die Taufe

[139] und an die verschiedenen Formalitäten zu denken haben, welche eine solche mit sich bringt. Da rituell ein bestimmter Zeitpunkt dafür nicht festgesetzt, wird sich diese Feier meist nach dem Befinden der Mutter richten, oft sind aber auch andere Rücksichten bestimmend, so etwa der Wunsch, sie mit einem der christlichen Feste oder einer Familienfeier zu vereinigen. Katholiken lassen die heilige Handlung gewöhnlich in den ersten Wochen nach Geburt des Kindes vollziehen, Protestanten pflegen dies länger hinauszuschieben, falls nicht schwächliche Körperbeschaffenheit des Neugeborenen ein Verzögern gewagt erscheinen läßt. Allzulange mit der Taufe zu warten, ist in keinem Falle zu empfehlen und sollte dieselbe spätestens nach Verlauf von drei Monaten erfolgen.

Bedeutsam und daher nach allen Seiten hin zu erwägen ist die Wahl der Paten, wenn auch heutzutage diesem Amt nicht mehr die Wichtigkeit und Verantwortlichkeit beigelegt wird als in früherer Zeit. Hatte sich doch sogar der Volksglaube gebildet, die Geistes- und Charaktereigenschaften der Paten übertrügen[139] sich während der heiligen Handlung auch auf das Kind und im weiteren Verfolg entstand dann der thörichte Aberglaube, daß selbst körperliche Vorzüge oder Mängel dem Täufling gleichsam vererbt würden. Wie aber auch aus dem krassesten Aberglaubenwust ein Körnlein Vernunft und Wahrheit herauszuschälen, so auch hier. Da die Paten die Verpflichtung übernehmen, sich um körperliche und seelische Entwickelung des Kindes zu kümmern und nötigenfalls selbst fördernd in die Erziehung einzugreifen, ist anzunehmen, daß dieser Einfluß ein um so heilsamerer sein wird, je bedeutender an Geist und Wissen, je vorzüglicher an Charakter der Pate oder die Patin ist. So läßt sich die Entstehung jenes Aberglaubens verfolgen und es zugleich begreiflich erscheinen, daß die Eltern bei der Wahl der Paten vorsichtig zu Werke gehen. Fernerstehende oder sehr hochgestellte Personen um diese Gefälligkeit zu ersuchen, ist nicht zu empfehlen, da man bei solcher Wahl mit Recht selbstsüchtige Berechnung oder blinden Hochmut voraussetzen dürfte. Falls die Großeltern noch am Leben, haben sie mit Fug und Recht zu erwarten, daß ihnen die Patenschaft, besonders über ein erstes Kind, angetragen wird. Weiter hält man dann im Freundeskreise Umschau, wer etwa für dieses Amt geeignet, und da drei Paten schon genügen und eine unmäßig vergrößerte Anzahl ganz zwecklos ist, wird man kaum in Verlegenheit kommen. Früher, als der Patenschaft eben noch eine weittragendere Bedeutung beigelegt wurde,[140] gehörte es zu den Pflichten des Taufvaters, die geladenen Paten vorher miteinander bekannt zu machen. In katholischen Ländern bedeutet gemeinsame Gevatterschaft, namentlich in wiederholten Fällen, eine Art Verwandtschaft untereinander, der griechische Kultus verbot sogar das Heiraten zwischen Paten. Allgemein war üblich, daß der Herr seiner Gevatterin vorher einen Besuch machte, sich ihr und der Familie vorstellte, und zu der Feier selbst einen Blumenstrauß, oft sogar von einem kleinen Geschenk begleitet, sendete. Heut machen die Herren Paten sich das bequemer und selten wohl fällt es einem ein, der hübschen alten Sitte zu huldigen. Wo es aber geschieht, kann der Betreffende sicher darauf rechnen, seine liebenswürdige Höflichkeit wohl aufgenommen zu sehen.

