Rom

[137] Als der Vetturin am deutschen Gasthof anhielt, war die Nacht bereits angebrochen, denn die Untersuchung auf der Dogana hatte viel Zeit kostet, und so war nach dem Abendessen keine Zeit mehr auszugehen.[137]

Welch glückseliges Erwachen brachte nun der Morgen! Ich mußte mich einige Augenblicke besinnen, ob ich wirklich wach sei oder vielleicht nur träume, ich wäre in Rom.

Aber es war kein Traum, und so sprang ich mit einem Sage aus dem Bette und lief zum Fenster, um mir den augenscheinlichsten Beweis dieser Tatsache zu verschaffen.

Es war noch ziemlich früh. Die Via Condotti lag noch still und menschenleer im kühlen Morgenschatten; aber am Ausgang derselben leuchtete bereits im goldenen Glanz der Sonne der Pincio mit der Kirche Trinità de' Monti über der spanischen Treppe. Ich kleidete mich rasch an, und das Herz pochte gewaltig in ahnungsvoller Erwartung der Dinge, die da kommen sollten.

Was werde ich hier sehen und erleben? Werden die Rätselfragen an Kunst und Leben für mich eine Lösung finden? – Mein Leben – so hoffte ich – sollte hier Gepräge und Richtung bekommen, und wie wird diese ausfallen? – Und endlich: Wen werde ich von Kunstgenossen, von bekannten und noch unbekannten antreffen? Tausend Empfindungen und Fragen bewegten das Gemüt, und vor allem war ich in gespannter Erwartung, was zunächst Kunst und Natur mich würden schauen lassen, und gleich dem andächtigen Pilgersmann betrat ich den Boden der heiligen Stadt mit dem glückseligen Gefühle, am Ziele jahrelang gehegter Wünsche angelangt zu sein.

Ich eilte hinab. Kaum ein paar Schritte gegangen, gewahrte ich zur Linken das vielgenannte Café Greco, das ich sogleich als erster Morgengast betrat, um meinen Frühstückskaffee einzunehmen und dann meine Wanderung auf gut Glück zu beginnen.

Es dauerte nicht lange, als ein zweiter Gast eintrat, ein schlanker, elastisch einherschreitender junger Mann. Kaum hatten wir uns erblickt, so lagen wir uns in den Armen. Es war die erste bekannte Seele, die ich hier antreffen sollte, der liebe Wagner aus Meiningen. – Er war ausnahmsweise früh ins Café Greco gekommen, weil er einen Brief aus der Heimat erwartet hatte, und diesen auch richtig vorfand. Bekanntlich wurden damals, wie vielleicht noch heute, alle Briefe an die deutschen Künstler hier abgegeben, wo das Päckchen am Büfett zwischen einigen Zuckerbüchsen eingeklemmt zu jedermanns Einsicht seine offene Lagerstätte hatte, selbst Briefe mit Wechseln.[138]

Da die meisten Künstler nach Tische ihren Kaffee hier tranken, wurden sie stets von ihnen durchgesehen und denen, für welche sich Briefe vorfanden, davon Nachricht gegeben. Ich habe während meines dreijährigen Aufenthalts in Rom nie gehört, daß Mißbrauch mit diesem offenen Brieflager gemacht worden wäre.

So saß ich denn seelenvergnügt mit dem so schnell gefundenen Freunde beim Kaffee und erfuhr zugleich, daß bei seiner Wirtin ein Zimmer noch frei sei, wo ich, wenn ich es beziehen wollte, Stubennachbar mit ihm sein würde. Was konnte mir lieber sein als das! Wir stiegen alsbald miteinander die spanische Treppe hinauf und gingen nach der Via Porta Pinciana, einem der höchst gelegenen Punkte des Monte Pincio, in Wagners Wohnung. Sie war im Palazzo Guarnieri, der Villa Malta gegenüber. Die Bewohnerin des dritten Stockes war eine alte, freundliche Witwe, Mariuccia geheißen, bei welcher außer Wagner noch der Hamburger Maler Flor und ein Stralsunder Landschaftsmaler namens Freyburg wohnten. Philipp Veit, welcher bereits verheiratet war, wohnte über uns im vierten Stock.

Das Zimmer, welches ich für mich mietete, war geräumig, hell und billig. Es kostete monatlich drei Scudi. In einigen Stühlen, einem Tisch, einem großen Bett und der römischen dreiarmigen Messinglampe bestand das ganze Mobiliar. Vorhänge waren nicht gebräuchlich, der Fußboden von rotbraunen Fliesen, aber so defekt und locker, wie Tür und Fenster, durch welche die gesunde Luft jederzeit freien Eingang fand, auch wenn sie zu ihrem Einlaß nicht besonders geöffnet waren.

Desto lieblicher war die Aussicht auf ein Gartenplätzchen der Villa Malta mit einer Weinlaube und einigen Orangen- und Limonenbüschen, aus denen die goldenen Früchte leuchteten, und über welches in weiter Ferne der Vatikan mit der mächtigen Peterskuppel sich erhob.

So ließ ich nun meinen Koffer aus dem Gasthofe holen, und ehe es Mittag läutete, war ich in meiner kleinen Wirtschaft eingerichtet und alles fix und fertig.

