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[87] Zu einer Reise nach Paris bot sich eine andere Veranlassung nicht sehr lange darauf. Eine Versteigerung im Hôtel Drouot Ende Februar 1874 brachte eines der Hauptwerke des Adriaen van Ostade, den Bauerntanz in der Hütte, auf das uns ein Freund Dr. Meyers von seinem Pariser Aufenthalt in der Mitte der sechziger Jahre, Mr. Rutter, hingewiesen hatte. Dieser, ein englischer Kunstfreund und Sammler, hatte sich infolge seiner Heirat mit einem Pariser Modell in Paris niedergelassen und nach Verlust seines Vermögens als Expert für einige der größten englischen und Pariser Sammler Lebensunterhalt gesucht. Durch seine Beziehungen zu Julius Meyer hat sich der vornehme alte Herr auch für uns damals und in den nächsten Jahren in Paris und London redlich bemüht. Aus dem Kauf des Ostade wurde freilich nichts, da Fürst Demidow unsere Summe fast um das Doppelte überbot; das schöne, ansehnliche Bild ist jetzt im Museum in Chicago. Dafür erwarb ich auf einer anderen Versteigerung im Hôtel Drouot zu sehr mäßigen Preisen (1000 und 4000 francs) ein paar französische Bilder aus dem 18. Jahrhundert: Bildnisse von Trinquesse und Largillière, da uns Gemälde der Porträtmaler dieser Zeit fast ganz fehlten.[87]
Das Studium der Sammlungen des Louvre, die ich zum ersten Male sah, war mir der größte Genuß, den ich mir fast täglich gönnte; denn von Privatsammlungen konnte ich nur wenige sehen, und zwar nur in Begleitung Rutters. Die Sammler wie die Beamten des Louvre waren von einer kalten Zurückhaltung, die nicht zum Umgang verlockte. Ich war daher fast nur mit deutschen Bekannten zusammen, die ich zufällig traf: mit Conrad Fiedler und seinem Freunde, dem Bildhauer Adolf Hildebrand, und namentlich mit einem älteren Landsmann, Heinrich Vieweg, mit dem zusammen und für den ich seither manches gute Stück erworben habe, das jetzt das schöne Heim seiner Tochter Helene Tepelmann in Braunschweig schmückt.
In der Bibliothèque Nationale suchte ich auch einen seit 1830 in Paris ansässigen Landsmann, E. Koloff, auf, der im Kupferstichkabinett trotz seiner ausgezeichneten Kenntnisse einen untergeordneten Posten einnahm und eine bedauernswerte Existenz führte. Auf Wunsch unseres Ministers besprach ich mit ihm die Möglichkeit einer Berufung nach Berlin, wo kurz vorher der brave Hotho gestorben war. Wir hatten aber auch hier die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Graf Usedom, der sich gern mit unfähigen Beamten umgab, wollte, daß der damals bereits etwa 65 jährige Assistent, der Maler Weiß, der das bekannte oberflächliche, aber von Malern viel benutzte Kostümwerk geschrieben hatte, in die Stelle aufrücken solle. So dauerte auch hier der Kampf um diesen Posten noch mehrere Jahre und mußte schließlich über Usedoms Kopf entschieden werden.
