürmung eines Büffets ist ein wenig hübscher Anblick. Man bemühe sich bei aller Wahrung seiner eigenen Rechte, die Pflichten der Höflichkeit zu beobachten.

Das Büffet ist eine durch das Aufstehen des Herrn, durch das Zusammengewürfelte der Speisenfolge stets mehr oder weniger ungemütliche und kurze Mahlzeit. Zwei einfache Gänge am gedeckten Tisch serviert, werden fast immer mehr anerkannt und finden mehr Beifall als das üppigste Büffet. Jedoch hat für Massenspeisungen das Büffet seine unersetzlichen Vorzüge und wird daher immer modern und in Aufnahme bleiben.

Das Picknick ist eine gesellige Zusammenkunft, oft in Verbindung mit einer Landpartie, im Freien, an einem besonders schönen Punkte im Walde, auf einem beliebten Aussichtspunkt, wobei alle Gäste das Ihrige zur Bewirtung beisteuern resp. mitbringen oder hinbesorgen lassen. Wer ein Picknick arrangiert, sei es eine Familie, sei es ein einzelner Herr, verabrede mit den verschiedenen Parteien, was alles mitzubringen ist, und was etwa außerdem zugesteuert werden soll, damit das doppelte oder dreifache Vorhandensein von einer und derselben Speise und das bedauerliche Fehlen einer andern vermieden werde. Gewöhnlich übernehmen die Familien das Besorgen von Geleeschüsseln, Heringsalat Aufschnitt, hartgekochten Eiern, Butterbrot, Torten, kurz Sachen, die sich gut transportieren lassen, ferner das Mitbringen von Papier, Tellern, Papierservietten,[162] Bechern, Gläsern, Bestecken etc. Die Herren übernehmen die Beschaffung des Getränks (Bowle, Wein, Bier).

Am zweckmäßigsten schafft man alles Zubehör auf einem Wagen an den Picknickplatz. Auch die Mitnahme eines dienstbaren Geistes, der beim Aus- und Einpacken hilfreich zuspringt, ist angebracht. Vorsichtige Leute nehmen wohl auch einen Teppich, Decken, Klappstühle mit. Wählt man als Ziel des Picknicks eine Gastwirtschaft, so wird man nicht umhin können, dort etwas z.B. den Kaffee, Wein etc. zu bestellen. Die Unkosten des Picknicks werden pro Kopf berechnet und bezahlt.

Toilette zum Picknick ist für Herren ein elegantes Sommerkostüm, chic oder, wie man jetzt sagt, voll cachet, ohne auffallend zu sein, runder Hut und mittelfarbene Handschuhe. Gehrock ist nicht passend. Offiziere legen, um ungenierter zu sein, Civil an oder kommen in Ueberrock und Mütze. Für Damen paßt jeder hübsche Sommeranzug, er darf aber durchaus nichts Gesellschaftsmäßiges an sich haben, mittelfarbige, lange dänische Handschuhe, Hut, Schirm und Paletot.

Man veranstaltet im freundschaftlichen Verkehr Picknicks auch im Rahmen der Häuslichkeit. So kennt man die Sitte, daß, wenn eine bekannte Familie umgezogen ist, ein Kreis näherer Bekannter für diesen oder jenen Abend sein Kommen ansagt. Jede Familie bringt nun ein hübsches Gericht mit, die Wirte sorgen nur für den gedeckten Tisch event. für das Getränk.

Das Kränzchen. Man bezeichnet mit diesem Ausdruck Veranstaltungen in geschlossenem Kreise, die sich an bestimmten Tagen wiederholen. Bekannt ist das[163] Kaffeekränzchen junger Mädchen oder Frauen, das Skat- oder Whistkränzchen von Ehepaaren mit Straf- oder Gewinnkasse, aus der ein gemeinsamer Ausflug bestritten wird, schließlich die Tanzkränzchen, die entweder von Familien desselben Kreises abwechselnd gegeben oder von jungen Herren für einen Kreis bestimmter Familien arrangiert werden.

