Araneus

[80] Araneus.

Araneus. Aranea.

frantzösisch, Araignée, ou Aragne.

teutsch, die Spinne, der Rancker.

Ist ein sattsam bekanntes Gewürme, welches für giftig gehalten wird; ist es aber nicht. Es giebet ihrer allerhand Gattungen, welche an Gestalt und Farbe von einander unterschieden sind: einige sind dick, andre dünn und klein, etliche groß und breit, andre kurtz: der Farbe nach sind etliche grau, etliche braun, einige gelb, andere grün, weiß, schwartz, bunt oder sprenglicht. Noch können sie auch nach dem Orte ihres Aufenthalts und Wohnung unterschieden werden; z.E. in Gärten und in Höltzern, in Baumlöchern, und auf den Gewächsen und Kräutern, in den Ecken und Winckeln der Fenster und Bögen, oder an den Decken in Gebäuden und andern Orten, die vor Wind und Regen frey und sicher liegen. Es wird nicht undienlich seyn hierbey die Eintheilung der Spinnen anzuführen, welche der Herr Bon, Premier President de la Chambre des Comptes zu Montpellier und Associé honoraire de l'Academie des Sciences in eben derselben Stadt, in seiner netten und gelehrten Rede hat gegeben, die er im Jahr 1709. bey Eröffnung erwähnter Academie gehalten, und hernach im Druck ausgehen lassen. Dieser vortreffliche Academicus theilet die Spinnen in zwey Haupt-Geschlechte ein, in langbeinichte und kurtzbeinichte: und allhier folget ein kurtzer Auszug seiner Rede, so nicht allein sehr curieux, sondern auch gar nützlich ist.

Dieses Gewürme wird in zwey Theil getheilet: der erste ist, ein harter, schupigter und gantz raucher Knopf, der begreiffet den Kopf und die Brust, daran acht Beine hängen, welche sehr nette sechs Gelencke haben: noch haben sie zwey andere Füsse, die möchte[80] man ihre Arme nennen, und zwey Zangen mit zwey Klauen, welche krumm sind, und zu Ende des Kopfes mit ihren Gelencken angehencket sind; damit tödten sie die Mücken und ander Gewürm, das sie verzehren wollen, indem der Mund gerade drunter steht: sie haben auch an iedem Beine zwey kleine Klauen, und etwas schwammichtes zwischen zwey kleinen Muscheln, sonder zweiffel zu dem Ende, damit sie auch über glatte Dinge behende lauffen können.

Der andere Theil des Spinnencörpers hängt nur vermittelst eines kleinen Fadens an dem ersten, und ist blos mit einer gantz dünnen Haut überzogen, auf welcher ein gantzer Hauffen allerhand farbiger Haare zu befinden: er begreifft den Rücken, den Bauch, die Geburtsglieder und den Arsch.

