V. Mailand.

[109] Meine beiden Reisegefährten, der Obrist Graf von Tauffkirchen und der Rittmeister Baron von Knecht, veranlaßten mich, mit ihnen im Albergo della Villa abzusteigen. Tags nach meiner Ankunft meldete ich mich im Schlosse bei dem Adjutanten Obristen Bataille.

Wenn ich sagen würde, daß, abgesehen von dem prachtvollen Dome, der erste Eindruck von Mailand auf mich ein angenehmer gewesen wäre, so würde ich Unwahrheit reden: die Regenzeit, die kalten steinernen Zimmerböden, der Mangel an Gelegenheit sich wärmen zu können, die gänzliche Unkenntniß der Landessprache, alles versetzte mich in eine sehr unbehagliche Stimmung.

Die Sprache der Mailänder, ihre Manieren, ihre Vielrednerei kam mir höchst wunderlich vor. Nie kann ich vergessen, wie sonderbar es mich berührte, als ich in den ersten Tagen meines Aufenthaltes mich in das Lokal eines Leinwandgrundirers führen ließ, um mich nach Malrequisiten umzusehen. Der Mann war nicht zu Hause und die Frau, die mich für eine vornehme Persönlichkeit hielt, da ich in Begleitung eines Lohndieners kam, gerieth in eine solche marktschreierische Redseligkeit, daß es mir schwindelte.

»Nicht wahr,« sagte ich im Weggehen zu meinem Begleiter, »das ist eine Jüdin?« Er lachte laut auf und bemerkte: »Sie[109] haben hier die ächte National-Mailänderin gesehen; sie würde es sehr übel nehmen, wenn wir sie für etwas anderes als eine gute Christin hielten.«

Mein Interesse für Mailand steigerte sich nicht sehr, nachdem ich mich mehr in der Stadt umgesehen. Außer dem herrlichen Frescobilde (das Abendmahl des Lionardo da Vinci) im Refektorium des Klosters della Grazia, welches damals noch in ziemlich gutem Zustande war, und einigen interessanten Bauten sah ich nicht viel, das die Aufmerksamkeit eines Künstlers auf sich ziehen konnte; wohl aber bemerkte ich bald, daß ich in einer Stadt mich befinde, in welcher Luxus und Wohlleben, Industrie und Handel dominiren und großer Reichthum herrscht. Das aber waren Dinge, an die ich mich erst gewöhnen mußte; bis dahin hatte ich keine Zeit noch Gelegenheit gehabt, den Geschmack hiefür in mir auszubilden.

Mein Reisegenosse von Wien bis Villach, der Secretair G., hatte viel davon gesprochen, wie angenehm ihm mein Umgang auf der Reise gewesen. Das kam auch dem Prinzen zu Ohren, und da er bald nach seiner Ankunft von Napoleon nach Paris berufen wurde, verfügte er, daß G. für mich sorgen und mich wo möglich zu sich in seine Wohnung nehmen sollte. Er hatte es sehr wohlwollend gemeint; wie aber oft die besten Absichten eines Fürsten nicht recht verstanden oder ausgeführt werden, so ging es auch hier. G. hatte wenig Raum in seiner Wohnung und fand, daß er mich nicht anständig genug logiren könne. Er brachte mich deßhalb bei einem seiner Bekannten unter, bei dem ich allerdings sehr schön logirt und so üppig verpflegt wurde, daß es mich in Verlegenheit setzte. Mein äußerst freundlicher Hauswirth war ein gewandter Italiener, der etwas französisch sprach. Ich bedeutete ihm öfters, daß ich an einen solchen Tisch nicht gewöhnt sei, daß ich einfacher zu leben wünsche und wollte wissen, wer ihn bezahle. Aber ich erhielt stets die Antwort: »Laissez moi faire!« Bei G. hatte ich zudem offene Kasse, und ich hätte hievon viel Mißbrauch machen können, wenn ich nicht selbst klüger gewesen wäre. Diesen Zustand mußte ich einige Monate fortdauern lassen.[110] Da aber mein Protestiren nichts half und ich überdies kein geeignetes Lokal für ein Atelier im Hause fand, so sah ich mich in aller Stille um eine passende Wohnung um, verlangte noch einmal von meinem Hauswirthe eine Rechnung; da ich abermals nichts zu hören bekam als das ewige: »Laissez moi faire!« ließ ich einen Wagen kommen, packte meine Sachen auf und ging meiner Wege. Ich war jedoch kaum ausgezogen, so lief eine ungeheure Rechnung bei Hofe ein. Man ließ mich rufen, legte mir die Rechnung vor, und obwohl ich mich nach Kräften verantwortete, ließ man mir doch ein gewisses Befremden merken, wie eine solche Zeche veranlaßt werden könne. Das kränkte mich tief, weil ich an derselben so unschuldig war. So mußte ich in Folge meiner Unkenntniß des Lebens in der großen Welt im Umgang mit den Italienern mein erstes Lehrgeld bezahlen.