Bei allen »Reihe um« gehenden Zusammenkünften hüte man sich davor, den andern überbieten zu wollen. Man stelle Statuten auf, Gesetze für Toilette, Bewirtung und Zeitpunkt des Zusammenkommens, deren Uebertretung eventuell mit Geldstrafen geahndet wird. Zweckmäßig ist es, wenn bestimmte Unterhaltungen, z.B. französische Lektüre und Konversation, Lesen mit verteilten Rollen, musikalische Aufführungen vorgenommen werden, da andernfalls durch die stets gleichen Elemente wenig Anregung in die Zusammenkünfte kommen würde. Das Tanzkränzchen, wird es von jungen Herren arrangiert, pflegt ein café dansant oder ein thé dansant zu sein, und verweisen wir bezüglich Toilette und Bewirtung auf das an den betreffenden Stellen Gesagte. Die Kosten werden gleichmäßig repartiert. Der Arrangeur soll sich bemühen, diesem Kränzchen den Charakter einer privaten Zusammenkunft zu lassen, und die Arrangements in nicht zu großartigem Maßstabe treffen.

Er wird die vornehmste Dame des Kreises bitten, ihm beim Empfang der Gäste zur Seite zu stehen, wird ihr, der lady patroness, die Herrschaften zuführen und wird von ihr das Zeichen zum Beginn des Tanzes, des Essens erbitten. Daß er, falls diese Dame eine[164] Tochter hat, ihr seine Dankbarkeit für die Uebernahme des Patronats dadurch zeigt, daß er mit dieser den Tanz eröffnet, ist eigentlich selbstverständlich.

Kaffeegesellschaften. Die in Süd- und Mitteldeutschland fast allgemein übliche frühe Tischzeit hat in die Nachmittagsstunden eine gemütliche Mahlzeit, die Kaffeestunde, gelegt, welche auch zu geselligen Zwecken ausgenutzt wurde.

Der Damenkaffee in seinen verschiedenen Variationen von der Stipsvisite zu einer Tasse Kaffee bis zu der feierlichen Staatsaktion mit Lohndiener ist bei der Damenwelt ebenso beliebt wie bei den Herren berüchtigt. Viele Ehemänner verbieten es ihren Frauen sogar, solche Kaffee-oder, wie sie sich galanterweise ausdrücken, Klatschgesellschaften zu geben. Immerhin ist er für das Sichnähertreten, zum Bekanntwerden der Frauen von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Er ist für die Frau, was der Frühschoppen, der Klubbesuch für den Mann ist: das Zusammensein mit Geschlechtsgenossen und – seien wir einmal boshaft – mit Leidensgefährten.