Nach langer, einsamer Wanderung fühlte ich mich äußerst[139] behaglich, in kürzester Frist ein bescheidenes Daheim und noch dazu einen liebenswürdigen Freund zum Nachbar gefunden zu haben.

Der Mittagstisch im »Lepre« und noch mehr die obskure und höchst ursprüngliche Osteria di Tritone, welche am Abend besucht wurde, machte mich bald mit der jüngeren Generation der Genossen bekannt. Es war hier, wie beim ersten Pfingstfeste, ein Gemisch aller möglichen deutschen Dialekte; man hörte da die Bayern und Schwaben, die Österreicher und Rheinländer, die Norddeutschen, Dänen und Livländer in ihren Zungen reden, und die Landsleute, zahlreich vertreten, glänzten in einigen Prachtexemplaren im pikantesten Sächsisch.

In den ersten Tagen durchstrich ich nun in Wagners Begleitung die interessantesten Teile der Stadt, um mich einigermaßen zu orientieren. Den Korso entlang über das Kapitol wurde zuerst das Campo Vaccino aufgesucht, welches damals für den Altertümler und Touristen etwas weniger, für den Maler und Poeten aber einen um so größeren Eindruck hervorbrachte; denn die Ausgrabungen dieser großartigen Trümmerwelt waren noch spärlich und das ganze Terrain noch in einem urwüchsigen Zustande. Eine andere Richtung führte über die Ponte Sant'Angelo mit der Engelsburg nach dem St. Peter und dem Vatikan.

Die Überfülle all dieser Herrlichkeiten, welche fast betäubend auf Sinn und Gemüt wirkten, machte den Vorschlag Wagners, bei dem wundervollen Herbstwetter einige Tage in der Campagna zu zeichnen, recht annehmbar.

So griffen wir eines schönen Morgens nach unseren Skizzenbüchern und Feldstühlen und gingen nach dem Torre del Quinto hinaus, welcher damals noch nicht zusammengebrochen war, sondern von seinem malerischen Felsen schlank und hoch in die weite Landschaft schaute. Welche wunderbare Stille hier! Schauend und nachzeichnend empfand ich so recht in tiefster Seele die unsägliche Schönheit dieser weiten, einsamen Gefilde, über welchen ein Hauch des tiefsten Friedens schwebt. Die Tiber zog in großen Windungen, von keinem Schiff oder Boot belastet, ihren Wasserspiegel durch die unbebauten Matten, und in zart bewegten Linien hoben und senkten sich rotbraune, sonnverbrannte Hügelketten bis an den Fuß der steilen Sabinerberge, welche in einer Entfernung von sechs und zehn Stunden[140] den Horizont begrenzten. Hie und da stand ein Turm aus dem Mittelalter, ein antikes Grabmal oder andere uralte Trümmer oder eine aufsteigende Rauchsäule in weiter Ferne deutete auf Hirtenfamilien, welche, im Herbst und Winter vom Sabinergebirge herabgekommen, diese schöne Wüste durchzogen und in irgendeiner der vielen Höhlen an den felsigen Abhängen ihre Wohnungen aufgeschlagen hatten.

Daß auf diesen weiten Gefilden eine mehr als zweitausendjährige Geschichte sich abgespielt hat, daß Geschlechter, Völker, Städte hier blühten und wieder verschwanden, und nun nach langen, wechselvollen Kämpfen alles wieder in die Arme der Mutter Natur zurückgesunken, schlummernd, träumend vor uns liegt, gibt dieser Landschaft ihr historisches Gepräge. Über all ihre hohe Formenschönheit ist der Hauch einer sanften Melancholie ausgegossen und somit das schönste Material für künstlerische Gestaltung dargeboten.

Rom ist auch darin vielleicht einzig, daß, sobald man aus seinen Toren tritt, innerhalb welcher ein so großartiges Kulturleben alter und neuer Zeit uns umwogt, außerhalb derselben wir fast unmittelbar in die Einsamkeit einer Wüste, ja in eine Art Urzustand zurückversetzt werden.

Den ganzen Tag saß ich nun, auf das eifrigste bemüht, mit möglichster Genauigkeit den Gang dieser schönen Berg- und Hügellinien wiederzugeben, was indes nur wenig gelingen wollte. Denn mein nordisches Auge erkannte noch nicht genug den zarten und doch so charakteristischen Schwung und Zug dieser Umrisse; auch war ich früher nie darauf hingewiesen worden. Fleißig zeichneten wir so den ganzen Tag, bis der Abend und der Hunger uns an den Rückweg mahnten.

In den folgenden Tagen wurde ich nun mit einigen Landsleuten näher bekannt, unter welchen ich Oehme zuerst nennen muß, weil wir uns beide sehr bald zueinander hingezogen fühlten und eine Freundschaft sich anknüpfte, die das Leben hindurch treu ausgedauert hat. Er war eine feine, poetische Natur, schlicht und herzlich, und bei aller ruhigen Behaglichkeit seines Wesens voll des köstlichsten Humors und Mutterwitzes.