Es wäre noch von mancher lokalen Sitte, die Gevatterschaft untereinander betreffend, zu berichten, doch haben wir uns hier nur mit dem allgemein Üblichen zu beschäftigen. Sind die Paten gewählt, werden sie durch geschriebene oder gedruckte Karten in höflichster Form dazu eingeladen. Überflüssige Phrasen sind auch hier zu vermeiden. Die Eltern bitten höflich um die Ehre, die Patenschaft bei ihrem Kinde übernehmen zu wollen. Es ist dabei wohl zu unterscheiden, ob die Einladung dem Paten (Patin) oder nur dem Taufzeugen, das heißt, dem zur Feier geladenen Gaste gilt. Eine derartige Aufforderung abzulehnen gilt als große Beleidigung und nur sehr[141] gewichtige Gründe sollten dazu veranlassen. Bei Annahme hat man dies sofort und in liebenswürdigster Weise schriftlich mitzuteilen und nicht zu versäumen, gleicherweise die Ehre zu betonen, welche in der Aufforderung zur Patenschaft enthalten. Findet die Taufe in der Kirche statt, haben die Paten in gewähltem Straßenanzug zu erscheinen, ältere Damen in Schwarz, junge Mädchen mit Vorliebe in Weiß. In neuerer Zeit greift die Sitte, die Taufe im Hause vollziehen zu lassen, jedoch mehr und mehr um sich, und es sind dazu nicht einmal ausgedehnte Räumlichkeiten oder sonstige Umstände erforderlich. Ein nicht zu kleiner Tisch an der Langwand des Zimmers, zwischen den Fenstern oder, falls Erker vorhanden, am besten dort aufgestellt, mit dunkler Decke umkleidet und mit Topfgewächsen besetzt: in der Mitte ein Kruzifix, das, falls es nicht vorhanden, leicht leihweise zu erlangen, dann eine Bibel, und zu beiden Seiten Kandelaber oder wenigstens Leuchter mit brennenden Kerzen – das ist alles. Taufbecken bringt der Küster mit. Die Geladenen erscheinen im Gesellschaftsanzug, Herren in Frack, weißer Binde und mit ebensolchen Handschuhen, Damen je nach vorhandenen Räumen und Ausdehnung der Feier in kurzen oder Schleppkleidern, nach Ermessen auch mit entblößtem Hals und Arm, jedenfalls aber im festlichen Anzug. Pünktlichkeit, ja ohnehin im geselligen Verkehr geboten und diesen angenehm erleichternd, muß hier, da es einer kirchlichen Feier gilt,[142] besonders streng innegehalten werden, in keinem Fall darf dem Geistlichen ein Warten zugemutet werden oder doch nur, wenn es sich um die Hauptpaten handelt. Sind alle versammelt, nimmt der Geistliche vor dem improvisierten Altar Platz, die Gäste im Halbkreis zu beiden Seiten, an ihrer Spitze die Eltern des Täuflings. Dieser selbst wird von der Amme oder Wickelfrau hereingebracht und dem ersten Paten (Patin) übergeben, um dann der Reihe nach auch von anderen Paten gehalten zu werden. Ein kurzer, auf dem Klavier begleiteter Choral wird zur Einleitung der Feier gesungen; sind ältere Geschwister des Täuflings vorhanden, macht es einen hübschen Eindruck, wenn diese die Begleitung ausführen. Nach Beendigung der heiligen Handlung wird der Mutter das in die Christengemeinschaft aufgenommene Kind in den Schoß gelegt und beide empfangen noch einmal den Segen des Geistlichen. Darauf beglückwünschen Paten und Gäste die Eltern.

Bei dem gewöhnlich darauf folgenden festlichen Mahl, zu dem in jedem Fall der Geistliche geladen werden muß, erhält dieser den Ehrenplatz in der Mitte der Tafel neben der Mutter. Über angemessene Anweisung der Tischplätze an festlichen Tafeln wird später an geeigneter Stelle noch Näheres gesagt wer den.

Bei Taufen sind reichlich Trinkgelder zu spenden. Ist die Geburtshelferin, gewöhnlich mit dem unschönen Namen Hebamme bezeichnet, zur Stelle, erhält diese ein angemessenes Geldgeschenk, ferner die Amme, wo[143] solche vorhanden, in weiterer Reihenfolge auch die übrigen Bediensteten. Das Patengeschenk an den Täufling giebt man meist erst am ersten Jahrestage, doch kann es auch schon am Tauftage überreicht werden. Bei niederen Leuten pflegen besser- oder höhergestellte Paten den Eltern ein meist sehr willkommenes, vielleicht sogar durch die Einladung angestrebtes Geldgeschenk zu überreichen. Wer aber eine Patenschaft nicht nur der äußeren Form nach, sondern auch mit dem Herzen übernimmt, wird gewiß nicht versäumen, sein Patenkind alljährlich zum Geburtstag durch ein kleines oder je nachdem auch größeres Geschenk zu erfreuen.[144]


Quelle:
York, B. von: Lebenskunst. Leipzig [1893], S. 139-145.
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