Zur Kaffeegesellschaft deckt man einen runden oder ovalen Salontisch vor einem Sofaetablissement. Bunte, originell bestickte oder gewebte Gedecke, wel che die offizielle Tafel verbannt, erlaubt der Kaffeetisch um so mehr. Ueber ein weißes Tischtuch breitet man noch einen Tischläufer oder die modernere kleine, viereckige, reichgestickte Decke. In zierlichen Kuchenschüsseln aus Porzellangeflecht in Meißenergeschmack oder aus Silber ordnet man die einzelnen Gebäckstückchen und Kuchenscheiben.[165] Letztere zu groß zu schneiden, sieht bäuerisch aus, das übertriebene Gegenteil könnte sparsam, geizig erscheinen. Der Kaffee wird im Nebenzimmer gemacht, die eingegossenen Tassen werden, auf einem hübschen Tablett stehend, von der Bedienung angeboten. Ein kleines Tablett mit Zucker und Rahm wandert gewöhnlich von Hand zu Hand. Liqueure oder Cognak, welche nach einem Diner auch den Damen angeboten werden, fehlen gänzlich. Dagegen darf der Tisch mit frischen Blumen in Schalen oder Vasen geschmückt sein. – Die eintretenden Gäste, denen die Hausfrau entgegengeht, werden in einem andern, steht ein solches aber nicht zur Verfügung, im gleichen Zimmer empfangen und an den Kaffeetisch gebeten. Nachzügler haben sich bei der Hausfrau zu entschuldigen, begrüßen die Damen, die sich von ihren Plätzen erheben, und nehmen den Platz ein, den ihnen die Hausfrau anweist. Kaffee und Kuchen wird zweimal angeboten. Alsdann entfernt die Dienerschaft, vielleicht unterstützt von der Tochter des Hauses, geräuschlos das Kaffeegeschirr. Die Wirtin schlägt eine andere Unterhaltung vor, es wird musiziert, man besieht Bilder, Mappen oder etwaige Kunstschätze des Hauses, bewegt sich zwanglos in den Zimmern, oder die Handarbeit wird hervorgeholt, und die Damen wetteifern an Fleiß. Man hüte sich aber, Arbeiten mitzubringen, welche viel Raum beanspruchen oder unsere Aufmerksamkeit so absorbieren, daß wir uns nur in beschränktem Maße der übrigen Gesellschaft widmen können.

Diesem Grundsatz wird leider sehr viel entgegengehandelt,[166] und doch ist das Zusammensein, der Gedankenaustausch in diesem Fall die Hauptsache, die Arbeit nur eine spielende Beschäftigung für die Finger. Wird ein junges Mädchen von einer älteren Dame angeredet, so wird es die Arbeit unterbrechen und sie erst nach Beendigung des Gesprächs oder auf eine einladende Handbewegung, einen Wink der andern hin wieder aufnehmen.

Die weitere Bewirtung einer Damenkaffeegesellschaft hängt selbstverständlich von der Ortssitte und dem Portemonnaie ab. Ein überreich beladener Tisch, opulente Schüsseln, wohl gar zum Schluß ein kaltes Abendbrot mit Bowle, gilt nicht für sein. Man wird dem Kaffee, wie wir ihn beschrieben haben, nach 11/4 stündiger Pause einen zweiten Gang, etwa eine Eisspeise, Eistorte, Artischocke mit Schlagrahm, eine Torte, Creme mit Backwerk, eingezuckerte frische Früchte oder dergleichen folgen lassen. Derselbe wird von der Bedienung gereicht und von kleinen Tellern (Dessert-, Kompott- oder hübschen Phantasietellerchen) verspeist. Die kleine Serviette, die dem Couvert eines jeden Gastes beilag, ist von dem dienstbaren Geist nicht fortgenommen worden, sondern ist auf dem Platz verblieben. Wo dies nicht der Fall ist, reicht man eine andere, indem man z.B. den Glasteller auf einen Dessertteller stellt und zwischen beide die reine Serviette legt. Wird Wein dazu gereicht, so wird er ebenfalls schon eingegossen von der Bedienung präsentiert.

Den Aufbruch veranlaßt die würdigste Dame. Ist eine Dame vielleicht durch den Besuch des Theaters[167] oder eine ähnliche Abhaltung gezwungen, früher aufzubrechen, so hat sie dies schon vorher der Wirtin gegenüber unauffällig bemerkt, erhebt sich nun mit der Bitte um Entschuldigung und dem Ausdruck des Bedauerns, daß es ihr leider nicht möglich sei, länger zu verweilen, und verabschiedet sich mit den Worten: »Vielen Dank für Ihre gütige Einladung!« oder, ist sie mit der Wirtin gleichaltrig: »Herzlichen Dank für den reizenden Nachmittag!« ist sie älter: »Ich habe mich sehr gefreut, bei Ihnen gewesen zu sein!« von der Hausfrau und mit einer stummen Verbeugung oder einem Händedruck, je nach dem Grad der Bekanntschaft, von den andern Gästen. Wir verweisen hier auf das, was im Kapitel »Vom Grüßen« über den Händedruck gesagt ist.