Mancherlei Berührungspunkte hatte es bisher unter uns gegeben, ohne daß wir uns näher gekommen waren. Als vierjähriges Kind hatte[141] er mich, wie er oft scherzend erwähnte, gewartet; denn unsere Mütter waren Hausgenossen und unter sich befreundet gewesen, und er, noch im Kinderkäppchen, hatte verlangt, mich, das Wickelkind, auf den Schoß zu nehmen, wie er es von Mama gesehen hatte. Dann kamen wir auseinander, und später bewunderte ich sein großes Talent für das Komische auf der Bühne und seine ersten ausgestellten Versuche in der Malerei. Hier in Rom entdeckten wir bald, daß ein anderes liebes Geheimnis uns verband; denn er hatte eine Emma, wie ich eine Auguste in der Heimat und im Herzen, beide kannten sich, beide wurden von Pflegeeltern erzogen, welche ebenfalls einander nicht unbekannt waren, und so konnte es nicht fehlen, daß wir uns ebenfalls vertraulich nahe fühlten.

Oehme hatte ein Bild von Grotta Ferrata angefangen, dessen saubere Aufzeichnung auf die Leinwand mich lockte und reizte, möglichst bald meine Kräfte zu erproben.

Indem ich nun zu solcher Absicht meine Skizzenbücher durchsah, entstand in mir ein Bild der jüngst durchwanderten Alpennatur, gewissermaßen ein Zusammenfassen ihrer bedeutendsten Eindrücke, und ich bemühte mich, dies innere Bild äußerlich in einer Skizze zu fixieren. Rasch wurde nun das nötige Material beschafft, Pinsel und Farben gekauft, und in wenig Tagen saß ich glückselig im Schaffensdrange vor meiner aufgespannten Leinwand. Bisher hatte ich ja überhaupt nur ein paar mangelhafte Versuche im Ölmalen gemacht; die neuere Technik, wie ich sie bei Freund Wagner geübt sah, war mir noch ganz fremd, und so war es naheliegend, daß mich zuweilen der Gedanke beängstigte, ich könne mit dem Wagnis, mich an ein so großes Bild gemacht zu haben, ein schmachvolles Fiasko erleiden. Der Gedanke war mir ein entsetzlicher; allein die Luft, die Begeisterung für den Gegenstand und die Freude, einmal eine eigene Idee zur Ausführung zu bringen, überwog doch bei weitem die Befürchtungen; so komponierte und malte ich darauf los und fühlte mich glücklich wie der Fisch, den eine wohltätige Hand in sein Element, in das strömende Wasser, gesetzt hat.

Wagner malte ebenfalls an einem größeren Bilde: Terracina mit dem Monte Circello. Es war mir sehr angenehm, ihn immer unmittelbar in meiner Nähe zu haben und seinen Rat benutzen zu können.[142]

Wir arbeiteten beide sehr fleißig den Tag über und besuchten in den Abendstunden die sogenannte Accademia, wo nach Akten gezeichnet wurde. Der treffliche Passavant hatte mit einigen Freunden diesen Verein eingerichtet, ein geeignetes Lokal gemietet, für Modell und Beleuchtung gesorgt, und jeder Teilnehmende zahlt einige Scudi, mit welchen die Ausgaben gedeckt wurden. Es war eine Lust, diese mannigfaltigen und immer schönen Gestalten nachzeichnen zu können, und denselben Unterschied, welcher mich bei dem Eintritt in Italien in den landschaftlichen Naturformen entzückte (Gebirgs- und Terrainbildung), sah ich jetzt auch an der menschlichen Gestalt; eine Schönheit der Verhältnisse und feinste Ausbildung der einzelnen Teile, wie ich sie in der Heimat nur selten gefunden hatte. Aber ein ebenso großer Unterschied ergab sich auch in der Art, wie hier das Modellzeichnen behandelt wurde. Daheim wurde eine solche Figur immer in eine gewisse manierierte Schablone gebracht; es fehlte der Respekt vor der Natur und ihren konsequenten Bildungen; man setzte dafür ein allgemeines, ich möchte sagen: eine abstrakte Menschengestalt, an deren wirkliche Existenz man nicht zu glauben genötigt war. Es war eben ein Mensch, und ein recht manierierter Mensch dazu, aber nicht der Hans oder Ambrosio, der Peter oder Cecco, der dem Zeichner gesessen hatte.

Hier zeichnete man mit der größten Sorgfalt, mit unendlichem Fleiß und Strenge in der Auffassung der Individualität, so daß diese Zeichnungen oft kleine Kunstwerke wurden, an denen jeder seine Freude haben konnte; denn es war eben ein Stück schöner Natur!

Nachdem man sich hier noch ein paar Stunden wacker angestrengt und damit das Tagewerk geschlossen war, eilte man einer Trattoria oder Osteria zu.

Unsere allabendliche Osteria hieß il Tritone, ohnweit der Piazza Barberini, wo ein Triton im Bassin das Wasser aus dem Horne bläst. Da man in einer solchen Schenke nur Wein und Brot, aber keine Speisen haben kann, so wurde unterwegs vom Pizzicarole schnell etwas Schinken, Wurst oder Käse mitgenommen, oder an einer Straßenecke bei einem Kastanienröster die Taschen mit den heißen Kastanien gefüllt, was denn mit dem vortrefflichen Velletriwein ein bescheidenes Abendessen gab. Hier wurden nun mit Scherz und gutem[143] Humor die Tagesereignisse in der Künstlergemeinde, die Arbeiten und sonstigen Vorkommnisse besprochen, und die im Schwange gehenden Kunstansichten ausgesprochen und pro und contra durchgefochten, wie das in solchen geschlossenen Kreisen hergebracht ist.

