Max Liebermann

[81] Bald nach Mitte der achtziger Jahre kam ich auch in Beziehung zu Max Liebermann, der einige Zeit vorher, kurz nach seiner Verheiratung, sich wieder in Berlin niedergelassen hatte.[81] Sein damaliges lebhaftes Interesse für alte Kunst führte ihn nicht selten in unser Museum. Wenn auch seine eigene künstlerische Richtung ihn manchen großen Meistern gegenüber gleichgültig oder selbst ablehnend machte, so war es mir doch ein Genuß, seine Ansichten zu hören, zumal er sie stets in origineller Weise vorbrachte und verteidigte. Seine eigene Kunst, gerade in den Bildern der achtziger Jahre, erschien mir so frisch und eigenartig, so gesund, voll Empfindung und malerischer Wirkung, wie die kaum eines anderen deutschen Künstlers der Zeit. Sein Humor und Witz, hinter dem Gutmütigkeit und Herzlichkeit steckte, machte den Umgang mit ihm anziehender als den mit den meisten anderen Berliner Künstlern.

Der Besuch seines Ateliers an der Potsdamer Brücke, das Durchstöbern seiner Mappen mit Zeichnungen und Skizzen war mir ein besonderer Genuß, während »tout Berlin« damals seine Kunst als »roh« entschieden ablehnte, ganz besonders der Kreis der Verwandten und Bekannten des Künstlers. Ich bin daher gern und energisch jahrelang in Wort und Schrift für ihn eingetreten und habe der Erwerbung seiner Werke für öffentliche Sammlungen stets lebhaft das Wort geredet und diesen verschiedene seiner Meisterwerke zuwenden können. So namentlich die »Netzflickerinnen«, die Lichtwark sofort telegraphisch erwarb, als ich sie ihm 1889 von Paris aus dringend empfohlen hatte. Auf der dortigen Weltausstellung waren sie das bedeutendste Werk der deutschen Abteilung.

Gegenüber der gleichzeitigen deutschen Kunst verhielt sich Liebermann, wenige Künstler ausgenommen, sehr ablehnend und ließ mich kaum zu Worte kommen, wenn ich Männer wie Böcklin, Feuerbach, den damals eigenartig und talentvoll beginnenden Ludwig von Hofmann u.a. herausstrich. Nach Eröffnung der Sezession, deren Haupt er von vornherein war, hat sich Liebermann langsam in die Anerkennung solcher seiner Richtung antipathischen Künstler hineingefunden. Ja, er hat[82] sogar manche ihm noch viel mehr widerstrebende und untergeordnete Maler gelten lassen und gelegentlich selbst ihre Ernennung zu Ehrenmitgliedern der Berliner Sezession erwirkt. Wie jedes Parteiwesen für die Kunst verhängnisvoll ist, wie die leidenschaftliche Parteinahme des Publikums und der Presse für und wider die Künstler der einen und der anderen Richtung, wie die Tyrannei der Kunsthändler einen gesunden Werdegang schädigt, das hat die Entwicklung namentlich der Malerei in Berlin während der letzten Jahrzehnte zum Überdruß bewiesen.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 81-83.
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