Der Arsch ist derjenige Ort, daraus die Spinnen ihren Faden ziehen: um denselbigen herum stehen fünff kleine Wärtzlein, die solte man für soviel Löchlein halten, dadurch der Faden muß gezogen werden. Diese Wärtzlein haben ihre Mäuslein und darunter eines, das sie zusammen ziehet; so sind auch annoch deren zwey ein wenig hineinwärts zu sehen, und mitten zwischen heraus gehen viel Fäden, bald mehr, bald weniger. Deren wissen sich die Spinnen auf eine gantz besondere Weise und mechanische Art zu bedienen, wann sie von einem Ort zum andern wollen: sie hängen sich an einen dererselben und richten den Kopf nach dem Winde. Viel andere lassen sie aus ihrem Arsche fahren, die fliegen als wie Dräte herum: wann dann der Wind, der sie immer länger und länger ziehet, sie von ohngefehr an etwas veste macht, so empfinden sie es alsofort durch dessen wiederstreben, indem sie fort für fort mit ihren Füssen an diesen Fäden ziehen, und bedienen sich also dieser Brücke dahin zu kommen, allwo der Faden sich hat angehänget. Wann aber die Fäden nichts antreffen, daran sie sich anhängen können, so lassen sie immer noch mehr Fäden fahren, bis daß die Länge dererselben und die Macht des Windes, der dieselben treibt, die Schwere ihres Leibes überwieget, und sie verspüren, daß sie mit Macht gezogen werden. Sodann reissen sie den ersten Faden, an den sie sich haben gehangē, entzwey, und lassen sich durch den Wind hintreiben, wo derselbe will, schweben also auf dem Rücken, in der Luft, und sperren die Beine von einander. Auf diese beyden Arten kommen sie über die Wege, über die grösten Strassen, und über die Flüsse. Die Fäden lassen sich gantz leichtlich haspeln, oder auf einander winden, wann sie etwan eines Fusses lang sind, ob es schon scheinet, als wenn nur ein Faden wäre: wie dann der Herr Bon versichert, daß er ihrer bis auf zwantzig von einander gesondert habe, wann sie sind aus dem Loch gekommen. Das ist noch etwas gantz besonders dran, daß dieser Wurm den Faden so gar leicht auf alle Seiten weiß zu wenden; und das geschicht, vermittelst der so vielen Ringelein, die daran an einander treffen, welche ihnen auch hauptsächlich nöthig sind, daß sie die Fäden spinnen können; deren es zwey Sorten bey dem Weiblein giebt; wiewol der Herr Bon meinet, es sey dieses Gewürme Zwitterart, indem er iedesmahl bey den Spinnen, welche Eyer legen, die Zeichen männlichen Geschlechts angetroffen.

Der erste Faden, den die Spinnen spinnen, ist gar schwach, und dienet nur zu ihrem Netze, darinne sich[81] die Fliegen fangen. Der andere ist um ein gutes stärcker als der erste, darein verwickeln sie die Eyer, die dann vor Frost und vor den Würmen sicher sind, die sie sonst fressen möchten. Diese letztern Fäden sind gantz linde um die Eyerlein herum gezogen, und haben die Gestalt als wie die Häuslein von den Seidenwürmern, wann man sie zugerichtet und mit den Fingern weich gemachet hat, damit man sie auf eine Spindel winden möge. Die Eyerlein der Spinnen sehen, wann sie annoch frisch sind, weiß, und werden schwärtzlicht, wann sie eine zeitlang an der Luft gelegen haben. Vielleicht möchte man auch solche Spinnenhäuslein finden, die von mehr als einer Farbe und von bessern Faden sind, insonderheit von den Tarantulen: nur daß die Seltsamkeit die Probe zu beschwerlich machen dürffte: deshalben man sich nur zu den gemeinen Spinnen halten muß, die kurtze Beine haben, und sich an solchen Orten finden lassen, die frey vom Winde und vom Regen sind, als wie in Languedoc, Provence und Italien. Doch in America, auf S. Domingo finden sich die Spinnen, welche einen guten Faden oder Seide geben, in grösserer Menge. Der Herr Bon hat eine grosse Menge dieser Häuslein in Languedoc zusammen suchen lassen, und Wege und Mittel gefunden, Seide von Spinnen zu bereiten, welche der gemeinen Seide an Schönheit nichts nachgiebt, und alle Farben gern annimmt, wie dann auch Zeuge draus verfertigt werden können, inmassen Strümpfe und Handschuhe draus gemachet worden, welche wir zu Paris gesehen und in Händen gehabt.

Wie die Seide von Spinnen zuzurichten.