Trinkgeld, bei allen übrigen Zusammenkünften de rigueur, wird bei Damenkaffees im allgemeinen nicht gegeben. Ist der Kaffee sehr groß, z.B. die Revanche einer alleinstehenden Dame für zahlreiche Einladungen, die sie von Familien erhalten hat, so wird man in der Garderobe etwa 50 Pfg., eine Mutter mit Tochter oder Töchtern 1 Mk. geben.

Die Toilette für einen Kaffee ist das sogenannte Sonntagskleid. Bei großen Kaffeegesellschaften ist eine mittelfarbene oder auch helle Wolltoilette erlaubt. Gesellschaftskleider dazu anzulegen, ist dagegen ausgesprochen kleinstädtisch.

Die Einladung zu einem Kaffee erfolgt entweder mündlich durch einen wohlinstruierten Dienstboten, den man die einstudierte Rede mehrfach wiederholen lasse:[168] »Eine Empfehlung von Frau Sanden, und sie läßt Frau Gerichtsrat Rohn und Fräulein Tochter auf Mittwoch um 41/2 Uhr zu einer Tasse Kaffee einladen,« oder »und sie läßt Frau G. bitten, am Mittwoch 41/2 Uhr den Kaffee bei ihr zu trinken,« oder schriftlich auf der Besuchskarte oder in Briefform. Die Einladung erfolgt höchstens fünf, meist nur zwei bis drei Tage vorher. Ist es Sommerszeit, so verlegt man den Salon wohl auch in die Laube, auf den Balkon oder in den Garten. Spiele im Freien treten an Stelle der musikalischen Unterhaltung.

Gern erweitert man die Kaffeegesellschaft zu einer Gesellschaft, zumal wenn man im Besitz eines Gartens ist oder einen solchen auf den betreffenden Nachmittag mieten kann, indem man ältere und jüngere Herrschaften. Damen wie Herren, dazu bittet. Die Einladung lautet dann »zum Kaffee und Abendbrot«. Man trinkt an gedeckten Tischen im Freien Kaffee, die Jugend beginnt alsdann Spiele, fährt Kahn, unternimmt kleine Spaziergänge, während das Alter auf und ab promeniert, sich unterhält, raucht. Um 7 oder 71/2 Uhr findet sich die Gesellschaft um den zum Abendbrot gedeckten Tisch. Die Mahlzeit ist einfach, von ländlichem Charakter, vielleicht das so beliebte sogenannte rheinische Abendbrot: Pfannkuchen, roher Schinken und Salat, Bowle und ein Kuchen, oder im Juni frischer Spargel mit Schinken, Krebse und hernach belegte Butterbrote. Feiner ist eine Geleeschüssel und verschiedene kalte Braten. Nach dem Abendbrot wird ein wenig getanzt. Die Herren finden ein Fäßchen Bier in einer gemütlichen Ecke, und[169] um 10 oder 11 Uhr geht es per Wagen, Schiff, Bahn oder Fuß, je nachdem der Ausflugspunkt gelegen ist, nach Hause. Lautete die Einladung auf einen entfernteren Punkt z.B.:


»Herr und Frau v. S. beehren sich Herrn Amtsrichter Dr. Kern und Frau Gemahlin zum Kaffee und Abendbrot nach X-dorf, Hotel M., ergebenst einzuladen,« so steht rechts unten:

Versammlungsplatz: Bahnhof, 3.15.


In diesem Fall findet sich der Wirt früh ein, löst Fahrkarten und reserviert Abteils. Ist der Ort per Wagen zu erreichen, so pflegt die Stadtwohnung als Versammlungsort angegeben zu werden, und der Wirt sorgt hier für genügende Fahrgelegenheit z.B. durch Breacks für die Jugend, Landauer für ältere Herrschaften. Fehlt die Angabe des Versammlungsortes, so heißt das so viel, daß der Gast selbst für sein Hin-und Zurückkommen zu sorgen und sich allein einzufinden hat.