Uebrigens hatte auch diese Unannehmlichkeit, wie so vieles im Leben, ihre guten Seiten; man fand für nöthig, etwas über meine Stellung zum Hofe zu entscheiden. Es wurde mir ein annehmbarer Jahresgehalt gegeben,1 mit dem ich für immer in den Hofetat aufgenommen ward, und besondere Bezahlung für eine jede Arbeit zugesagt, ich mußte aber versprechen, nur für den Vicekönig zu malen. Hierin lag zwar etwas Schmeichelhaftes für mich, aber es war doch nicht gut. Es führt leicht zur Einseitigkeit, wenn ein Künstler sein ganzes Leben für den Geschmack eines einzigen Liebhabers schaffen soll. Es gehört ein sehr ernstes Streben zum Vorwärtsschreiten und große Liebe zur Sache selbst, um nicht in einer solchen Stellung von der Eitelkeit, der gefährlichsten Feindin des Künstlers, unvermerkt beschlichen zu werden, besonders wenn es ihm so leicht gemacht wird, alle Wünsche zu befriedigen; denn da man bei Hof wußte, daß ich die Gunst meines Herrn in hohem Grade erworben, fehlte es mir nicht an Bewunderern. Das aber war um so schlimmer, da ich in Mailand auch nicht im entferntesten weder einen Concurrenten noch ein Vorbild in der Schlachtenmalerei fand.[111]

In meiner neuen Behausung fühlte ich mich viel heimischer, ich wohnte zwar nicht mehr so schön wie bisher, aber passender, ich hatte gutes Licht zum Malen und wurde durch nichts abgezogen, mich wieder ernstlich der Kunst zuzuwenden. Die Aussicht von meinen Fenstern ging in einen stillen Hofraum, wo ich nichts von dem Treiben der großen Stadt sah noch hörte, auch hatte ich einen Stall für zwei Pferde, weßhalb ich mir bald ein Pferd kaufte. Das Reiten war mir zum Bedürfnisse geworden, ich mußte mich zuweilen austoben, denn mein heißes Blut war in Italien bei der fast unfreiwillig geführten Lebensweise nicht kälter geworden. Ich machte mich bald in Mailand durch mein Reiten bemerklich, da ich immer nur feurige und etwas unbändige Pferde ritt und fest im Sattel saß.

In dieser Zeit entwarf ich die Composition zu zwei großen Bildern: die Schlacht bei St. Michael in Kärnthen und die bei Raab in Ungarn, welche ich in den Jahren 1810 und 1811 zur großen Zufriedenheit meines Gebieters in Oel ausführte.

Bei Hofe fand ich an dem jüngsten Adjutanten des Vicekönigs, dem Capitain Jules de Saive, einen Freund, wie man nur selten das Glück hat, einen zu finden. Treu und anhänglich in allen Verhältnissen des Lebens, stand er mir bis zu unserer Trennung in Moskau (1812) liebreich und schützend zur Seite; seine größere Gewandtheit im Leben, sowie seine Erfahrungen kamen mir oft sehr zu statten. De Saive war ein durchaus edler, ritterlicher Charakter, ein Mann voll Sinn für alles Schöne und Gute: er zeichnete und malte für einen Dilettanten sehr artig, war musikalisch, spielte die Violine vortrefflich, hatte litterarische Bildung und war der deutschen Sprache vollkommen mächtig, mit vielen unserer Klassiker bekannt. Schiller liebte er besonders, seine Gedichte führte er fast immer bei sich. Er hatte trotz seiner Jugend schon den Krieg in Spanien mitgemacht, zeigte sich überall tapfer und erwarb sich in der Schlacht bei Raab den Orden der Ehrenlegion, später erhielt er auch den der eisernen Krone. Mit einer schönen, männlichen Gestalt ausgestattet, groß und schlank gewachsen, hatte er feine, edle Gesichtszüge, ein feuriges,[112] weitgeöffnetes schwarzes Auge, das für die Offenheit seines Charakters und die Tiefe seiner Seele zeugte.