Nachdem man zwölff bis dreyzehn Untzen Spinnenhäuslein zusammen gebracht hatte, ließ Herr Bon dieselbigen eine zeitlang mit der Hand und einem Stäblein wol zerschlagen, damit der Staub heraus käme, hernach wurden sie so lang mit laulichtem Wasser gewaschen, bis das Wasser nicht mehr trübe wurde. Darauf legte man sie in ein Geschirr mit Wasser, darinne Seiffe, Salpeter und etwas arabisches Gummi zerlassen worden, und ließ alles zusammen zwey bis drey Stunden lang, bey einem gantz geringem Feuer kochen, alsdann wusch man die Häuslein alle wiederum mit laulichtem Wasser aus, damit die Seiffe reine wieder davon käme. Nach diesem wurden sie getreuget, zwischen den Fingern etwas gerieben, damit sie desto besser sich kardätschen liessen, doch musten die Kardätschen zu der Spinnenseide ein gut Theil feiner seyn: durch solches Mittel überkam man eine Seide von einer gantz besondern grauen Farbe, die sich gantz leichte spinnen liesse: der Faden ist gar viel feiner und viel stärcker, weder der von der gemeinen Seide.

Die gröste Schwierigkeit besteht darinne, daß man eine trefflich grosse Menge Spinnenhäuslein haben muß, wann etwas rechtes soll bereitet werden. Herr Bon hat Proben angestellt, um dadurch zu erweisen, wie daß die Spinnen, wegen ihrer Fruchtbarkeit mehr Seide geben könten, als die Seidenwürmer: dann sie vermehren sich ungleich häuffiger, als wie Schmetterlinge von den Seidenwürmern, und eine iede Spinne leget sieben bis acht hundert Eyer, dahingegen ein Seidenwurm nicht über hundert giebet, davon annoch die Helffte abzuziehen, weil dieser Wurm viel Ungelegenheit hat zu erdulten, daher[82] auch das geringste ihn verhindert, sein Häuslein zu verfertigen. Hingegen kriechen die Spinnen ohne alle Gefahr aus ihren Eyerlein im August und September aus; vierzehen Tage hernach, nachdem sie sind geleget worden, und die alten sterben bald darauf. Die kleinen Spinnen, welche ausgekrochen, bleiben zwölff bis vierzehen Tage ohne Fressen, werden nicht kleiner, auch nicht grösser, und halten sich in ihrer Schale beständig auf, bis sie die grosse Hitze zwinget sich heraus zu machen und der Nahrung nachzusuchen.

Solte man nun können die kleinen Spinnen in einem Zimmer auferziehen, so würde man von diesen Würmern weit mehrere Häuslein überkommen, als von den Seidenwürmern, indem ich allezeit gesehen, spricht Herr Bon, wie daß von sieben bis acht hundert kleinen Spinnen kaum eine einige in einem gantzen Jahr gestorben, da doch im Gegentheil von hundert kleinen Seidenwürmern kaum viertzig blieben, welche ihre Häuslein spannen.

Die kleinen kurtzbeinigten Spinnen werden in papierne Deuten gethan und in Töpfe geleget. Die Töpfe deckt man mit Papiere zu, darein, wie in die Deuten, ein Hauffen Löchlein mit der Nadel sind gestochen worden, damit sie Luft haben mögen. Fliegen und Mücken werden ihnen zur Nahrung gegeben, und eine Zeit hernach befindet man, wie daß sie ihre Häuslein zugerichtet haben; auch, daß dreyzehen Untzen dieser Seide, bey nahe vier Untzen reine Seide geben.

Herr Bon fährt weiter also fort. Es würde keine grosse Mühe setzen die Spinnenhäuslein aufzusuchen, wann nur vergönnet wäre in allen Häusern, wo es ihrer an den Fenstern giebet, nachzusehen: da dann gar leicht zu schliessen, daß in dem gantzen Königreiche ihrer eine gnugsame Menge würde anzutreffen seyn, wann etwas grosses davon solle bereitet werden: es würde auch diese neue Seide, von der allhier die Rede ist, nicht so gar seltsam, noch so kostbar seyn, als wie die gemeine Seide zu Anfang ist gewesen; zumahl, da die Spinnenhäuslein, nach Proportion ihrer Leichtheit mehr Seide geben, als die andern. Die Probe davon ist diese: dreyzehen Untzen dererselben geben beynahe vier Untzen reiner Seide, und zu einem Paar Strümpfe für den grösten Mann hat man nicht mehr als nur drey Untzen solcher Seide nöthig; dann die ich zugleich übersende (schreibt der Herr Bon) wägen nicht mehr als vier Untzen und ein Viertheil; und die Handschuhe wägen ungefehr drey Viertheil einer Untze, dahingegen die von der gemeinen Seide insgemein sieben bis acht Untzen wägen.