Mir, dem Novizen, in den neugewonnenen Kunstanschauungen noch wenig Eingeweihten, war dies besonders nützlich und anregend. Der Staub akademischer Antikensäle, wie der Kram blasser Kunstregeln und Maximen, wie ich sie von Kindesbeinen an eingesogen und mit Mühe geübt hatte, war hier abgetan und über Bord geworfen. Daheim lagerte noch frostige Winterkälte auf den absterbenden Kunstgefilden, und nur einzelne Zeichen waren es, die mich an einen kommenden Frühling mahnen konnten. Auf meiner Wanderschaft nach Rom hatten sich Stimmen und Zeichen gemehrt: Schlegels und Wackenroders Schriften in Innsbruck, Girolamo dai Libri in Verona, endlich die köstlichen alten Florentiner!

Hier in Rom, das sah ich, war der herrlichste Frühling angebrochen und im vollen Zuge! In der ganzen Künstlerschar deutscher Zunge, die hier sich zusammengefunden hatte, wogte und waltete ein Strom der Begeisterung, der nach einem gemeinsamen Ziele hindrängte, und dem keiner sich entziehen wollte noch konnte; an diesem »neuen Leben«, diesem Frühlingswehen, nahm ein jeder teil nach dem Maßstab seiner Kräfte; es blühte eben das edelste wie das schwächste Kraut!

Die früher verschmähten, ja fast verschollenen großen Maler der vorraffaelischen Zeit waren jetzt erkannt, bewundert und fleißig studiert, und in ihrem großen, stilvollen, strengen Sinn suchte man die Natur zu erfassen, ja, es war recht eigentlich, nachdem der Zopf überwunden, eine Rückkehr zur Naturwahrheit (nicht ihre Wirklichkeit) eine Wiedergeburt aus dem Geiste der ältesten großen Kunst.

Wie in Straßburg Goethe der erste war, dem zu guter Stunde die jugendlichen Augen aufgetan wurden, den Geist Erwins von Steinbach in seinem Riesenwerke zu erkennen, während seine Zeit ohne Verständnis daran vorüberging, ja es als »barbarisch« bezeichnet hatte, also erging es auch mit den großen deutschen Malerwerken, vom Kölner Dombilde bis zu Dürers köstlichen Schöpfungen, die man als »gotisch« belächelte, und höchstens die mühsame Arbeit[144] bewundert hatte, bis Friedrich Schlegel in seinem Buche über »christliche Kunst« auch diesen Geist erschloß, den tiefinnigen und sinnigen, den deutschen und christlichen, welcher in diesen Bildern lebt. Und gut deutsch und ehrlich fromm wollten alle diejenigen jungen Künstler auch sein, in denen ein edlerer Geist lebte. Vaterland und Glaube, irdische und himmlische Heimat waren die beiden Pole, inmitten derer sich das gesunde Leben bewegte; in dem einen wurzelte das Gemüt, nach dem anderen strebte der Geist.

Unter dieser jungen Schar gab es nun freilich manche, die im Äußerlichen hängen blieben, andere, welche diese Anschauungen in ein solches Extrem trieben, daß der Torheit Tür und Tor geöffnet war. So sahen z.B. manche in Raffael schon den Abfall von der wahren Kunst und ließen nur seine Jugendwerke gelten; auch hörte man öfter den Grundsatz aufstellen, es müssen die verschiedenen Fächer in der Malerei aufhören und nur eine, die Historienmalerei alles in sich aufnehmen, Landschaft, Genre, Porträt, wie Blumen- und Fruchtmalerei usw.

Man kann sich denken, wie schmollend einige Alte, welche noch aus Asmus Carstens' Zeit stammten und ganz in Antike aufgegangen waren, dieses Treiben und Übertreiben ansahen. Die alten, biederen Heiden mußten das Nazarenerwesen hassen in seinen Spitzen und verachten in seinen törichten Extravaganzen, zumal sie Christentum von Pfaffentum nicht zu unterscheiden vermochten, sondern es für ein und dasselbe zu halten schienen.

Zuweilen besuchte ich – und meist mit Wagner – eine der älteren Künstlergrößen, so den alten Reinhart, den ich ja aus seinen schönen Radierungen längst kannte und bewundert hatte. Daß er mit der neuen Kunstrichtung nicht sympathisierte, wußten wir; doch nahm er uns freundlich auf und zeigte namentlich in früherer Zeit gemachte Ölstudien aus dem Park Chigi, die meisterhaft gemacht waren. Das sehr große Arbeitszimmer stand voll Tischen, und diese waren mit Mappen, Rollen, Studien, Bildern und Gipsen belastet, und über andere Blätter, welche auf dem Boden lagen, mußte man hinwegsteigen. Am meisten imponierte mir seine Erscheinung selbst. Eine große, etwas hagere aber kräftige Gestalt mit den ernsten, männlichen Zügen, sah man ihm den gegen Wind und Wetter abgehärteten Jäger[145] und Landschaftsmaler an. Die Züge geistreich und edel, in seinem Benehmen ruhig und sicher, habe ich den Mann noch mehr bewundert oder mich seiner erfreut, als der Bilder, die nicht mit dem beliebten spitzen Bleistift gemacht waren, sondern breit, derb, obwohl mit etwas Manier.