Noch sei bemerkt, daß sich derartig arrangierte zwanglose Gesellschaften einer großen Beliebtheit erfreuen und von der Jugend wie dem Alter als Abwechslung in der Reihe der ewig gleichen Abendgesellschaften und Diners gern mitgemacht werden. Es ist deswegen vielfach Sitte, daß Familien mit großem Bekanntenkreis und engen Räumen diese Form der Erwiderung genossener Gastfreundschaft wählen. Nur seien sie darauf bedacht, den Termin nicht zu spät anzusetzen, ehe die erwachende Reiselust Lücken in dem Bekanntenkreis geschaffen hat.[170]

Noch eine andere Form der Kaffees ist der Café dansant, besonders in Süd- und Mitteldeutschland beliebt. In Norddeutschland steht ihm die späte Essenszeit hindernd entgegen. Da er nur von 5 bis 10 resp. 11 Uhr währt, erscheint er besonders geeignet für nur jugendliche Gesellschaften, denn es giebt viele Eltern, die mit Recht ihre Töchter nicht gern bis in die späte Nacht allein auf Bällen wissen.

Sein Arrangement entspricht dem der Tanzgesellschaft, nur wird zu Anfang Kaffee gereicht, und der erste Walzer steht oft als »Kaffeewalzer« auf der Tanzkarte.

Um 71/2 Uhr geht es zu Tisch. Man reicht ein warmes Abendbrot von zwei bis drei Gängen, z.B. kleine Pasteten, zwei Gemüse mit Beilagen, etwa Blumenkohl und Spickgans, Erbsen und Rehkoteletts, Geflügelbraten, Kompott, Salat, süße Speise, Dessert, dazu Rot- und Weißwein und vom Braten an Sekt. Selbstverständlich kann auch nur Büffet stattfinden.

Zwischendurch besteht die Bewirtung wie bei Tanzfesten in Eis auf Tellerchen angerichtet, eingezuckerten Orangen oder andern Früchten, Eisbaisers, Weingelee in kleinen Formen gestürzt, Limonade, Kardinal, Mandelmilch, Rot- und Weißwein, Selterswasser oder Bowle.

Bier wird nicht gereicht. Den Herren steht es in einem für sie reservierten Zimmer zur Verfügung: von den jungen Damen erwartet man, daß sie ihren etwaigen Bierdurst bis nach dem Tanzen zu bezwingen wissen, denn so entgegenkommend wie die Sitte dem früher verpönten Biergenuß im Salon geworden ist,[171] so wenig mag uns das Bild einer reizenden jungen Dame in duftigen Tüllwolken, Blumen im Haar und in der Hand, mit dem Bierglas an den Lippen gefallen. Nach Schluß des Tanzes wird in Tassen gegossener Thee mit Rahm, Zucker und Arrak, auf einem Tablett stehend, und kleine Sandwiches, ebenso Bier angeboten.

Die Toilette für Herren besteht, wenn nicht ausdrücklich anders bestimmt wird, was bei dem einfachen Charakter der Festlichkeit fast stets der Fall ist, in Frack, weißer Binde, Ordenskettchen oder -rosette, Chapeau claque, mittelfarbenen oder hellen Handschuhen. Damen legen eine helle Toilette, aber nicht ausgesprochenen Ballanzug an und mittelfarbene Handschuhe.

Die Einladung erfolgt acht, zur Hauptsaison acht bis zehn Tage vorher.

Der Maskenball. Der Höhepunkt der Karnevalsvergnügungen bildet für manchen und manche ein Maskenball.