Diejenigen seidenen Strümpfe und Handschuhe, deren anietzt erwähnet worden, welche auch kurtz hernach, als sie der Herr Bon zu Montpellier hat machen lassen, bey der königlichen Academie derer Wissenschaften examiniret und beschauet wurden, waren starck und eben also gut, als ob sie von gemeiner Seide bereitet worden wären; sie waren auch eben so schön, so glatt und gleissend, von einer angenehmen grauen Farbe, fast als wie mäusefahl. Es ist diese Farbe der Spinnenseide natürliche Farbe; iedoch ist nicht zu zweiffeln, wann sie mit Seiffenwasser, darinne Salpeter und ein wenig Arabisches Gummi zerlassen worden, gewaschen werden solte, daß sie dadurch[83] mehr Lustre und einen gewissen Glantz bekommen dürffte. Sie kan alsdann gehaspelt und gewunden, gesponnen und, gleichwie die Seide von den Seidenwürmern, verarbeitet werden.

Bisanher habe ich von denenjenigen Dingen geredet, welche Herr Bon hierbey hat angemerckt. Der Herr de Reaumur, ein Mitglied der königlichen Academie der Wissenschaften, hat sich gleichergestalt mit den Spinnen bemühet, und derer eine grosse Anzahl sammlen lassen und erzogen: er hat auch eine gelehrte Dissertation davon verfertigt, welche in den Memoires gedachter königlichen Academie, des Jahres 1710. ist recensiret worden, von der ich aber nur an diesem Orte einen Auszug geben werde, damit der Leser selbst urtheilen möge, welcher mehr Recht habe, und es am besten getroffen.

Der Herr de Reaumur behauptet, daß es gantz unmöglich sey, mit blosen Fliegen so viel Spinnen zu erziehen, als ihrer nöthig, daß sie zu den aufgerichteten Manufacturen Seide gnug verschaffen könten. Er spricht, was für Behendigkeit würde darzu gehören, wann einer alle Tage solte so viel Fliegen fangen, als wohl zur Auferziehung dieses nichts werthen Gewürms von Nöthen wären? Es würden mit genauer Noth alle Fliegen im gantzen Königreiche zureichen, wann eine solche Anzahl Spinnen damit solten unterhalten werden, die eine eben nicht gar sonderliche Menge Seide geben möchten.