In demselben Hause mit ihm wohnte ein anderes altes Haupt, der, aus der Sturm- und Drangperiode kommend, die neue Richtung in sich aufgenommen und auf eigene Weise verarbeitet hatte. Das war der alte, liebe Meister Koch.

Da standen im Vorsaal seine fertigen Bilder, eine große, schöne Komposition von Tivoli, der herrliche Schmadribach und einige andere. An der Wand hing eine Untermalung der fünf klugen Jungfrauen von Cornelius, das einzige Bild, was ich bisher von ihm gesehen hatte.

Diese Bilder sah ich während der drei Winter, die ich in Rom zubrachte, auf derselben Stelle stehen, es fanden sich keine Käufer dafür, während z.B. die leichter verständlichen Veduten Catels auf Abnehmer nicht zu warten brauchten, was denn des »Alten« satirische Laune gewaltig aufstachelte, und dann in sehr pikanter Weise über Vedutenmalerei, kunstliebende Forestieri und Lohnbediente deklamiert wurde.

Unter diesen Bildern fesselte mich besonders das herrliche Alpenbild, der Schmadribach, durch großartige poetische Auffassung. Wie der mächtige Gießbach aus von Wolken umgürteten Schneebergen herabstürzt, aus dem dunklen Tannenwalde hervorschäumt, und wie besonders im Vorgrunde die tobende Eile der wilden Wellen, die sich über Stämme und Steine wälzen, ausgedrückt war, das entzückte mich über die Maßen! Das Hirtenbüblein mit seinem Alphorn, das so ruhig, fast wie verloren, in dieser großen Natur mit seinen paar Geißen dasteht und dem Sturm und Brausen des Baches zusieht, ist so recht köstlich hineingedacht. Die »Tännle« hatte ihm der geniale, leider etwas verwilderte Hieronymus Heß aus Basel gemalt und mit Hirsch und Reh, mit Füchslein und wilden Tauben bevölkert.

In dem geräumigen, ganz einfach ausgestatteten Atelier saß Meister Koch vor seiner Staffelei und malte an einer Landschaft, deren Motiv aus Olevano genommen war. Er schaute nur ein paar[146] Minuten bei der Begrüßung nach uns auf und richtete alsbald die Frage an mich, ob ich durch Tirol gekommen sei, und ließ sich davon erzählen. Er malte eben an einer Figurengruppe: Olevaneser, die sich im Grünen mit Tanz, Gesang und Wein erlustigen. »Es muß hier luschtig zugehe! Jawohl, luschtig, wie bei der Hochzeit des Camacho! Das will ich auch einmal male – ein stupender Gegenstand!« und nun fing er an, das Bild, welches in seiner Phantasie sich aufbaute, zu beschreiben: die heitere Landschaft, die tanzenden Nymphen und Schäfer, der reiche Camacho mit seiner schönen Braut, und endlich die Köche, welche in großen Kesseln am Feuer die Speisen herrichten, umgeben von einer Fülle von Wildpret und Geflügel, Früchten und Weinschläuchen, und den schmausenden Sancho mit seinem ernsten zuschauenden Herrn.

Der Alte wurde ganz lebendig bei dieser Vorstellung und passte dabei – immer fortmalend – in sein erloschenes Pfeifchen, aus welchem sich jedesmal eine kleine Ascheneruption erhob, die zum Teil mit vermalt wurde.

In seiner begeisterten Beschreibung war er schon einigemal durch einen rücksichtslosen Floh gestört worden, der in einem seiner Strümpfe sein Wesen trieb. Plötzlich erwischte er ihn, brachte ihn auf ein neben ihm liegendes Tamburin und machte ein höchst lustiges Gesicht bei dem musikalischen Knalleffekt, den der Knick hervorbrachte, mit welchem er den kleinen Räuber exekutierte. – Schon vorher hatte ich über den Zweck des Tamburins gesonnen, da ich mir nicht denken konnte, daß der Alte etwa in einer Arbeitspause zu seinem Vergnügen auf dieser Schellentrommel pauken sollte, obwohl auch dies nicht als völlig unverträglich mit seinem Wesen schien; denn er war voll wunderlicher Schrullen und Schnurrpfeifereien.

Ich kann mich nicht erinnern, daß ich ihn jemals anders, als vor seiner Staffelei sitzend, angetroffen hätte, so oft ich ihn auch später besuchte; denn er war sehr fleißig und die Arbeit seine Lust. Sobald es Abend wurde und er genötigt war, Pinsel und Palette wegzulegen, putzte er beides erst sauber, rieb sich noch einige Farben sein und setzte die Palette für den anderen Morgen in besten Stand. Durch Besuche ließ er sich niemals im Arbeiten stören, sondern malte ohne Unterbrechung fort.[147]

Nachdem er mich einst gegen Abend besucht und mein angefangenes Bild gesehen hatte, nahm er großen Anteil an mir und meiner Arbeit, und ein herzlicher Verkehr entspann sich zwischen uns von da an, wodurch ich sehr gefördert wurde.

