64 [60] Postkarte an Wassily Kandinsky

Berlin, 29.12.1911


L.K., in Eile: gestern Kahle nicht getroffen (trotz Telegramm am frühen Morgen.) Ich schreibe ihm jetzt und bitte Mitte Januar ihn sprechen zu dürfen. Waren heute in der Neuen Sezession: famoser Eindruck. Es scheint mir durchaus nicht richtig, daß wir dort dominieren. Am stärksten wirkten auf uns Sie und Werefkin; Girieuds große Badende (Hochformat) auch famos. Von den andern wunderschön und ernsthaft Kubista; Pechstein, und zu meiner Überraschung Schmidt-Rottluff ganz fein. Nur bei ganz wenigen hatte ich den Eindruck von Schlamperei oder Nicht-Können. Ich versuche jetzt sobald als möglich Kubistas Adresse zu erfahren; er ist etwas im Stil von Kanoldt, aber viel, viel besser; es liegt etwas Rührendes in seinen Bildern. Sehr schön ist auch ein Filla, Prag. Kirchner geht mir z.T. ein; César Klein auch überraschend gut. Ich schreibe noch ausführlicher, wenn ich etwas mehr Übersicht über alles habe. Ich wollte nur schnell meinen ersten Eindruck schreiben. Vor Le Fauconnier bin ich recht unsicher. – Wann und wie lang ist Hartmann in Prag! Er soll doch den Kubista und Filla aufsuchen. Grüße, bald mehr, Ihr F.M.

Wenn Sie die Kataloge noch nicht abgeschickt haben, packen Sie die drei Piperbücher (Zeh etc.) mit bei. Münter hängt und wirkt sehr gut an einer eigenen Wand.

Quelle:
Franz Marc: Briefe, Schriften, Aufzeichnungen. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1989, S. 60.
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