Schon vor meiner Reise nach Paris war die Aufstellung der von uns bis dahin gekauften Gemälde vollendet. Noch im Laufe des Jahres 1873 hatten wir auch drei kleine holländische Bilder der Sammlung Mestern in Hamburg fest erworben, und Meyer hatte in Wien ein großes Porträt von Jacob Backer und ein Jugendwerk von D. Teniers gekauft. Leider versäumte er, den herrlichen Sebastian von Antonello zu erwerben, den Professor Rossmann für die Dresdener Galerie um den selbst[88] damals sehr mäßigen Preis von 10000 Gulden kaufte, die einzige gute Erwerbung der Galerie während der kurzen Zeit, in der er als Zahns Nachfolger im Ministerium eine unheimliche Tätigkeit entfaltete. Die drei Bilder, die Rossmann unter dem Namen von Frans Hals, andere, die er als A. Cuyp, Jacob Ruisdael, Hobbema usw. erwarb, sind sämtlich geringe Machwerke, die mit jenen großen Namen nichts gemein haben. Auch was ein Jahr später in der Versteigerung Barker in London an italienischen Quattrocentisten unter den Namen Signorelli, Credi, Bellini, Giorgione usw. erworben wurde, war der Dresdener Sammlung nicht würdig. Den einzigen guten Ankauf dieser Zeit, neben jenem Antonello, verdankt die Galerie Professor Gruner, das Madonnenbild von Mantegna, aus der Sammlung Eastlake.
Unsere Erwerbungen von 1872 und 1873 wurden in dem einzigen Oberlichtsaal der Galerie ausgestellt, der einige Jahre vorher fertig geworden war. Einen kurzen resümierenden Katalog hatten wir gemeinsam verfaßt. Anfang Januar fand die Eröffnung der kleinen Ausstellung statt, deren Erfolg ein unerwartet großer war. Die Museen hatten seit Jahrzehnten im Winterschlaf gelegen, dieses erste Lebenszeichen wurde daher allseitig mit großem Interesse begrüßt und wohlwollend beurteilt, obgleich nicht alles Gold war und der Berliner Geschmack damals gerade das Beste nicht anerkannte. Der große Signorelli hatte nur einen Achtungserfolg, ja die strengen Klassizisten perhorreszierten das Bild, das die Kaiserin Augusta für »gemein« erklärte. Die Madonna von Verrocchio wurde kaum beachtet, während die Porträts und die kleinen Holländer durchweg gefielen. Allgemeinste Anerkennung fand der »Borro«, für den sich die Künstler begeisterten und den sie keinem anderen als Velazquez selbst zuschreiben wollten. Diese günstige Aufnahme versöhnte auch Graf Usedom kurze Zeit selbst mit Meyer, da er den Erfolg sich zuschrieb und die Bilder den hohen Herrschaften und Zelebritäten als seine Erwerbungen vorführte. Der junge Prinz Wilhelm, spä tere Kaiser Wilhelm II., verriet mir das ein Jahr darauf gelegentlich[89] der Ausstellung der Suermondtschen Sammlung. Er sprach sich begeistert über diesen Ankauf aus. Das seien doch andere Bilder als der abscheuliche Signorelli, den ihm Graf Usedom ein Jahr vorher so stolz als seine Erwerbung gezeigt habe. Ich mußte ihm daraufhin bekennen, daß diese Erwerbung von uns gemacht worden sei, und daß wir womöglich noch stolzer darauf wären als Graf Usedom.
Die schwersten Kämpfe mit dem Generaldirektor hatten wir jedesmal, wenn die Anmeldungen zum Etat vorbereitet wurden. Wie ein Jahr vorher, so beantragte Meyer auch 1874 wieder den Umbau der Galerie, die Einstellung einer Assistentenstelle an der Gemäldegalerie und die Anstellung von Ludwig Schmidt als Restaurator, während ich die Abformungen in Italien durch ein langes Gutachten anmeldete und gleichzeitig, auf Veranlassung des Protektors, ein weiteres Gutachten über die Anbringung neuer Schilder an den Gemälden machte, da ein großer Teil der alten Schilder, soweit die Bilder überhaupt solche hatten, noch irrtümliche Bestimmungen enthielten. Auf alle diese Eingaben erfolgte keinerlei Bescheid vom Generaldirektor, der sie auch nicht ans Ministerium weitergab und sich durch Mahnungen und Exzitationen des Ministers durchaus nicht aus seiner Ruhe bringen ließ; glaubte er doch, daß er seinen gnädigsten allerhöch sten Herrn hinter sich habe!