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[26] Die Räume der Münchner Sezession am Königsplatz sind gefüllt mit Werken ihres jetzigen Präsidenten Hugo von Habermann. Ein Leben reich an künstlerischem Schaffen spiegelt sich in diesen Bildern wieder. Auch die logische Entwicklung dieses großen Künstlertalentes offenbart sich hier von jenen ersten Anfängen aus der Pilotyschule bis auf die heutige Zeit, wo die Arbeiten des Alternden farbenfroher und lebensfreudiger uns – seinen Zeitgenossen – erscheinen als die aus der früheren Zeit. Diese Frische der Schaffenskraft läßt uns noch auf ein fruchtbares künstlerisches Weiterarbeiten des nunmehr Sechzigjährigen hoffen. Habermanns erstes Bild ist eines der wenigen Werke, das mir selbst bis auf den heutigen Tag als etwas Großes, Bedeutendes in Erinnerung geblieben ist. Auf meiner ersten Reise von Königsberg nach Berlin fiel es mir in der Kunstausstellung, die damals noch am Kupfergraben war, auf und erschien mir, dem Provinzialen, durch die Kühnheit der Pinselführung als etwas ganz Hervorragendes. Es war eine heilige Katharina in langem roten Mantel, mit weißem Kopftuch, ihr Attribut, das Rad, zur Seite. Die Malart war durchaus altmeisterlich. Jan van Eyk und der virtuose Ribera scheinen dieses Bild gemeinsam beeinflußt zu haben. Habermann stand in München mit seiner Auffassung natürlich nicht allein da, wie es im Jahre 1879 aus der ersten internationalen Kunstausstellung Münchens zu ersehen war. Dort hatte Piglhein einen gekreuzigten Christus, nach ähnlichen Intentionen gemalt, ausgestellt, während in derselben Ausstellung bereits Liebermanns »Christus als Kind unter den Schriftgelehrten« in der realistischen, der sogenannt modernen Auffassung, die aus Frankreich kam, zu sehen war. Diesem Triumvirat schloß sich dann in den nächsten Jahren Fritz von Uhde an. Neben diesen vier Künstlern lebte abseits für sich Leibl mit einigen Anhängern, von denen Trübner der Bekannteste werden sollte, und man kann wohl behaupten, daß der Umschwung für die farbige Anschauung in der Malerei zunächst für München und dann für ganz Deutschland diesen Künstlern zu danken ist.
Um auf Habermann zurückzukommen: er blieb noch lange seiner ersten Malart treu. In der Berliner Sezession waren seinerzeit verschiedene Bilder aus dieser Epoche ausgestellt, von denen »der Spanier« und »der Mann mit der Nelke« besonders zu erwähnen sind. Dann konnte auch er sich der Münchner Strömung in der letzten Hälfte der achtziger Jahre nicht entziehen, die als die Zeit der »Armenleutmalerei« und der Schilderung drastischer Unglücksfälle uns allen im Gedächtnis geblieben ist. Habermanns Gemälde in dieser Richtung »In der Sprechstunde« hat die Berliner National-Galerie erworben. Ein Arzt klopft einen halbnackten Jungen ab, während die Mutter ängstlich auf das Ergebnis wartet. Dieses Bild wurde seinerzeit von der jungen Generation viel bewundert und läßt uns auch heute nicht kalt. Eigentümlich aber und ganz sein eigen ist in diesem Bilde schon ein gewisses Betonen der schwarzen Farbstimmungen. Diese Pflege der Schwärze hat der Künstler immer weiter kultiviert; wenn auch seine Motive einfacher und großartiger sich gestalteten, so stimmte er sie doch in solch tiefe Töne, daß diese als sein Eigenstes gerühmt werden müssen. Auf der ersten Sezessionsausstellung in München war von Habermann ein Selbstporträt zu sehen, das ich zu den besten Werken neuer deutscher Kunst rechne; daneben war eine Madonna mit vergoldetem dünnen Heiligenreif am Grabe Christi, ein[27] Schwelgen in Schwarz mit einem leisen Anfing ins Dekorative; auch ein gewisser Einfluß des Symbolismus, wie ihn in Paris die Rosenkreuzer übten, kann festgestellt werden.