Es zeiget die natürliche Gefräßigkeit der Spinnen zur Gnüge, daß ihre Nahrung von keiner Art der Gewächse kommt; daher sind auch weder Kraut, noch Blumen, noch Früchte, zu ihrer Auferziehung dienlich. Der Herr de Reaumur hat keine Gattung dieser Speise unversucht gelassen, damit ihm nicht etwan möchte vorgerücket werden, ob habe er eines und das andere übersehen; bevoraus, da ihm wohl bekannt, daß, wann man etwas will probiren und versuchen, nicht selten sich etwas pflegt zu begeben, daß man wohl nimmermehr vermeinet hätte. Allein, was er hierbey versuchet hat, ist dannoch keine Nahrung für die Spinnen nicht gewesen. Und doch hat er auch nicht gedencken können, daß die Fliegen den Spinnen alleine ihre Nahrung geben solten: dann, obgleich diejenigen, die in den Winckeln an den Mauern und in den Gärten ihr Gewebe machen, blos von den Fliegen leben; so hat er doch mehr als einmahl in Acht genommen, daß sie auch sonst mehr anderes Geschmeiß zu fressen pflegen, wann es in ihr Gewebe gerathen ist. Diejenigen Spinnen, welche in den Löchern, die in alten Mauern sind, sich aufhalten, haben ihn noch mehr gelehret, daß ihnen alle Würmer dienlich sind: dann, wann er manchmahl solche Löcher ausgesucht, hat er darinnen allerhand ertödtetes Gewürme angetroffen, Kellerschaben, Raupen und Schnecken. Daher ist er auf die Gedancken kommen, es brauche weiter nichts, als daß man eine solche Gattung von Gewürme auszusuchen hätte, dessen man so viel und ohne Mühe überkommen könte, als man nur immer wolte: und da hat ihm bedunckt, es würden sich die Regenwürmer am allerbesten dazu schicken; dieweil es deren eine übergrosse Menge giebt, indem die Gärten und die Felder damit angefüllet sind. Er hat zwar würcklich keinmahl solche Würmer weder in den Spinnenlöchern noch in dem Gewebe angetroffen: allein, weil sie beständig[84] auf dem Lande herum kriechen, dazu auch starck genug und überdiß schwer sind, so können sie unmöglich in das Netz und in die Löcher fallen, es können sie die Spinnen auch nicht hinein tragen. Dahero dauchte mir, spricht er, daß keine Nahrung für sie übrig wäre, davon ich grössern Nutzen mir versprechen dürffte: und die Erfahrung betrog mich auch nicht; dann, da ich unterschiedene grosse Spinnen, von allerhand Art, welche den Winter überlebet; indem es ihrer giebet, die mehr als ein Jahr lebend bleiben; in Schachteln eingesperret, habe ich ihnen Stücken von dergleichen Würmern gegeben, und dieselbigen durch dieses Mittel lebendig erhalten.

Hernach, fährt der Herr de Reaumur fort, versuchte ich es mit allerhand Speisen, um zu sehen, ob dann dieselbigen nicht ebenfalls zu ihrer Nahrung dienen möchten, jedoch sehe ich nicht, daß sie auf selbige gefallen; vielleicht darum, weil die von Natur grimmige Spinnen durch lebendige Thiere gereitzet werden müssen.

Indessen geriethe ich auf eine andere Nahrung, welche allem Vermuthen nach eben solchen Vortheil schaffen könte, dieweil sie denen Spinnen gar wohl schmecket. Dann die kleinen Spinnen, welche nur aus ihren Schalen kriechen, ziehen sie der andern allen vor. Und ich bediente mich derselben nur darum, weil mit bedunckte, es wäre eine ziemlich grosse Gleichheit zwischen ihr und dem zart- und weichen Fleische des Geschmeisses, das die Spinnen auszusaugen pflegen. Es bestehet diese Nahrung in dem weichen Wesen, mit dem die Federn an den jungen Vögeln, ehe dann sie ausgewachsen haben, angefüllet sind: dann Zweiffels ohne wird man wol in Acht genommen haben, wann man dergleichen junge Federn ausraufft, wie daß dieselbigen an ihrem Ende blutig sind, und daß der Kiel alsdann noch gantz weich ist. Wer sich nun hat die Mühe nehmen wollen, und hat dergleichen Röhrlein gedruckt oder zerschnitten, der wird befunden haben, daß es mit solchem zarten Wesen und einer grossen Menge Aederlein erfüllet sey gewesen, daraus das Blut geflossen, wann er es zerschnitten hat. Nachdem ich nun solche Federn alten und jungen Tauben ausgerauffet, zerschnitte ich dieselben in kleine Stücklein, etwan einer halben oder einer gantzen Linie lang, und gab sie meinen Spinnen, die sich dabey gar wohl befanden. Absonderlich mochten die jungen Spinnen, welche ich in ihren Schalen aufgehalten hatte, und die nur kürtzlich ausgekrochen waren, dieselbige noch mehr als keine andre Nahrung, und sahe ich, daß unterweilen ihrer fünff und sechs auf einem solchen Stücklein sassen, und nach Belieben, wo es abgeschnitten ware, daran saugten.

