Kämpfe um die Gründung einer Ostasiatischen Abteilung

[168] Durch das Geschenk der M'schatta-Fassade und meiner Sammlung alter Teppiche hatte ich eine besondere islamische Kunstabteilung durchgesetzt; das gleiche strebte ich jetzt für Ostasien an. Dagegen machte der Direktor dieser Abteilungen[168] im Völkerkundemuseum energisch Opposition. Professor Grünwedel, der damals gerade seine zweite Turfan-Expedition vorbereitete, gab auf mein Gesuch an die Generalverwaltung um Abtretung von ein paar Mosulgefäßen seiner islamischen Abteilung, die alter Besitz und zugleich die einzigen, wirklichen Kunstobjekte derselben waren, als Antwort zu den Akten, daß er nicht daran denke, auch nur ein Stück daraus abzutreten. Er würde vielmehr, sobald er aus Turfan zurückkomme, auch meine an das Kaiser-Friedrich-Museum geschenkte Teppichsammlung für seine Abteilung verlangen. Nicht weniger ablehnend verhielt sich der Leiter der ostasiatischen Abteilung im Völkerkundemuseum, Professor F.W.K. Müller, ein ausgezeichneter Philologe und Kulturhistoriker. Daß Grünwedel mit seiner Forderung keinen Erfolg haben konnte, trotz der Unterstützung durch den Generaldirektor, war durch die von mir bei der Schenkung gemachte Bedingung der Be gründung einer besonderen islamischen Abteilung gesichert. Schwieriger war es, für eine besondere Abteilung der ostasiatischen Kunst Zustimmung und Mittel zu erhalten. Zudem war damals im Völkerkundemuseum unter den zahllosen chinesischen und japanischen Gegenständen kaum ein Stück vorhanden, das auf den Titel eines echten alten Kunstwerkes Anspruch machen konnte. Sogar die Funde der ersten Turfan-Expedition hatten einen stark lokalen Charakter und mehr inhaltliche Bedeutung.

Was Deutschland damals an guter älterer Kunst aus China und Japan in öffentlichen wie in Privatsammlungen besaß, war verschwindend wenig, und der Kunsthandel in Europa bot nach dieser Richtung nur geringe Chance. Mittel hatten die Museen zudem weder zur Anschaffung von Werken der ostasiatischen noch der islamischen Kunst, und Interesse war im Publikum und vor allem in den maßgebenden Kreisen so gut wie gar nicht vorhanden, ja, die alte Abneigung gegen die ganze Kunstanschauung der Chinesen war noch die herrschende. Zudem schien auch keine Aussicht zu sein, daß wir in Ostasien mit den dortigen Sammlern, namentlich mit den Amerikanern, konkurrieren[169] könnten, oder daß wir einen Kenner finden könnten, der an Ort und Stelle für uns sammeln würde.

Da mir aber schien, daß die Vernachlässigung der älteren chinesischen und japanischen Kunst in unseren Sammlungen bei der hohen Bedeutung dieser Kunst und bei ihrem Einfluß auf die moderne Richtung unserer eigenen Kunst nicht länger verantwortet werden könne, so suchte ich mich mit den Männern, die ernstlich für die Forschung und die Verbreitung des Verständnisses der ostasiatischen Kunst in Deutschland tätig gewesen waren, in Verbindung zu setzen. Seit langem schon hatte Justus Brinckmann für sein Museum japanische Kleinkunst gesammelt, aber er hatte keine Gelegenheit gehabt, an die rechte Quelle zu gehen und deshalb fast nur Modernes oder neuere Nachbildungen älterer Kunst zusammengebracht. Durch Wort und Schrift am rührigsten war Woldemar von Seidlitz für das Sammeln alter ostasiatischer Kunst in Deutschland eingetreten. Er hatte in einer Flugschrift den Vorschlag gemacht, daß die deutschen Staaten gemeinsam dabei vorgehen möchten, die Sammlung aber nicht in einer der Hauptstädte, sondern an einem kleineren, mitten in Deutschland gelegenen Orte, etwa in Bamberg oder Bayreuth, ihren Platz finden sollte. Der unpraktische Gedanke konnte nicht ausgeführt werden.

Ich war überzeugt, daß wir für unsere Berliner Museen eine eigene Sammlung zu schaffen suchen müßten, und holte mir daher Rat bei Professor Ernst Grosse in Freiburg, der mir als bester Kenner und eifriger Sammler bekannt war. Seine Sammlung, namentlich die chinesischen Bronzen und die Kakemonos, brachten mir erst einen Begriff bei, was die alte Kunst Ostasiens zu leisten imstande war. Ich erkannte, daß alles, was ich bisher in England, in Dresden und Paris als solche bewundert hatte (die Ausstellung in Paris 1900 hatte ich leider infolge meiner Krankheit versäumen müssen), schon der Verfallszeit angehörte oder nur Kopie und Nachahmung oder für Europa gemachte Ware war. Grosse riet mir, wir möchten versuchen, an Ort und Stelle zu[170] sammeln. Er versprach, sich deswegen in Tokio mit seinem alten Freunde Hayashi, von dem er in Paris die Mehrzahl seiner eigenen Kunstwerke erworben hatte, in Verbindung zu setzen.

Das waren zunächst nur Pourparlers, denn erst mußten die Abteilungen begründet und die Mittel zum Sammeln in der einen oder anderen Weise beschafft werden. Vor allem mußte ich die Zustimmung des Generaldirektors gewinnen, der die Lostrennung der Kunst von der Völkerkunde Asiens durchaus nicht wünschte. Nur widerwillig hatte er der Schaffung einer besonderen Assistentenstelle für die islamische Kunst mit Rücksicht auf die von Professor Sarre dem Museum zur Eröffnung dargeliehene reiche islamische Sammlung zugestimmt. Dagegen konnte ich seine Entscheidung über die Annahme der Schenkung meiner Teppichsammlung nicht erreichen, obgleich sie seit Monaten im Kaiser-Friedrich-Museum in einem besonderen Zimmer aufgestellt war. Da der Generaldirektor auf verschiedene Anfragen meinerseits keine Antwort gab, so schrieb ich endlich, er möge die Entscheidung durch den Herrn Minister herbeiführen. Darauf bekam ich persönlich die Antwort, daß dies ein Vertrauensbruch sei, er könne hinfort mit mir nur dienstlich verkehren. Aber eine dienstliche Erledigung erfolgte trotzdem nicht.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 168-171.
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