Die Maskenfreiheit gestattet dem Witz und Humor, dem Scherzen und Necken weitgehendste Entfaltung. Das Maskenrecht des »Du« gestattet vertraulicheren Verkehr. Während am Rhein die Maskenbälle auch von der besten Gesellschaft besucht werden, kennt in Norddeutschland, das dem lustigen Faschingstreiben überhaupt gleichgültiger und reservierter gegenübersteht, bloß das Volk, und dies auch nur in manchen Städten, den Mummenschanz. Der Maskenball wird in besseren Kreisen zum »Kostümball«.

Wer einen Maskenball besuchen will, dem raten wir zunächst, sein Vorhaben allen lieben Verwandten[172] und Freunden zu verheimlichen. So allein sichert er sich, den die Bekannten daheim im Bett glauben, ein wenig Bewegungsfreiheit und verzögert und erschwert das Erkanntwerden. In zweiter Linie besorge er sich heimlich ein Kostüm. Es hat wenig Reiz, wenn die halbe Stadt weiß: Amtsrichters Marie kommt als Fischerin, die Frau Amtsrichter häkelt seit Wochen am Fischnetz, oder: der Referendar K. hat sich das Egmontkostüm gemietet, »Sie wissen ja, blau mit weißem Pelz verbrämt, in dem im letzten Jahr der Lieutenant B. sich mit Frl. M. verlobte!«

Gewitzigte Maskenballbesucher halten sich außerdem einen Domino bereit, den sie sich in der Garderobe, in einem Nachbarhaus, bekannten Ladengeschäft oder Hotel überwerfen. Sie werden so zu einer neuen Erscheinung im Ballsaal und können das Maskenspiel – das Erkennen der andern zu betreiben und das der eigenen Person zu verhüten – von neuem beginnen.

Daß das gewählte Kostüm zu der Persönlichkeit des Betreffenden passe, ist eine Hauptbedingung für das Amüsement des Abends. Eine Maske in buntem, lebhaft ausgeputztem Zigeunerinnenkostüm mit Tambourin und Wünschelrute wird von allen Masken auf das Wahrsagen aus der Hand, auf Zaubersprüche und -formeln angeredet werden, und man wird schlagfertige Antworten, gewandtes Benehmen von ihr erwarten. Steckt nun ein schüchternes Blondinchen in der feschen Hülle, das sich geniert, das »Du« zu gebrauchen oder gar einem andern auf die Schulter zu klopfen, das leise spricht und stetig mit Befangenheit kämpft, so ist jeder[173] enttäuscht und wendet sich bald von dieser Ausnahme-Zingarella ab.

Eine große, starke Dame darf nicht als Blümlein Vergißmeinnicht, ein schmächtiger und kleiner Herr nicht als Ritter Georg erscheinen wollen. Leider zeitigt aber gerade auf dem Maskenball der Mangel an Selbsterkenntnis die wunderbarsten Blüten.

Um zwölf Uhr pflegt ein Trompetenstoß das Zeichen zum Demaskieren zu geben. Die kleine, handgroße schwarze Larve hat dann unbedingt zu fallen.

Wer nicht erkannt werden will und in dem Gedächtnis der übrigen als »Wissen Sie noch, der böse gelbe Domino, der uns so tolle Wahrheiten sagte?« als Gespenst fortzuleben wünscht, dessen man sich mit einem vergnügten Gruseln erinnert, der entferne sich beizeiten.

Hoffen wir, daß bei dem Lüften der Maske noch für manchen etwas wie eine Ueberraschung herauskommt. In kleinen geschlossenen Gesellschaften wird es selten der Fall sein. Der Maskenball verlangt vielerlei und verschiedene Elemente, soll er nicht langweilig werden. Der Ton wird daher auch immer freier und ungenierter sein wie auf jedem andern Ball, und deswegen erlauben viele Eltern der guten Gesellschaft ihrer Tochter nicht den Besuch von Maskenbällen. Wir können ihnen in diesem Punkte nur recht geben und unterstützen ihr Bestreben, das junge Mädchen möglichst lange in bescheidener, holder, unberührter Anmut zu erhalten.

