Ausländische Kollegen und Sammler

[160] Unsere jährlichen Besuche in London und Paris brachten uns mit den dortigen Sammlern und Museumsbeamten mehr und mehr in Beziehungen. In England von vornherein. Hier war das Verhältnis sogar ein besonders freundschaftliches, bis die häßliche Eifersucht Englands auf Deutschlands Fortschritte eine Änderung auch in dieser Hinsicht hervorrief. In Frankreich waren es erst die gemeinsamen wissenschaftlichen und künstlerischen Interessen, die allmählich unsere Beziehungen förderten, bis auch sie erkalteten oder abgebrochen wurden, nachdem Frankreich durch sein Bündnis mit England wieder Hoffnung auf baldige Revanche erhalten hatte. Gelegentlich kamen diese Bekannten auch schon nach Berlin, um hier die Sammlungen zu sehen, so von London wiederholt A.W. Franks, hauptsächlich durch Adolf Bastian und seine ethnologischen Sammlungen angezogen, Martin Conway, Henry Wallis und J.P. Heseltine. Der erste französische Kunstsammler, dessen Besuches ich mich erinnere, war Gustave Dreyfus. Sohn eines Deutschen, mit einer Österreicherin[160] verheiratet, hat er nie den Chauvinisten gespielt, wenn er auch seine Kinder rein französisch erzog. Diese Bande konnte ich namentlich während eines einwö chigen Aufenthaltes in Paris zur Zeit der Weltausstellung 1878 enger knüpfen. In der wertvollen retrospektiven Abteilung habe ich damals die Schätze von Foulc, Dreyfus, Spitzer, Yriarte u.a. zusammen mit den Besitzern durchgesehen.

Mein regelmäßiger Begleiter war Louis Courajod. Bei ihm fand ich das lebhafteste Interesse an mancherlei Fragen über italienische Plastik, die mich damals beschäftigten. Wir sind seitdem, bis zu seinem leider zu frühen Tode, in enger Fühlung geblieben und haben unsere Gedanken über Studien, die uns beide in ähnlichem Maße interessierten, ständig ausgetauscht. Wiederholt war Courajod in Berlin, wir trafen uns gelegentlich in Italien, am häufigsten aber in Paris, wo ich dann regelmäßig auch in seinem originellen mit Büchern und fragmentierten Skulpturen aller Art überfüllten Gelehrtenheim, das seine alte Mutter behaglich zu machen suchte so gut es irgend ging, seine altmodische Gastfreundschaft genoß. In seiner geistvollen, übersprudelnden, echt französischen Art, die mit strenger Methode gepaart war, erfaßte er jedes Thema in origineller Weise, und in rastlosem Fleiß spann er es aus, bis er einen befriedigenden Abschluß gefunden hatte. Was den Umgang mit diesem einsiedlerischen Junggesellen, der bei seinen Kollegen und Vorgesetzten als Sonderling galt und daher erst spät einiges Verständnis und Entgegen kommen fand, noch besonders angenehm machte, war seine puritanisch strenge, vornehme Sinnesweise und sein Herz voll kindlicher Güte.