Schon zu Anfang meines Aufenthaltes in Mailand lernte ich eine wohlhabende, bürgerliche deutsche Familie kennen. Der Sohn des Hauses, ein angenehmer, hübscher, wohlgesitteter junger Mann, welcher sich der Kunst widmen wollte, suchte meine Bekanntschaft. Ungefähr in demselben Alter wie ich, besuchte er damals die Akademie, besaß jedoch sehr wenig Talent und war, da er schon sehr viel gelesen hatte, mehr in der Theorie als in der Praxis bewandert, was bei Ausübung der Kunst immer ein Uebelstand ist. Ich verkehrte gerne mit ihm, weil ich, weder mit den Sitten und Gebräuchen, noch mit der italienischen Sprache bekannt, an ihm, dem gebornen Mailänder, einen Führer hatte, welchem ich um so leichter vertrauen konnte, als eine strenge Rechtschaffenheit die ganze Familie charakterisirte.

Eines Tages befand ich mich mit diesem jungen Manne und seiner Mutter im Gespräch, als sich plötzlich die Thüre öffnete und ein Wesen, schlank und fein und flüchtig wie eine Gazelle, mehr herein huschte als ging. Es war ein wunderliches Gemisch von einer deutschen Jungfrau in ihrer ersten vollen Blüthe und durch und durch erwärmt von der Gluth des Südens. Eine feurige Röthe überflog ihre frischen Wangen, als sie mich erblickte. Purpurrothe, schöngeformte Lippen umschlossen ein Paar Reihen kleiner Zähne wie Perlen; funkelnde schwarze Augen ließen verrätherisch auf das schließen, was unter ihnen verborgen lag, und große, schwarze Locken, glänzend und fein wie Seide, hingen zu beiden Seiten des Kopfes bis auf die zarten Schultern herab. Ihre Gestalt war von mittlerer Größe, einem schönen Ebenmaße der Verhältnisse mit zarten Gliedern; ihre Manieren waren natürlich und ungezwungen, ihre Bewegungen lebhaft aber graziös.

Ich wußte im ersten Augenblicke nicht recht, was ich aus diesem Geschöpfe machen sollte; die ganze Erscheinung war mir zu neu, ich hatte noch nie ein ähnliches Wesen gesehen. Es lag beinahe etwas Wildes darin und doch fesselte sie mich. Ich[113] fühlte mich eigenthümlich ergriffen, als flüsterte mir ein guter Geist in die Ohren: Mach, daß du weiter kommst, hier ist Gefahr. Obwohl noch sehr jung, so war doch schon manche Erfahrung an mir vorübergegangen, wie leicht es sei, seine Freiheit zu verlieren; kein Wunder, daß ich etwas Mißtrauen gegen mich selbst faßte. Großen Eindruck hatte sie auf mich gemacht, das konnte ich mir nicht verbergen, und es wollte mir fast vorkommen, als sei mein Erscheinen auch ihr nicht gleichgültig, was mir Bedenken erregte. Hätte ich nach dieser ersten Begegnung mich langsam von den Besuchen in dieser Familie zurückgezogen, so wäre es nichts als eine reizende Erscheinung gewesen, wie sie uns im Leben öfter vorkommen und Auge und Herz erfreuen, aber ich fand keinen genügenden Grund, diesem Hause, in welchem ich so freundlich aufgenommen worden, plötzlich den Rücken zu kehren und setzte meine Besuche fort, benahm mich sehr unbefangen und vermied sorgfältig alles, um keine größere Annäherung herbeizuführen. Indessen hielt ich es der Mühe werth, diesen wunderlichen Charakter etwas näher zu betrachten und fand im Laufe der Zeit eine so große Verschiedenheit der Neigungen und Individualitäten zwischen uns, daß manches Bedenken schwand. Es schien mir nicht denkbar, daß in dem Herzen dieses Wesens eine tiefere Neigung zu mir Platz finden könnte.