Der Kostümball unterscheidet sich von einem jeden andern Ball nur dadurch, daß jeder Besucher in einer[174] möglichst schönen, kleidsamen Tracht erscheint. Am meisten Beifall finden zeitgemäße Phantasiemasken bei dem Gros der Ballbesucher, der Kenner schätzt aber eine naturtreue Bauerntracht, ein echtes, historisch richtiges Gewand aus dem und dem Jahrhundert ungleich höher; wir erinnern hier nur an die für Herren wie Damen so kleidsamen Kostüme des 16. und 17. Jahrhunderts, z.B. Augsburger Patrizier, spanische Tracht, die Mode der Rokokozeit. Daß der gute Geschmack wenigstens Damen die aus Geschäften entliehenen Masken verbietet, braucht kaum erwähnt zu werden. In größeren Städten giebt es Geschäfte, die das Kostüm neu anfertigen lassen und nach Gebrauch wieder zurücknehmen. Die Miete stellt sich in diesem Fall natürlich höher.

Eine sehr beliebte Art von Aufführungen ist das Tanzen von kostümierten Quadrillen. Einer Anzahl von Paaren wird ein Tanz von einem guten Tanzlehrer oder einer Ballettmeisterin einstudiert und derselbe alsdann von ihnen auf einem Maskenball oder Kostümfest vorgetanzt. Die Herren pflegen sich ihre Partnerin auszusuchen und aufzufordern, machen bei den Eltern der jungen Dame ihren Besuch und erbitten deren Einwilligung. Zu den Proben wird die Tochter selbstverständlich von der Mutter begleitet. Dieselben finden entweder in dem späteren Tanzsaal oder bei einer Familie statt, die genügenden Platz hat, meist in Verbindung mit einem Kaffee oder Abendbrot, an das sich vielfach ein Tänzchen schließt.

Der ungezwungene Verkehr der jungen Paare führt zu näherem Bekanntsein und macht es Gott Amor[175] besonders leicht, seine Schießfertigkeit zu üben, weshalb nicht alle Eltern ihrer Tochter das Mittanzen gern erlauben. Reizende Quadrillen sind: Zigeuner-, Fischer- und Fischerin-, Pierrot- und Pierrette-Quadrille, ferner Tänze in Rokoko-Kostüm, in Uniformen verschiedener Regimenter aus der und der Zeit, Blumenquadrille u. s. f. Sehr spaßhaft pflegt der Kampf der Mütter zu sein um den 3 cm längeren Rock – »an ders geht das ja gar nicht« – oder um dies und jenes, wovon sie sich gerade für ihr Töchterchen viel versprechen. Aus dem festgesetzten Kostüm wird im Handumdrehen ein anderes, jede ändert nur gerade das, was ihr gar nicht steht und – keine gleicht der andern. Es gehört sich jedoch, daß man hier kleine persönliche Wünsche der Allgemeinheit unterordnet und sich streng nach Verabredung kleidet.

Einladungen zu Maskenbällen ergehen vierzehn Tage bis drei Wochen vorher und werden vielfach mit Emblemen des Faschings oder andern künstlerischen Entwürfen dekoriert.


* * *


Wir haben in Vorstehendem versucht, den Leser mit den gebräuchlichsten Formen der modernen Geselligkeit bekannt zu machen. Es erübrigt nur noch, einiger weniger bekannten Fälle zu gedenken, denn gerade in solchen Ausnahmesituationen willst du dir, lieber Leser, in diesem Buch nicht vergebens Rat holen.

Herr Herbert hat bei Herrn und Frau Assessor von Mehren viel verkehrt. Er ist mit dem Hausherrn[176] befreundet und erlaubt sich nun, das junge Ehepaar einmal zu sich in sein Junggesellenheim einzuladen.

