Vorwort.

Feine Sitte – zwei kleine Worte und ein unbeschränkter Begriff!

Feine Sitte ist das Ergebnis innerer Lebensweisheit und äußerer Lebenskunst.

Wem sie zu eigen, dem ist ein Freibrief gegeben, der Thüren und Herzen öffnet; wer ihrer entbehrt oder doch entraten zu können glaubt, beraubt sich selbst der siegreichsten Waffe im Verkehr mit Menschen.

Feine Sitte ist ein Schild, der menschliche Schwächen deckt, menschliche Vollkommenheit aber in um so hellerem Lichte erstrahlen läßt. Verwundbar ist jeder, der ihn verschmäht und sei er sonst der Größten einer.

Vielgestaltig und wechselvoll ist das Wesen der seinen Sitte; vielgestaltig, denn es umfaßt alle Äußerlichkeiten eines ganzen Menschenlebens; wechselvoll, weil ein andres zu allen Zeiten und bei allen Völkern.[5] Es wäre Unmöglichkeit, feste Grenzlinien für den zerflatternden Begriff zu ziehen, wenn es nicht eine Basis gäbe, auf der er sich aufbaut und einen Kernpunkt, um den er sich sammelt.

Diese Basis setzt sich zusammen aus Herzenstakt, Feingefühl und Selbster ziehung.

Der Kernpunkt aber ist die Nationalität.

Vorliegendes Buch wird sich mit deutscher Sitte beschäftigen; es möchte Winke geben für das Verhalten in allen Lebenslagen, für jedes Lebensalter, für jeden Stand. Es will Propaganda machen für das große gesellschaftliche Bindemittel, seine Sitte genannt; diejenigen, welche sie beherrschen, mahnen, nicht lässig zu werden in Ausübung derselben und so ein gutes Beispiel zu geben; diejenigen aber, denen sie ein fremder Begriff, anfeuern, sie sich zu eigen zu machen.

Auch das ist in seiner Weise ein sozialer Ausgleich und eine der großen Aufgaben, welche wir anzustreben haben: Allgemeinheit der seinen Sitte, der guten Sitten!

Möchte dies Buch dazu helfen!


D. V.[6]

Quelle:
York, B. von: Lebenskunst. Leipzig [1893].
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