Ein anderer Pariser Kunstschriftsteller, den ich gelegentlich der Ausstellung kennenlernte, Charles Yriarte, unterschied sich aufs schärfste von dem Wesen Courajods. Spanischer Jude von Herkunft, aber zu den Rothschilds wie zu Sir Richard Wallace in gleich naher Beziehung, war er Gesellschaftsmann, trefflicher Causeur und Feuilletonist. Pikante, allgemein interessante Themata behandelte er in Aufsätzen der französischen Monatsschriften, die er dann zu reich ausgestatteten[161] Luxusbüchern kulturhistorischen oder künstlerischen Inhalts erweiterte. Waren sie auch keineswegs speziell für ein gelehrtes Publikum berechnet, so hatte Yriarte doch das Bestreben, wissenschaftlichen Fragen, die ihm dabei aufstießen, näher zu treten. Damals beschäftigte er sich gerade mit den Malatesta und ihrem Hof, namentlich mit Sigismondo und seiner Gattin Isotta. Albertis Tempel und sein merkwürdiger Skulpturenschmuck hatten ihn besonders angezogen. Ein Relief, das M. Aynard aus Lyon als fragliche Arbeit Donatellos zur Ausstellung gegeben hatte, erklärte ich Courajod gegenüber für eine Arbeit des Agostino di Duccio und sprach ihm meine Überzeugung aus, daß der den Robbia, Pasti u.a. zugeschriebene Marmorschmuck von San Francesco in Rimini größtenteils von der gleichen Hand sei, und daß sie mit einer Reihe von beglaubigten Bildwerken in Perugia, in Florenz usw. übereinstimmten. Yriarte erfuhr davon durch Courajod und durch eine Besprechung der Ausstellung in der Seemannschen Zeitschrift, von der die »Chronique des arts« und »Revue archéologique« eine Übersetzung brachten, bekehrte sich aber sehr ungern zu meiner Ansicht, da er seine Arbeit bereits auf Grund alter Behauptungen Vasaris aufgebaut hatte. Ich habe ihm damals das Material darüber, das ich gleichzeitig ganz kurz in Burckhardts Cicerone und später in den »Toskanischen Bildwerken« Bruckmanns niederlegte, für seine Publikation zur Verfügung gestellt, bin aber selbst nie zu einer eingehenden Behandlung der nach verschiedenen Richtungen so interessanten Materie gekommen.

In Paris geriet ich gleichzeitig auch in Fühlung mit ein paar Bilderhändlern, denen wir eine Reihe unserer besten Erwerbungen verdanken, und durch deren Hilfe ich andere deutsche Galerien, namentlich Straßburg, sowie vor allem die Privatsammlungen Berlins wesentlich bereichern konnte. Der eine war ein Deutscher, Charles Sedelmeyer, früher in Wien ansässig und kurz vor dem Kriege nach Paris übergesiedelt, ganz self-made man von natürlichem Kunstsinn, ausgezeichneter Käufer und Verkäufer. Jahrelang hatte er, trotz seines[162] Eifers und seines Geschicks, mit Schwierigkeiten aller Art zu kämpfen, zumal er von Haus aus keine Mittel besaß und ihn die jenigen, welche sie ihm zur Verfügung stellten, gründlich auszunutzen verstanden. Sein Verständnis für ältere Malerei, namentlich für holländische Kunst, bewies er schon damals durch die Gemälde, die er kaufte, darunter solche von Meistern, die noch gar nicht in Mode waren. Zahlreiche Bilder von Frans Hals – und welche Meisterwerke – sind in den siebziger und achtziger Jahren durch seine Hand gegangen. Von Jan van Goyen hatte er eine Zeitlang an hundert Gemälde zusammengebracht und zwar aus allen Zeiten, so daß man die ganze Entwicklung des Künstlers dort wie nirgend anderswo verfolgen konnte.

In ähnlicher Weise für die Kunst begeistert war ein etwa gleichaltriger Kunsthändler, E. Warneck, der Enkel eines deutschen Offiziers und selbst ursprünglich Marineoffizier, ein liebenswürdiger Mann von ganz ungewöhnlichem Qualitätssinn und scharfem Blick. Beiden verdanke ich manches gute Gemälde, das sich jetzt in unserer Galerie befindet, verdanke ich aber zugleich eine Förderung meiner Studien nach verschiedenen Richtungen. Damals in Paris und vorher bei einem Londoner Aufenthalt (gelegentlich der Versteigerung Munro) gelang es mir, da ich keinen Auftrag zu Ankäufen erhalten konnte, verschiedene Bilder für uns zu sichern, indem ich Sedelmeyer oder Warneck zur Erwerbung und Ansichtssendung nach Berlin veranlaßte.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 1. Band. Berlin 1930, S. 160-163.
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