Endlich um die wende des alten Jahrhunderts schilderte er nur noch das Weib. In allen Situationen ist es, in all seinen Spielarten, mit all seinen Reizen, in Toiletten oder nackt auf die Heinwand gebannt. Dieselbe präzise Einfachheit, die in den früheren Werken Habermanns zu rühmen war, ist auch in diesen Arbeiten zu finden. Besonders zu konstatieren ist aber, daß er allmählich aus der Stimmung in Schwarz zu leuchtenden und klaren Farben übergegangen ist. Das Bild »Salome mit dem Haupte des Johannes« läßt ihn noch schwarze Klänge anschlagen, aber bereits ist hier ein Umschwung in das Farbenfreudige zu verzeichnen. Dieses Bild errang ihm in der Münchner internationalen Ausstellung am Ende des alten Jahrhunderts die große goldene Medaille. Selten hat diese Auszeichnung einen Würdigeren getroffen. Seine Kollegen zeigten ihm ihre große Verehrung auch in anderen Auszeichnungen, die sie verteilen durften: er ist Ehrenmitglied der Akademie, und als Uhde sein Amt als Präsident der Münchner Sezession niederlegte, wurde Habermann als der neue Präsident einstimmig ge wählt; als solcher führt er den Vorsitz jetzt bereits seit vielen Jahren zur allgemeinen Zufriedenheit der Mitglieder. Der Prinzregent verlieh im seinerzeit den Professortitel, auch erteilte er ihm Hoftitel, die den Aristokraten in dem großen Künstler belohnen sollten.
Habermann ist aber nicht allein nach den hier angeführten Richtungen zu betrachten. Er pflegte zeit seines Lebens auch das Porträtfach, und ebenso ist er der Landschaft gegenüber ein feiner Beobachter gewesen. Ich führte bereits sein schönes Selbstporträt von 1393 an; außer diesem sind andere Porträts zu verzeichnen, die auch zu den Zierden deutscher Malerei zu rechnen sind. Seine Mutter malte er, sowie Bildnisse aus seinem engeren Freundeskreis. Endlich blieben auch die Aufträge nicht aus. Denn es ist ihm ergangen wie allen Individualitäten und Bahnbrechern: sie werden zuerst als Fremdlinge – der allgemeinen Mode entgegengesetzt – vom Publikum unverstanden, bekämpft und verkannt. Dann aber kommt die Zeit des Verständnisses und des Wohlwollens.
Jetzt wird Habermann überall geschätzt, und jeder Mäzen ist stolz, außer seinen Bildern auch Porträts der Angehörigen von seiner Hand gemalt zu besitzen.
Seine Malart ist aus der strengen Schulung des Altmeisterlichen zu einer imposanten Eigenart erwachsen. Seine Pinselführung ist ornamental grandios geworden. Die Formen des Kopfes, der Hände und des Kostüms bauen sich aus einzelnen langgezogenen Farbflächen zusammen, die, mosaikartig aneinandergereiht, in der nötigen Distanz ein abgestimmtes Ganzes bilden. Dazu kommt die nur ihm absolut eigentümliche Farbgebung, so daß seine Werke sofort aus den übrigen Bildern einer Ausstellung als die seinigen zu erkennen sind.
Ein wahrhaft starkes, der Kunst gewidmetes Heben tritt uns in Habermann entgegen. Seine Bilder sind nicht einschmeichelnd, daß sie auf den ersten Blick Gefallen erregen; aber dafür ist ihre Wirkung – einmal begriffen – nachhaltend und bleibend. Das Herbe herrscht auch in seinen kokettesten Frauenschilderungen vor, und der Künstler selbst ist sowohl in seinem Werke als auch über seinem Werke. So wird er in seiner frischen Schaffenslust uns noch manches Neue schenken. Die mit Habermann persönlich zusammentrafen, schätzen und lieben ihn, aber nicht allein als den ernsthaften Künstler, sondern auch als den klugen, geistreichen Menschen, der über den Situationen steht und Witze austeilt und ebenso gern annimmt, wenn nur Geist drin steckt.
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