Bishieher, fährt der Herr Reaumur weiter fort, gieng alles mit den Spinnen, wie es schiene, gar wol fort; und dieses ist die schlechte Nahrung dererselben, darum es nur allein zu thun. Vielleicht findet sich noch eine und die andere, die eben also gut und dienlich möchte für sie seyn, selbst unter dem Gewürme: indessen kan man sich der erstern bedienen, die eben also leicht zu finden ist, als wie die Maulbeerblätter, die man den Seidenwürmern vorzulegen pflegt. Allein, nunmehro wird sichs weisen, daß an der Rechnung viel abgeht, wann es darauf ankommt, daß man[85] soll eine solche Menge Spinnen auferziehen, die Seide gnug zu den Manufacturen kan verschaffen.

Alsbald die jungen Spinnen aus ihren Schalen herauskriechen, so scheinet es, als ob sie sich gar gut vertrügen; dann sie arbeiten um die Wette an einem Gewebe, und die einen ziehen neue Fäden über diejenigen, welche die andern allbereits verfertiget haben: allein diese Einigkeit währet nicht gar lange. Der Herr de Reaumur vertheilete in unterschiedene Schächtelgen vier bis fünff tausend Spinnen, welche er hatte auskriechen sehen. Diese Schächtelgen waren etwa so lang und breit als wie eine Karte, die man zum Spielen braucht. Weil er nun in Acht nahm, daß diese kleinen Thierlein an das Glas sich anlegten, damit die Schächtelgen bedecket waren, so machte er für jedes eine Oeffnung in das Glas, etwan einer Linie weit von einander, dadurch er ein Kartenblatt schieben kunte, das nach der Breite an das Schächtelgen bevestigt war: und durch dasselbige ward diese Oeffnung gantz genau verschlossen, daß keine Spinne heraus kriechen kunte: er strich auch auf dasselbige die Nahrung, die er für sie gut befunden: so hat er auch zur Vorsorge, eine ziemliche Anzahl Löcher in das Blatt gemacht, damit man in kurtzer Zeit sehr vielen Spinnen könte zu fressen geben. Die ersten Tage hindurch sahe man, wie sie mit allem Eyffer sich zu dieser Nahrung machten, und wie sich ihrer viel an ein Stöcklein von der Feder legten. Alleine, ihre wilde Art verriethe sich alsbald: die grössern kriegen Lust die kleinern zu verzehren, und so ofte als ich, spricht der Herr de Reaumur, nach ihnen sahe, wurde ich gewahr, daß eine kleine einer grössern war zum Raube worden: so daß mir, nach gar weniger Zeit, kaum eine oder zwey in einer Schachtel übrig waren. Die grossen Spinnen beissen sich wol auch, wenn sie zusammen kommen; alleine sie verzehren einander nicht sobald, als wie sie mit den kleinen thun; weil sie entweder nicht soviel Nahrung nöthig haben, oder aber, weil sie viel schwerer sind, und sich deshalben nicht so leicht bewegen können.

Allem Ansehen nach ist die Begierde einander aufzufressen, zum Theil in Schuld, daß man so wenig Spinnen siehet; da ihrer doch noch vielmehr solten seyn, wann man die übergrosse Anzahl Eyer, die sie legen, will betrachten.

Dannenhero schiene es, als ob zur Auferziehung dieser Spinnen nichts bessers übrig sey, als daß man sie besonders steckte. Da könte man nun z.E. solche Schachteln haben, die in ein Hauffen kleine Fächlein, als wie kleine Zellen abgetheilet wären: solte man aber einer jeden Spinne absonderlich zu fressen geben, so würde man solche Kosten darauf wenden müssen, die dem davon verhofften Profit und Nutzen wenig zu vergleichen. Endlich müste es noch wol angehen, wann man nicht auf gar weit bequemere Weise Seide von den Würmern haben könte.