Dieser kleine Wildfang von einem Mädchen hieß Magdalena und war 17 Jahre alt. Viele Freier hatten sich um ihre Hand beworben und bewarben sich noch, als ich sie kennen lernte, aber keinem gelang es, ihr eine ernste Neigung einzuflößen; ich war daher um so weniger versucht, die Zahl ihrer Anbeter zu vermehren, ich kam und ging, wie einer, der nichts sucht, nichts will und nichts bietet. Sie tändelte, scherzte, lachte, ließ sich kleine schuldlose Attentionen gefallen und belustigte sich über ihre Courmacher, aber alles was ich sah und hörte, bewegte sich in den Grenzen des Anstandes. Große Lebensfrische und Heiterkeit zeigte sich in allem, was sie that, und eine angeborne Naivetät und kleine Coquetterie kleidete sie gut und machte sie für jeden Mann, der sich ihr näherte, reizend[114] und anziehend; aber neben diesen Eigenschaften nahmen häusliche Tugend, fromme Sitte und fest begründete Begriffe von Treue und Redlichkeit Platz. In ihrem Frohsinn überließ sie sich öfters dem Muthwillen. Sie wußte, daß sie sich selbst trauen durfte; ihr starkes Herz schützte sie bis daher vor Gefahren, welche oft sentimentalen schwärmerischen Mädchen drohen.

Durch mehrere Monate hielt sich dieses Verhältniß in den Grenzen des gewöhnlichen, geselligen Verkehrs, aber ihr Umgang interessirte mich schon der Originalität wegen. Es war ihr jedoch sicherlich nicht entgangen, daß ich Interesse für sie hatte; das weibliche Geschlecht hat hierin, wenn es erlaubt ist sich so auszudrücken, einen feinen Instinkt, in das Herz eines Mannes zu blicken. Zuweilen gab es kleine Differenzen zwischen uns, herbeigeführt durch die große Verschiedenheit der Charaktere und Meinungen. Der Hauptunterschied lag jedoch besonders darin, daß die Heiterkeit bei ihr sich immer nach außen kund gab und daß der Ernst und eine gewisse Tiefe des Gefühls ihr selbst kaum recht bewußt in dem Grunde eines trefflichen Herzens lag, und daß bei mir der ganz umgekehrte Fall obwaltete.

Von früher Jugend in einem gewissen Wohlstande aufgewachsen, von guten, rechtschaffenen Eltern und Geschwistern und Allen, die sie kannten, geliebt und geachtet, von der Natur mit körperlichen Reizen und schönen Anlagen ausgestattet und in der vollsten Blüthe der Jugend und Gesundheit, wie sollte da der Ernst zum Vorscheine kommen? Wie ganz anders war es mit mir! Bis zum neunten Jahre lebte auch ich in leidlich guten Verhältnissen, von da an aber wuchs ich in Armuth und Entbehrungen auf, alles, was ich erstrebt und erreicht hatte, konnte ich nur durch die größten Anstrengungen erringen. Ich mußte sehr frühzeitig mich in andere Menschen und in alle Lebensverhältnisse fügen lernen, was meinem ganzen Charakter, äußerlich wenigstens, etwas sehr Ernstes, Nachdenkendes gab. Ich hatte einen kräftigen Willen und große Selbstbeherrschung und zeigte mich selten schwach. Was ich wollte und für gut erkannte, wurde ausgeführt. Kein Vergnügen konnte mich[115] von meinem Berufe, von einer Arbeit, oder überhaupt von einem mir vorgesteckten Ziele abhalten. Diese meine Eigenschaften, welche bisweilen in etwas Eckichtes übergingen, bereiteten meiner neuen Freundin in der Folge viele bittere Stunden und Tage und zuletzt auch mir selbst. Uebrigens waren sie mehr angeeignet als angeboren. Mit großer Lebensfrische in meinem Innern und gesund an Leib und Seele, schlug ein warmes, gefühlvolles Herz in meiner Brust, ein Herz voll Liebe zur Menschheit, voll Empfindung für alles Schöne und Gute, voll Freude an der Natur und der ganzen Schöpfung. In den gegenwärtigen Verhältnissen kehrte ich aus Grundsatz mehr die Schatten- als die Lichtseiten meines Charakters heraus. Ich hatte im Verlaufe der Zeit bemerkt, daß ich vor vielen Andern bevorzugt und sehr vermißt wurde, wenn ich mich lange nicht zeigte; da ich aber niemals zu den eitlen Gecken zählte, die da glauben, wenn junge Mädchen sie freundlich anblicken, hätten sie schon ihr Herz erobert, so ließ ich mich in nichts beirren. Ich blieb derselbe vor wie nach und dachte bei mir selbst: Wenn sie mich erst ganz kennt, wird sie am Ende froh sein, wenn ihr dieser trockene deutsche Michel vom Halse bleibt. Aber ich hatte mich total verrechnet.

