Einweihung des Kunstgewerbemuseums

[197] Den Weg nach Spanien hatte ich über Paris genommen, zurück fuhr ich durch Südfrankreich, dessen malerische, kunstreiche Städte mir noch nicht bekannt waren. Nach Berlin kam ich gerade noch rechtzeitig, um ein durch das hohe Protektorpaar besonders pomphaft gestaltetes Fest, die Eröffnung des neuen Kunstgewerbemuseums am 21. November 1881, mitzumachen. Die meisten großen Museen hatten ihre Vertreter gesandt, namentlich die von England, von wo auch der berühmteste damalige Sammler, Sir Richard Wallace, erschienen war. Viel Freude konnte der Neubau, das Werk von Gropius und Schmieden, nicht machen, da er fast ohne Rücksicht auf die Kunstwerke, die er aufnehmen sollte, erbaut worden ist, und da weder die Anordnung noch die Ausstattung besonderen künstlerischen Genuß boten.

Direktor Lessing hatte Plan und Ausstattung ganz den Architekten überlassen, und für eine geschmackvolle Aufstellung fehlte ihm der Sinn ebenso sehr wie für Qualität und Echtheit der Kunstwerke. Bei den verhältnismäßig reichen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, bei den außerordentlich günstigen Verhältnissen des Marktes während des Menschenalters, durch das er dem Museum als Direktor vorstand, hätte die Berliner Sammlung den Londoner Galerien nahegebracht werden können. Aber Lessings Wahlspruch blieb: multa sed non multum, »billig und schlecht«! Außerordentliche Erwerbungen, wie namentlich die des Lüneburger Silberschatzes, waren einem glücklichen Zufall und der Energie des damaligen vortragenden Rates im Ministerium Karl Lüders zu verdanken. Durch den Mangel an künstlerischer Empfindung und den passiven Widerstand Lessings wurde Lüders dahin gedrängt, selbständig Anschaffungen zu[197] machen oder mir gelegentlich plein pouvoir für Ankäufe auf Reisen zu geben, soweit es sein Fonds erlaubte.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 1. Band. Berlin 1930, S. 197-198.
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