Daß man die Spinnen muß nothwendig in andere Zellen sperren, verursacht eine andere Beschwerlichkeit, die den Vorzug, den sie, von wegen ihrer Fruchtbarkeit noch vor den Seidenwürmern möchten haben, nicht um ein schlechtes abermahl verringert. Dann, wolte man sich schon desselbigen bedienen, so müste einer eine grosse Menge Eyer aufbehalten können, die durchs begatten wären gut und fruchtsam worden: und dessentwegen müste man nothwendig,[86] etliche zusammen sperren. Das weiß ich wol, fährt der Herr de Reaumur fort, daß es eine Zeit giebet, in welcher bey diesem Gewürme eine linde fermentation pflegt zu geschehen, dadurch ihnen ihre wilde grimmige Art, benommen wird, und da man sie ohne alle Gefahr zusammen sperren könte. Wie aber will einer eben just dieselbige Zeit treffen, die kurtz vor dieser muß hergehen, da sie begierig sind zu legen? Sie könte zwar wol leichtlich ausgefunden werden, wann sie nur alle mit einander fast zu einer Zeit im Jahre legeten: so aber ist ein grosser Unterscheid der Zeit und viel Monate gehen hin, wann diese, und dann jene legen.

Die Fruchtbarkeit der Spinnen, ist wie Herr Bon hat angemercket, fast gantz unglaublich: und dannoch diesem allen ungeachtet, spricht der Herr de Reaumur, sind die Seidenwürmer auch fruchtbar; wann man schon setzen wolte, daß sie nur etwan hundert Eyer legten, von denen mit genauer Noth in viertzig Stücken solcher Würmer kämen, die ihre Häuslein machen könten: dahingegen die Spinnen sechs bis sieben hundert Eyer geben mögen.

Dieweil ich bey den Seidenwürmern allen, die ich erzogen, angemercket habe, damit ich ihre Seide mit der Spinnen ihrer recht genau vergleichen möchte, daß sie mir jedesmahl drey bis vier hundert Eyerlein gegeben: so ist daraus leicht abzunehmen, daß man die Zahl der Seidenwürmer, nach Gefallen, allezeit vermehren könte, wann solches nur alleine in der Menge ihrer Eyerlein bestünde: die Menge Seide zeiget und beweiset es allein genug, die sie anjetzo in Europa geben, da doch vorher gar keine solche Würmer nicht vorhanden waren.

Es scheinet derowegen, fährt Herr de Reaumur fort, wie daß die Seidenwürmer den Spinnen sehr weit vorziehen, weil sie so leichtlich zu erziehen sind, und daß man folglich sich gar wenig von der neuen Seide zu versprechen habe, es sey dann, daß sie wegen ihrer Güte, oder wegen ihrer Stärcke, oder wegen ihrer Menge der alten Seide ihren Vorzug streitig machen könte.

Von den Spinnen solte man allerhand farbige Seide überkommen, noch mehr als von den Seidenwürmern, als welche allezeit aurora oder nur weiß ist: an statt daß die Spinnen gelbe, weisse, himmelblaue, und sehr schöne caffebraune Seide geben. Doch sind die Spinnen, welche caffefarbene Seide geben, gar sehr rar, und finden sich nicht leicht leichtlich als auf solchen Feldern, wo Ginst (Genista) wächst: dann daselbst findet man auch ihre Häuslein, deren Seide sehr starck und recht schöne ist. Es sind dieselbigen gantz anders geformiret, als wie die andern Spinnenhäuslein: die Eyer sind in denenselbigen in braune Seide eingehüllet, welche gar weitläufftig drum herumgezogen ist, gleichwie sonst auch in andern Spinnenhäuslein. Allein, eben diese braune Seide ist selbst mit einem andern Häuslein von grauer Seide überzogen, dessen Gewebe überaus dichte und ziemlich dicke ist, und kömmt im übrigen mit eines Seidenwurmes Häuslein überein, wenn man dasselbige zum Theil hat abgespuhlet.