Er hat in diesem Fall nur zu kleineren Mahlzeiten, entweder zum Frühstück oder zum Kaffee, dem sich ein Glas Wein anschließen mag, zu bitten. Das junge Paar acceptiert gern und amüsiert sich nicht wenig über die hausfraulichen Tugenden Herberts.

Die Annahme der Einladung eines Junggesellen ist in diesem Falle völlig statthaft. Würde derselbe Herr aber eine Witwe mit Töchtern oder junge Mädchen in Begleitung ihrer Brüder einladen, so würde das von seiner Seite wenig Feingefühl bekunden. Die Annahme der Einladung wäre aber völlig unstatthaft, und jede Dame hat in diesem Fall, wäre der Wunsch auch ein gar beredter Fürsprecher, eine plausible Ausrede zu erfinden. Eine Verpflichtung zur Revanche für genossene Gastfreundschaft besteht für den Junggesellen nicht. Auf kleine Aufmerksamkeiten, die in manchem Fall sehr angebracht sind, ist im Kapitel »Geben und Nehmen« hingewiesen. Will er ein Uebriges thun, so kann er sich – bei näherer Bekanntschaft natürlich – erlauben, den Sohn des Hauses, ist der Hausherr jedoch sein Altersgenosse, auch diesen zu einer besonders guten Flasche Wein, zu einem Frühstück im Austernkeller u.s.w. einzuladen.

Viele Familien lieben den einfachen Verkehr des »Ansagenlassens«. Derjenige Teil, der den andern zu besuchen wünscht, läßt am selben Morgen oder am Abend vorher durch den Dienstboten anfragen, ob sein Besuch am Abend des so und sovielten genehm sei.[177] Die betreffende Familie bestimmt dann die Stunde: »Wir lassen Herrn und Frau B. bitten, unser Abendbrot um 8 Uhr zu teilen.« Ohne besondere, ausgesprochene Aufforderung von seiten der Betreffenden darf man sich selbstverständlich diesen Ueberfall nie erlauben. Meistens sind es Junggesellen, welche von einer Familie aufgefordert werden: »Sagen Sie sich doch zuweilen abends an!«, und es gilt für allein passend, daß man in diesem Falle möglichst wenig Umstände macht, je nach der Haussitte ein erweitertes Butterbrot oder ein einfaches warmes Abendbrot giebt. den Betreffenden gewissermaßen an den Tisch des Hauses zieht.

Merken die Gäste, daß ihretwegen Umstände gemacht werden, daß das neue Silber, das gute Service in Scene gesetzt wird, daß alle möglichen Delikatessen auf der reichbesetzten Tafel thronen, so werden sie bei sich über unsere Harmlosigkeit. zu thun, als ob es alle Tage bei uns so herginge, lächeln, wohl gar, um uns solche Umstände zu ersparen, ihre Ansage nicht wiederholen.

Paßt uns der Tag der Ansage nicht, so bedauern wir, diesen Tag verhindert zu sein, den Besuch der Herren zu empfangen, und nennen gleich einen andern Tag, an dem uns ihr Kommen genehm sein würde. Hierauf haben die sich ansagenden Gäste eine Rückantwort zu senden.

Einen ganz familiären Charakter trägt das Resteressen, das oft gemütlicher und heiterer ist, wie die eigentliche Gesellschaft. Die Hausfrau, mit dem Gefühl des Feldherrn nach gewonnener Schlacht, labt sich[178] zum ersten Mal mit Seelenruhe und Genuß an den beaux restes dessen, womit sie ihre Gäste traktierte. Zum Resteressen ladet man nur Freunde und zwar mündlich am Gesellschaftsabend ein. Meist wird ein Frühstück, manchmal auch ein Abendbrot daraus. Man trägt die Speisen natürlich hübsch angerichtet, nicht in dem Zustand des vorherigen Tages auf.[179]

Quelle:
Wedell, J. von: Wie soll ich mich benehmen? Stuttgart 4[o.J.], S. 148-180.
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