Bei der Komposition meines Alpenbildes (der Watzmann) hatte ich mich mehr durch interessante Einzelheiten, als durch klare, schön gegliederte Anordnung bestimmen lassen, (wodurch sich Kochs Bilder so vorteilhaft auszeichneten), und er gab mir deshalb den Rat, meine Bilder künftighin nicht in voller Größe auf ihrer Leinwand zu entwerfen, sondern dieselben auf ein Quartblatt zu zeichnen, wodurch ich genötigt sein würde, vom einzelnen abzusehen und auf gute Verteilung und schöne Linienführung zu achten; denn das Ganze muß eher da sein, als die Teile, es ist das Erste und Ursprüngliche, und das einzelne muß sich erst daraus entwickeln. Das ist naturgemäß, und so schafft das Genie, auch ohne das Gesetz zu kennen.


Zu den älteren Landschaftsmalern gehörte auch der tüchtige Herr von Rhoden aus Kassel. Ein Bild, die Cascade von Tivoli, beschäftigte ihn schon seit anderthalb Jahren und war noch nicht weit vorgerückt, denn er malte überaus langsam und sorgfältig. Auffallend war mir der Unterschied, welcher sich in seiner Persönlichkeit und seiner Arbeit kundgab. Der kleine, robuste, in Sprache und Gebärde so höchst lebendige Mann war wenig produktiv, träg und langsam bei der Arbeit. Seine Malerei, bestimmt in der Zeichnung, sonnig und klar in der Farbe, hatte etwas Trockenes, Glattes, fast Philiströses, welches sich mit seinem feurigen, gutmütig polternden Wesen nicht recht in Einklang bringen ließ.

Fast scheint es, daß da, wo inneres Erregtsein fortwährend nach außen hin verpufft, es zu einer Ansammlung im Innern nicht kommen kann und die geistige Produktivität geschwächt wird. Wohl jeder Künstler hat schon das Gefühl gehabt, daß er über eine Idee, die noch nicht reif war, eine Komposition, die äußerlich noch nicht festgestellt ist, sich nicht ungestraft lang und breit aussprechen darf. Viel Redens darüber kühlt die Empfindung und mindert die Kraft des plastischen Hervorbringens; ja schließlich verliert man leicht die Luft, sich weiter damit zu beschäftigen.[148]

Rhoden gehörte zu den Nimrods der Campagna, wodurch ebenfalls viel Zeit verloren ging. Die meisten dieser Jäger verloren die Luft zur Arbeit oft für lange Zeit. Man kann sich aber vorstellen, daß dieses tagelange Herumstreifen in der einsamen Campagna einen großen, ja poetischen Reiz haben mochte; die Bewegung in der milden Luft, die kleinen Jagdabenteuer, das Knallen auf eine unschuldige Lerche, Wachtel oder Schnepfe, das mochte dem Hocken vor der Staffelei und mühsamen Pinseln wohl öfters vorzuziehen sein.

Rhoden hatte eine Römerin zur Frau und war katholisch geworden. Er war von allen als Künstler und Mensch geachtet und geliebt.

Ein anderer liebenswürdiger Maler war Reinhold, aus Gera gebürtig; er hat wenig Bilder gemalt, aber ganz vortreffliche Naturstudien gezeichnet und in Öl gemalt. Ich besuchte ihn oft, um diese Sachen zu sehen und daraus zu lernen. Reinhold war mit Klein und Erhard in Rom nahe befreundet gewesen und bewohnte dasselbe Zimmer, in welchem sich der arme unglückliche Erhard erschossen hatte. Erhard litt an Melancholie, welche sich oft bis zum Unerträglichen steigerte, und verzagte in solcher Stimmung gänzlich an seinem Talente. Ich glaube auch, daß sich die italienische Natur für seine künstlerische Eigentümlichkeit nicht eignete.

Noch drei andere Landschaftsmaler aus diesem Kreise lebten in Rom: der alte, liebe Faber aus Hamburg und der Aquarellmaler Welker, Kleins Reisegefährte, endlich der Schlesier Grospietsch, welcher sechs den Sammlern bekannte Blätter nach Kochs Naturzeichnungen und mehreres eigener Komposition radiert hat.

Noch muß ich hier zweier Künstler gedenken, deren Arbeiten mich aufs tiefste berührten. Es waren der Heidelberger Karl Fohr und Horny aus Weimar. Beide waren im Beginn ihrer Laufbahn gestorben, Fohr ertrank 1818 in der Tiber, und Horny starb in Rom im darauffolgenden Jahre. Ihr Andenken lebte noch warm in den Genossen, und die Naturstudien wie Kompositionen, welche sich noch im Besitz ihrer Freunde vorfanden, versetzten mich in einen Rausch der Begeisterung, und insbesondere war das bei Fohr der Fall. Man darf aber auch nur sein schönes, von Amsler gestochenes Bildnis betrachten und in diese tiefen, seelenvollen Augen sehen, um das poesievolle Künstlerherz zu erkennen.[149]

Frühere, noch in Deutschland gemachte Naturstudien zeigen eine so feine, liebevolle Beobachtung der Natur und manierlose, naive Darstellung, daß, als diese Eigenschaften mit einem großen Stilgefühl sich verbanden, die reizvollsten Sachen entstehen mußten. Welker besaß von ihm ein Skizzenbuch, welches ihn wahrscheinlich ins Albanergebirge begleitet hatte, und das eine Menge der lebendigsten Volksgruppen, bald gelagert im Walde, oder wandernd mit dem Esel, Ziegen oder Schweinen, dargestellt enthielt.

