Die M'schatta-Fassade

[155] Noch einmal hatte ich in der gleichen Zeit Veranlassung, mich an Seine Majestät zu wenden und kam mit seiner energischen Hilfe ebenfalls glücklich zum Ziel. Im Frühjahr brachte[155] mir Professor Strzygowski große Photographien einer Ruine in der syrischen Wüste, den Resten des Schlosses M'schatta. In der Nähe würde jetzt die Mekka-Bahn gebaut und dazu das schöne Material geplündert. Ich müsse mit allen Mitteln die Erwerbung, mindestens der Fassade, ins Werk setzen, da sie das wichtigste und prächtigste Denkmal aus der Zeit des Übergangs der frühbyzantinischen in die islamische Kunst sei. Strzygowski hielt sie damals für das Werk der letzten Sassaniden aus dem fünften oder sechsten Jahrhundert und suchte mich zu überzeugen, daß ich damit in der christlichen Abteilung, an deren Zusammenbringung er selbst so großes Verdienst hatte, ein würdiges Pendant zu dem Mosaik aus Ravenna erhalten würde.

Trotz der außerordentlichen Schwierigkeiten, welche die Erwerbung und der Transport bieten mußten, ließ ich mich überreden, den Versuch zu machen, und wandte mich direkt an Seine Majestät den Kaiser, ohne dessen Hilfe die Sache ja völlig unmöglich gewesen wäre. Der Kaiser war von den Photographien ganz entzückt. »Das sind ja sassanidische Stoffe, in Stein übertragen«, war seine erste, treffende Äußerung, »das müssen wir haben, koste es, was es wolle!« Er selbst werde deswegen an den Sultan schreiben. Inzwischen solle ich mich sofort mit dem Reichskanzler in Verbindung setzen, damit er alles vorbereite. Beim Grafen Bülow fand ich das größte Entgegenkommen. Er freue sich, daß Seine Majestät an solchen Dingen so lebhaftes Interesse nehme und wolle die Botschaft sofort informieren. Der Brief des Kaisers an den Sultan hatte den Erfolg, daß dieser die Fassade dem Kaiser zum Geschenk machte. Den Transport erbot sich Fürst Henckel-Donnersmarck zu bezahlen. Abbruch und Verpackung wie die wissenschaftliche Aufnahme konnte günstigerweise unsere in nicht zu weiter Ferne bei der Ausgrabung von Baalbek beschäftigte Expedition unter Leitung von, Professor Puchstein und dem Architekten Schulz besorgen.

Die Gefahr der hier damals noch fast selbstherrlichen Beduinen, vor der wir dringend gewarnt waren, erwies[156] sich in der Tat als sehr groß, denn am Tage, nachdem die Karawane mit unserer Expedition und den Kisten nach Haifa aufgebrochen war, wurde die türkische Bewachung, die man ihr beigegeben hatte, von Beduinen überfallen und dezimiert. Noch im Jahre 1903 traf die große Sendung in Berlin ein, und die Fassade konnte noch rechtzeitig provisorisch im Erdgeschoß des Kaiser-Friedrich-Museums aufgestellt werden. Gewiß ist diese etwa 45 Meter in der Breite messende, mit ihren beiden Türmen fast vier Meter vorspringende, etwa fünf Meter hohe Fassade als Sammlungsobjekt ebenso wenig geeignet und seine Unterbringung im Innern eines Museums ebenso schwierig, wie dies mit dem Altar von Pergamon oder dem Hafentor von Milet der Fall ist. Aber wie diese, so gehört auch die M'schatta-Fassade zu den wertvollsten und imposantesten Stücken unseres Berliner Kunstbesitzes. Wie sie recht eigentlich den Ausgangspunkt für die Forschung über die Entstehung der islamischen Kunst bildet, so wird sie stets den Mittelpunkt der islamischen Sammlungen bilden, für deren Begründung sie in erster Linie mitbestimmend war, und wird seinerzeit im neuen Asiatischen Museum wirkungsvoll aufgestellt werden können.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 155-157.
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