[101] Auf dem Rückweg von einer Italienreise suchte ich in München Freund Peter Halm in seinem neuen Heim auf, einer freundlichen, künstlerisch behaglichen Villa draußen in Gern und machte dann in Stuttgart dem alten Hofmarschall von Reischach, der einige Stücke aus seiner schönen Einrichtung süddeutscher Herkunft abzugeben wünschte, einen Besuch. Ich benutzte die Gelegenheit, um eine Verwandte meines Vaters, Frau Senatspräsident Gmelin, aufzusuchen. Hier lernte ich deren Tochter Anna kennen und hatte das Glück, in ihr eine zweite Gattin zu finden, die in meine Seele wieder heitere Ruhe, in mein verödetes Haus wieder Leben und Ordnung brachte. Ihr selbst freilich wurde nur zu bald eine harte Prüfung auferlegt durch die schwere Krankheit, die mich schon ein halbes Jahr nach unserer Hochzeit befiel, und die mich wiederholt viertel und halbe Jahre lang an das Bett fesselte. Ich habe die Nachwirkungen nie ganz überwunden, so daß ich seither von geselligem Verkehr so gut wie ausgeschlossen bin. Trotzdem ist sie mir stets die treueste Pflegerin gewesen, ihr verdanke ich es vor allem, daß ich durch den ersten schwersten Anfall mit dem Leben durchgekommen bin. Sie hat im Mitgenusse der Kunst, namentlich in den mir unterstellten Sammlungen, und später in dem harmonischen, heiteren Zusammenleben mit unseren drei Töchtern und mit deren Verwandten, eine Entschädigung gesucht und gefunden für die Entbehrung fast jedes größeren Gesellschaftslebens.[101]
Schon unsere Hochzeit, am 27. Februar 1894, konnte nur im engsten Familienkreise in Stuttgart gefeiert werden, da meine gute alte Mutter einige Wochen vorher sanft entschlummert war. Leichte Schlaganfälle hatten sie seit Jahren mehr und mehr geschwächt, aber sie hatte sich doch noch bis zuletzt die Lebensfreude durch das Zusammensein mit ihren Kindern und Enkeln bewahrt.