Bonn, 3. Aug. 1911
Lieber Franz!
Du hättest vor drei Tagen hören sollen, wie das Telephon rasselte. Du hättest sehen sollen, wie mein armes Weib dem schon erschlafften Dienstmädchen den Hörer aus den Fingern löste und ihn auf die Entfernung von einem Meter schaudernd behorchte. Entsetzt sass man in der guten Stube und vernahm das Knattern des Schallbleches: Ist Herr Macke da? – Nein – Warum nicht? – Ja darum nicht! – Aber ich muss ihn sprechen! – Können Sie mir denn nichts bestellen? – Ja, ich muss ihn aber selbst haben, ich warte schon so lange! – Was soll ich ihm denn bestellen? – Gestern Abend ist Fräulein Munter aus München, von der neuen Künstlervereinigung München, die Künstlerin, meine Schwester von der bekannten Münchener Künstlervereinigung angekommen. Wir möchten uns mal treffen ....![62]
Ha –––––––––– a ––– hhhhhh!
Er hat uns Farbentheorien beigebracht. Es war köstlich.
Fräulein Munter ist ganz hervorragend. Ich bin direkt verliebt in sie. Ich glaube übrigens nicht, dass sie eine Schwester ist von ihm.
Es ist sowas Unmögliches, dass ich träumte, es läge ein Verbrechen vor. Wir waren bei uns im Garten zusammen und sprachen von dem Eindruck der Münterschen Sammlung. Ich meinte, Herr Munter wäre ein reizender Mensch, so liebevoll bemüht, so eifrig, in jeder Weise zuvorkommend ....! – Frl. Munter: »Ja, das finde ich auch!« – Ich: »Vielleicht liegt aber gerade in seinem Übereifer etwas, was den Bildern nicht nützt etc.« Sie weiss das. Sie hat einen Brief bekommen von Kandinsky.
Sie ist überhaupt köstlich. Ich möchte mich immer mit ihr unterhalten, aber .... aber – ich trau mich nicht. Der reizende Bruder ist immer mit der Giesskanne in ihrer Nähe.[63]
Von meinen Sachen schien sie einen ganz guten Eindruck zu haben. Ich habe ihr zugeredet, doch all die Leute zu besuchen, und gehe teilweise mit ihr zusammen. Wenn aber ihr Bruder mitreisen sollte, so weiss ich nicht, ob er nicht aus dem Zug fällt.
Nun seid gegrüßt, Ihr Sindelsdörflinger, und schreibt mal,
August und Lisbeth
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