Wäre ich in alle Verführungskünste eingeweiht gewesen, so hätte ich keine bessere Rolle spielen können, um eine Neigung, wenn sie im Herzen eines Geschöpfes, wie dieses war, einmal Platz genommen hat, in eine glühende Leidenschaft zu verwandeln. Diese Absicht lag aber von mir ferne, ich wollte ehrlich sein und keine Erwartungen in ihr erregen, welche ich nicht zu erfüllen gesonnen war. Noch hatte ich mein dreiundzwanzigstes Jahr nicht zurückgelegt, liebte die Unabhängigkeit über alles und strebte gewaltig ins Weite und in die Welt hinaus. Krieg war die Losung der Zeit und eine solche Zeit des Heldenthums steht fast immer im Widerspruch mit dem Herde des häuslichen Glückes. Meiner Denkart nach ohnehin mehr als halb Soldat, hatte ich mich ja auch verbindlich gemacht, meinen Gebieter, den edlen Prinzen Eugen, dem ich schon sehr anhänglich geworden war, überall zu begleiten und unter diesen Verhältnissen[116] konnte es mir nicht in den Sinn kommen, jetzt schon ein ernstes Band für das ganze Leben zu knüpfen. Je unbefangener und natürlicher ich mich jedoch gab, desto mehr schien sie angezogen. Ein zufälliges Ereigniß ließ mich auch bald klar sehen: die Stunde kam, wo dieses stolze Mädchenherz sich beugen sollte.

Gegen Ende des Faschings ließ ich mich bewegen, einem Balle beizuwohnen; es war der erste in meinem Leben. Er wurde von Kaufleuten sehr schön angeordnet. Magdalena befand sich auch mit ihrem Bruder und Verwandten unter den Geladenen. Ich sagte ungern zu, denn schon von frühester Jugend hegte ich eine wahre Abneigung gegen das Tanzen und alle Tanzplätze; die Menschen kamen mir da wie verrückt vor. Somit war ich natürlich ein müßiger, langweiliger Zuschauer; meine junge Freundin hingegen tanzte sehr gern und vorzüglich gut und graziös und bildete den Glanzpunkt bei diesem Feste. Mehrere Stunden hielt ich so aus, zog mich aber später in ein Seitenzimmer zurück, wo sich eine Bibliothek befand und saß an einem Kamine bei einer älteren Dame, welche sich viele aber ziemlich vergebliche Mühe gab, mich zu unterhalten; inzwischen zerbiß ich meine Handschuhe mit den Zähnen aus Unmuth in hundert kleine Fetzen. Ich wurde gesucht und man versprach nicht mehr zu tanzen; aber bald kamen die Versucher und baten aufs Neue um die Rückkehr in den Saal; in Kurzem war sie in einen ganzen Schwarm Tanzlustiger eingehüllt und in den Saal mitfortgezogen. Nun riß meine Geduld; mir kam das ganze Treiben ein wenig bacchantisch vor. Ich schlich mich in aller Stille davon. Als sie mich vermißte und ich nicht beim Souper erschien, wurde sie unwohl, man mußte sie nach Hause bringen und man meldete mir am folgenden Tag, daß sie krank sei und zu Bette liege.

Dieses Verhältniß hatte bis jetzt keinen nachtheiligen Einfluß auf mein Kunsttreiben und meine übrige Lebensweise gehabt. Seit ich meine neue Wohnung bezogen hatte, fing ich an, auf einer schmalen, 9 Fuß langen Leinwand ein Bild von der Schlacht bei Raab zu entwerfen, mit all dem Feuer, mit welchem[117] man bei noch frischer Erinnerung an das Erlebte bisweilen etwas gleichsam hinzaubert. Mir war, indem ich daran malte, als befände ich mich in Mitte der Schlacht: ich glaubte die Kanonen und das Kleingewehr krachen zu hören, sah die Adjutanten hin- und herfliegen und das ganze Getümmel vor mir. Eine solche Begeisterung, mit der ein Künstler schafft, ist ein recht guter Gegensatz, um sich manches andere störend einwirkende Gefühl aus dem Sinne zu schlagen. Meiner Ansicht nach sollte der Entwurf nur als Skizze eines größern Bildes dienen, als ihn aber Prinz Eugen sah, sprach er den Wunsch aus, daß ich den Versuch machen möchte, die Leinwand anzustücken und die Skizze zu vollenden. Er meinte, daß bei einem zweiten Bilde das Geistige, das er hier sah, verloren gehen könnte. Ich kam seinem Wunsche zu seiner vollsten Zufriedenheit entgegen.

1

Adam bekam einen Jahrgehalt von 2400 Lire und den Rang eines Capitains.

Quelle:
Adam, Albrecht: Aus dem Leben eines Schlachtenmalers. Stuttgart 1886, S. 119.
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