Eine große Tuschzeichnung Fohrs sah ich bei Passavant: ein Sonntag in Tirol. Die Burgleute kommen durch den Buchenwald zur alten Kapelle herab, um die Messe zu hören. Weiter Blick in das großartige Gebirgstal. – Das alte Schlößchen Hirschborn am Neckar, mit dem Falken in der blühenden Heide ganz im Vorgrund; eine wundervolle Zeichnung voll poetischen Naturlebens, wie ein altes Volkslied.

Eine Tirolerlandschaft, mit der Feder und aquarelliert. Vorn schreitet ein Bursch mit seinem Mädchen (prächtige Gestalten) mit einem Buben, welcher auf der Flöte bläst, einem Dorfe zu. Es ist unmittelbar nach der Natur gezeichnet und doch so groß und schön zum völligen Bilde gestaltet und abgerundet. – Einige überaus schön gemachter Waldlandschaften, eine deutsche und eine von Ariccia.

Ein Studienblatt war mir besonders interessant: eine mit verschiedenartigem Buschwerk bewachsene Felswand, an deren Fuß in der Tiefe ein Bach sich zwischen Gestein hindurchdrängt und dadurch ganz eigentümliche Ringe und Strudel zieht, was mit besonderem Fleiße charakterisiert ist. Es war mir jedesmal, als höre man da unten zwischen Fels und Büschen das unheimliche Gurgeln, Rauschen und Plätschern solchen Wassers herauftönen, Klänge und Töne, welche oftmals dem einsam Wandernden wie schwatzende Menschenstimmen klingen. Ihn hatten jedenfalls diese wunderlichen Wasserwirbel zur genauen Nachbildung angezogen im Gedanken an das Nibelungenlied, mit dem er sich so vorzugsweise beschäftigte. Seine letzte Zeichnung stellte vor: wie Hagen die Wassernixen befragt. Er machte dieselbe für Frau von Humboldt. Ermüdet von der Arbeit, geht er nach der Tiber, sich zu baden, und sie zogen ihn da wirklich hinab, die unheimlichen Wassergeister, den Zweiundzwanzigjährigen.[150]

Nach meinem Gefühle hätte er der Landschaftsmalerei eine neue, höchste Richtung geben können: die Elemente dazu waren vollständig vorhanden.

Anders als Fohr war Horny. Höchst originell, eine großartige, strenge, ja herbe Auffassung und Behandlung liebend, studierte er meist in den sterilen Bergen von Olevano und Civitella.


Neben meiner Wohn- und Arbeitsstube war ein kleiner Saal, welcher von Flor auf Anregen der jüngeren Kunstgemeinde alle vierzehn Tage zu einer abendlichen Zusammenkunft eingerichtet wurde, zu einer »Allegria«, wie Frau Mariuccia sagte. Eine lange Tafel in der Mitte und auf derselben ein Fäßchen guten Velletriweins, zwei dreiflammige, römische Lampen und ein Dutzend Stühle waren die ganze Ausrüstung zum Empfang von einigen zwanzig Personen. Ein jeder brachte sich seinen bescheidenen Abendimbiß in Weinblätter eingewickelt mit und zapfte sich nach Bedürfnis seinen Trunk aus der Tonne. Thorwaldsen, Veit, Koch und Rhoden besuchten öfter diesen Verein und freuten sich mit den Fröhlichen. Thorwaldsen, seine Zigarre rauchend, sprach wenig, war aber mit lebendigstem Anteil bei den Gesprächen und Scherzen und befand sich höchst behaglich. Koch las einigemal aus des Paters Abraham a Santa Clara »Judas, der verfluchte Erzschelm« höchst humoristische Partien vor und erregte allgemeines Ergötzen damit. Besonders gut klang sein Vortrag des Nibelungenliedes in der Ursprache, was ihm durch seinen Tiroler Dialekt erleichtert wurde. Das Erhabene, Gewaltige, Große war sein Element, deshalb Sophokles, Äschylus oder das Buch Hiob seine Lieblinge, die ihn erfaßten und zur Begeisterung fortrissen. Goethe zog ihn weniger. Mit Hermann und Dorothea war er durchaus nicht zufrieden; der Hermann sei ein Philister, tue ja nix. Ein episches Gedicht müsse »Heroe« handeln lassen usw.

An solchen Abenden überglänzte Oehmes Talent für komische Darstellung alles andere bei weitem, und wenn er seinen sentimentalen Handwerksburschen, den Bruder Breslauer, die in Dresden erlebten Abenteuer erzählen ließ, oder den Neujahrswunsch eines stotternden, etwas einfältigen Jungen hersagte, oder anderes dieser Art zum besten gab, dann erscholl ein homerisches Gelächter, Thorwaldsen schütterte[151] minutenlang vor recht herzlichem Lachen, und Koch meinte: »Warum wird der Oehme nicht Schauspieler? Er würde der größte Komiker!« Seine Bilder liebte Koch nicht besonders; das Zarte, Duftige derselben, manchmal ans Sentimentale Streifende, war nicht nach Kochs Geschmack.

