Erste Anstellungsaussichten

[49] Nicht wenig erstaunt war ich, als ich von Eggers, dem seit kurzem die Stelle des vortragenden Rates für Kunst im Kultusministerium übertragen war, wie von Hotho mit der gleichen Anrede überrascht wurde: aus meiner Reise könne nichts werden, man brauche mich jetzt in Berlin, wo sich für die Museen große Dinge vorbereiteten. Der Kronprinz sei zum Protektor der Museen berufen und Graf Usedom seit wenigen Wochen zum Generaldirektor ernannt worden. Eggers verlangte, ich solle seine Stelle als vortragender Rat übernehmen, wozu er gar nicht passe; und Hotho sagte, ich müsse ihm notwendig die Direktion der Galerie abnehmen, die er nun seit Jahren in Stellvertretung und als reine Sinekure verwalte.

Daß man sich in dieser Weise förmlich um mich riß, kann ich mir keineswegs zu besonderem Verdienst anrechnen, war ich doch damals wirklich fast der einzige theoretisch und praktisch für Museumsdienst vorgebildete Kunsthistoriker nicht nur unter der Jugend, und zudem war ich in den Berliner Kreisen genau bekannt, hatte sogar schon während meiner Studienzeit gelegentlich Besorgungen für die Direktion der Gemäldegalerie gemacht. Sowohl Professor Eggers wie Professor Hotho hatten Graf Usedom auf mich hingewiesen, so daß er mich gleich um einen Besuch bat. Der redselige alte Diplomat nahm mich sehr freundlich auf, entwickelte mir seine Pläne für die Museen und verlangte von mir, daß ich mich zur Durchführung derselben sofort zur Verfügung stelle.

Diese Pläne waren mir sehr überraschend. Gerade den großen Fehler, durch den der letzte Generaldirektor, Herr von Olfers, in seiner siebenundzwanzigjährigen Amtstätigkeit die Berliner Museen schwer geschädigt und ihre Rückständigkeit hinter den Sammlungen, namentlich von London, verschuldet hatte: das Kaprizieren auf eine große Kopiensammlung und die Verwendung fast aller der schwachen Mittel darauf zu einer Zeit, wo die Originale zu den billigsten Preisen gewissermaßen auf der Straße lagen, diesen Fehler wollte Graf Usedom wiederholen.[50]

Sein Programm war die Erweiterung der Gipssammlung nach der Richtung der Renaissance und die Bildung einer großen, systematischen Sammlung von Kopien nach den besten Bildern aller Zeiten. Zunächst wollte er das erweiterte Gipsmuseum ins Werk setzen, dessen Bildung er mir zugedacht hatte; das müsse aber gleich geschehen, ich müsse meine Reise aufgeben. Ich erklärte, daß ich dies schon deshalb nicht könne, weil durch meine geschwächte Gesundheit ein neuer Sommeraufenthalt in Italien ausgeschlossen sei, daß ich vor allem aber noch ungenü gend vorgebildet sei, die nordischen Sammlungen, London und Paris noch gar nicht kenne. Graf Usedom bot mir an, daß ich gleich eintreten und die Reise nach Petersburg als Dienstreise machen solle. Ich lehnte dies ab, weil ich den Museen dort zunächst zu wenig nützen könne. Wir verabredeten schließlich meinen Eintritt in den Dienst der Berliner Museen für Anfang Juli und zum Herbst eine Reise nach Italien behufs Inszenierung der Abformungen nach Aufstellung eines ausführlichen Programms. Eggers war damit einverstanden, erklärte aber, daß ich vor allem auch für die Galerie gewonnen werden müsse, und daß er daher dem Minister den Vorschlag machen werde, Hotho zum Direktor der Galerie und mich zu seinem Assistenten zu ernennen.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 1. Band. Berlin 1930, S. 49-51.
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