[143] Auf Lippmann hatte ich im Ministerium schon gleich nach Hothos Tode hingewiesen, auf ihn war ich zurückgekommen, als sich die Unterhandlungen mit Koloff als aussichtslos erwiesen. Im März 1876 führte mich dann der Zufall in Paris täglich mit ihm zusammen, als ich zur Versteigerung der Sammlung seines Bruders von Lippmann-Lissingen geschickt war. Ich fand Lippmann in verzweifelter Stimmung. Sein Bruder, der eine Zeitlang zu den reichsten Leuten Wiens gezählt wurde, hatte durch die Krisis, die in Wien der Ausstellung 1873 gefolgt war, den größten Teil seines Vermögens verloren, so daß er sich schließlich zur Versteigerung seiner wertvollen Bildersammlung, die er unter der Aufsicht seines Bruders zusammengebracht hatte, entschließen mußte. Friedrich Lippmann, dessen Vermögen dabei gleichfalls stark in Mitleidenschaft gezogen und der daher am Erfolg der Versteigerung mit interessiert war, hatte die Inszenierung in Paris übernommen. Was er dabei erfahren und erlitten, die schmähliche Behandlung durch die maßgebenden Händler, der Zwang, sie am[143] Gewinn stark zu beteiligen, Hauptbilder vor der Versteigerung im Hôtel Drouot billig abzugeben: alles das hatte ihn aufs tiefste niedergedrückt. Nur die Aussicht, nach Berlin als Direktor des Kupferstichkabinetts zu kommen, hielt ihn noch hoch. Ich sagte ihm, daß ich alles dafür vorbereitet hätte, verhehlte ihm aber die Schwierigkeiten nicht. Man habe ihn dem Ministerium, gerade von Wien aus, als halben Händler, als unstet, launisch und bequem geschildert, man habe auch Angst, ihn als Ausländer und Juden dem Kaiser in Vorschlag zu bringen. Außerdem nähme man Anstand daran, daß er sich wissenschaftlich bisher nicht betätigt, ja nicht einmal den Dr. phil. gemacht habe. Lippmann erklärte sich bereit, den Doktor nachzuholen, wir besprachen ein Thema, und einige Monate später lag diese für das Herz eines Philologen wie Schoene unerläßliche Prüfung wissenschaftlichen Strebens glücklich hinter ihm.
Inzwischen hatte ich, im Juli, eine Reise nach Wien gemacht, um über den Ankauf der wertvollen Lippmannschen Sammlung altdeutscher und altniederländischer Gemälde, die für 50000 fl. angeboten war, zu verhandeln. Bei der Gelegenheit glückte es mir, die dortigen maßgebenden Herren, namentlich Eitelberger, für die Unterstützung bei Lippmanns Berufung nach Berlin zu gewinnen, nachdem dieser vom Österreichischen Museum zurückgetreten war. Ich teilte Eitelberger mit, weshalb wir einen Mann wie Lippmann an der Spitze des Kabinetts brauchten, und fand ihn bereit, nach Berlin zu kommen, um dort im Ministeri um alle gewünschten Aufklärungen über seinen langjährigen Volontär und Assistenten zu geben. Sein Wort war entscheidend, sowohl beim Protektor wie beim Minister. Genoß doch Eitelberger große Achtung und Vertrauen auch in Preußen, dank seiner Erfolge in Österreich, wo er – und er fast allein – durch seine geschickte diplomatische Art für die Belebung des Kunsthandwerkes wie für die Inventarisation und den Schutz der Denkmäler Außerordentliches geleistet hatte. Bereits Anfang November 1876 zog Friedrich Lippmann als Direktor in das[144] Kupferstichkabinett ein, aus dem Professor Weiß ausschied, um, durch gute Freunde, zu der Würde eines Direktors des Kgl. Zeughauses befördert zu werden; freilich nur für kurze Zeit, da er hier noch weniger brauchbar war.
In Wien hatte ich gleichzeitig noch eine zweite, für unsere Museen ebenso bedeutungsvolle Berufung vorbereiten helfen, die bald nach Lippmanns Ernennung entschieden wurde: die meines Lehrers und Freundes Alexander Conze zum Direktor der Antikensammlung. Schoene hatte auf ihn, den wenige Jahre Älteren, den er als Archäologen und Menschen kannte und hochschätzte, von vornherein ein Auge geworfen und hielt daran fest, als sich gerade damals Aussicht zur Verwirklichung seiner durch Graf Usedom hintertriebenen Pläne bot. Der Generaldirektor fühlte sich nämlich gedrungen, unter dem Drucke aller Anklagen, die er nicht entkräften konnte, und entrüstet über die Verhandlungen betreffs wichtiger Berufungen gegen seinen Willen, Anfang September wieder einmal sein Entlassungsgesuch direkt beim Kaiser einzureichen, und veranlaßte gleichzeitig den seit Monaten beurlaubten Direktor Boetticher, den er selbst nach allen Vorkommnissen nicht halten zu können glaubte, zu dem gleichen Schritte. Boettichers Pensionierung erhielt, einige Zeit darauf, die Sanktion des Kaisers, aber von Graf Usedom wollte er sich nicht trennen. Doch gestattete er wenigstens die Lösung der wichtigsten Fragen ohne und selbst gegen ihn, nach den Verabredungen, die wir im Neuen Palais im Oktober treffen durften.
Für mich persönlich war bei diesen Veränderungen nichts herausgekommen als der Haß aller, die ich hatte beseitigen helfen. Ich blieb nach wie vor »bis auf weiteres« Assistent bei der Antikensammlung mit dem Auftrag, bei der Gemäldegalerie als Assistent Dienst zu tun. Das alles mit einem Gehalt von anfangs 600 Talern, später 800 Talern und 180 Talern Wohnungsgeldzuschuß! Graf Usedom war nicht zu bewegen, den Antrag auf Schaffung eines Assistentenpostens an der Galerie für den Etat anzumelden, wie mir schon sechs Jahre früher bei meiner Berufung versprochen war, und das Ministerium[145] speiste mich mit schönen Reden und dem Versprechen einer gele gentlichen Remuneration für die Vertretung beider Stellen ab. Man wußte dort, daß mir an der Förderung unserer Sammlungen mehr gelegen war als an persönlichem Vorteil und Ehren.