Es lag bei Oehme das Komische nicht sowohl in dem Charakteristischen und Witzigen dessen, was er sprach, sondern, daß er fast ohne alle Hilfsmittel eine Persönlichkeit so vollständig in Haltung, Miene, Bewegung und Sprache darzustellen vermochte, und dadurch ein kleines Kunstwerk hervorzauberte, welches zu heiterster Laune, ja zum lauten Jubel fortriß.

So waren diese Abende eine köstliche Erfrischung nach den Arbeitstagen, welche ich fleißig vor meiner Staffelei zugebracht und mich oft recht schwer an meinem Watzmann abgemüht hatte. Das Verzagen trat öfter nahe genug; aber die Anregungen, welche Geselligkeit, Kunst und Natur auf Tritt und Schritt darboten, gaben dem Leben einen Schwung und förderten einen so heiteren Mut, daß ich mich durch keine Schwierigkeit abschrecken ließ.

Die winterliche Jahreszeit neigte sich zu Ende und mit Wagner hatte ich schon einen Plan für den Sommeraufenthalt entworfen. Das Albanergebirge lag uns zunächst im Sinn, und wir lenkten unsere Schritte, wenn wir unsere Abendpromenade machten, gewöhnlich nach dem Lateran, wo das herrliche Gebirge mit seinen im Abendgolde glänzenden Städtchen, Flecken und Klöstern ausgebreitet vor uns lag und unsere Sehnsucht immer neu erregte. Aber vorher mußte das Bild vollendet dastehen, das bisher außer Freund Wagner (und im Anfang Koch) noch niemand gesehen hatte; und als dann endlich die letzten Pinselstriche daran gemacht und mit befriedigtem Gefühl der Name darauf gesetzt war, stellte ich es in meinem Zimmer aus. Koch war einer der ersten, der es mit lebendigem Anteil betrachtete und seine Freude darüber äußerte. Begegneten ihm jetzt Bekannte auf der Straße, so wurden sie von ihm angehalten und, indem er mit seinem dicken Stock auf den Boden stampfte, befragt: »Habe Sie das Bild von Richter gesehe? Gehe Sie hin, das müsse Sie sich anschaue, 's ist ein braves Bild!«, und so kam einer um den andern, und namentlich die Landsleute fanden sich überrascht durch Art und Weise[152] der Darstellung; denn sie kannten mich bisher nur als einen Vedutenradierer aus der verpönten Schule Zinggs. Auch in andere Kreise mußte ein günstiges Urteil über die Arbeit gedrungen sein; denn es besuchten mich auch Bunsen mit Familie, Plattner und Baron von Reden, der Hannoversche Gesandte, welche geistvollen Männer stets ein lebhaftes Interesse den neuen Kunstbestrebungen zugewendet hatte.

Von ganz besonderem Werte war mir aber der Besuch Schnorrs, welcher von jetzt an freundlich und endlich auch freundschaftlich mir, seinem jungen Landsmann (ich war an Jahren der Jüngste unter den deutschen Künstlern in Rom, das Nesthäkchen der ganzen Gemeinde), entgegenkam. Ich fühlte mich gehoben und glücklich durch sein Lob und seine mir geschenkte Zuneigung; denn zu ihm sahen wir ja alle mit Verehrung hinauf, als zu einem der Ersten und Besten. Wenn mir bisher Kochs Einfluß von Bedeutung gewesen war, so trat nun auch der Schnorrs dazu, dessen Persönlichkeit und Geistesrichtung mich noch inniger berührten, weil ich mich dieser nach meiner innersten Natur verwandter fühlte. Kochs Kunstart suchte mehr das Große, Gewaltige in pathetischen Formen auszudrücken, und obgleich ich dies gar wohl nachempfinden, ja davon entzückt werden konnte, so erwuchs solches doch weniger auf meinem eigenen Grund und Boden, wogegen die Schönheit, Anmut, die blühende Phantasie, der ganze Zauber der Romantik, der damals in Schnorrs Schöpfungen waltete, gerade das Element war, in welchem auch meine Vorstellungen sich mit Lust bewegten. So wurde ich angezogen von allem, was der eigenen Natur entsprach, und zog ebenso aus allem, was mich berührte, das Gleichartige oder sympathisch Verwandte, so weit das Maß der Kräfte mir gegeben war; deshalb konnte ich meinen eignen Weg getreu verfolgen, ohne durch eigene oder fremde Theorien abgelenkt zu werden.

Indes mußte der begonnene freundschaftliche Verkehr bald unterbrochen werden, weil sich die Zeit genähert hatte, wo ich mit anderen aufs Land gehen und Studien machen wollte. Das Herz schlug mir vor Wonne, wenn ich daran dachte, und als mein Bild eingepackt und dem Spediteur zur Absendung nach Dresden übergeben war, bestellte Wagner für Oehme und mich einen Wagen, und wir drei fuhren, mit unserem Zeichen- und Malgerät wohl ausgerüstet, voller Jubel zum Tore hinaus.[153]

Quelle:
Richter, Ludwig: Lebenserinnerungen eines deutschen Malers. Berlin [1923], S. 137-154.
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