Die Spinnen legen ihre Eyer in die Häuslein, daran die Seide, welche sie umgiebet, in unterschiedenen Monaten zu befinden. Sie arbeiten daran nicht allein im August und September, gleichwie Herr[87] Bon hat angemercket: sondern es giebet ihrer auch, welche im Mäyen ihre Häuslein bereiten, und andre machen sie in folgenden Monaten. Diese letztern haben den Winter durchgebracht, und legen darum zu so guter Zeit. Ohne Zweiffel hat Herr Bon von denenjenigen alleine reden wollen, welche im Frühjahre ausgekrochen; dann sie legen um ein gutes später als die vorhergehenden.

Beyde Arten der Fäden von den Spinnen sind nur darinne von einander unterschieden, daß die einen stärcker, die andern schwächer sind. Es läst sich auch gar leicht erklären, auf was für Art und Weise die Spinnen diese beyden Arten ihrer Fäden, nachdem es ihnen beliebet, zu machen pflegen. Dann ich setze, spricht der de Reaumur, man wisse, daß die Spinnen nahe bey dem Hintern unterschiedene Wärtzlein haben, welche gleichsam so viel Zieheeisen sind, dadurch derselbige Saft lauffen muß, daraus die Seide werden soll, wann sie trocken worden, und durch diese Zieheeisen hingegangen.

Die Spinnen, derer Seide zum verarbeiten dienet, und von denen allhier die Rede ist, haben sechs solche Wärtzlein, davon viere gar wol zu sehen sind, die andern beyden aber nicht so gut, man kan sie auch gar füglich ohne Glas erkennen. Die beyden kleinern Wärtzlein stehen jede nahe bey dem Ende zweyer grössern, welche zunechst bey dem Hintern zu befinden. Ein jedes von diesen sechs sichtlichen Wärtzlein bestehet gleichergestalt aus eitel kleinen Wärtzlein, oder vielmehr aus solchen gantz unsichtbaren Zieheeisen, und zwar ein jedes aus sechs bis sieben dererselben. Daher ist leichtlich zu begreiffen, welchergestalt die Spinnen ihre Fäden, nach Belieben, dicke oder dünne ziehen können: dann sie nicht alleine, ehe und bevor sie anheben zu spinnen, von diesen sechs sichtbaren Wärtzlein mehr oder weniger an etwas anlegen; sondern sie ziehen auch ihre Fäden stärcker oder schwächer, und machen dieselbigen aus mehr oder weniger Fäden, nachdem sie mehr oder weniger von diesen Wärtzlein angeleget haben.

Nun gehören etwan achtzehenmal mehr Fäden, so wie sie aus gedachten Zieheeisen kommen, zu denen Fäden, daraus sie ihre Häuslein machen, als wie zu denenjenigen, daraus sie ihr Gewebe verfertigen, wann die Menge derer Fäden daraus dieses und jene bestehen, starck genug seyn soll. Denn als ich ein Gewichte von zwey Gran an ein Ende eines Fadens vom Gewebe angeklebet, hat er dasselbige gehalten und ist nicht gerissen, bis ich eines von drey Gran dran gehencket: hingegen halten die Fäden von den Häuslein ein Gewichte fast von 36. Gran, und reissen eher nicht, als bis man mehr dran henckt.

Wiewol nun die Faden von den Spinnenhäuslein viel stärcker sind, als wie die von dem Spinnengewebe, so sind sie doch dagegen um ein gutes schwächer, denn die Fäden von den Seidenwürmerhäuslein. Die Fäden, welche ich von denen Häuslein letzterer Art habe abgewunden, hielten insgemeine ein Gewichte von zwey und einen halben Quintlein: daß also die Stärcke von dem Faden eines Spinnenhäuslein, gegen der Stärcke eines Fadens von dem Würmerhäuslein sich wie eins gegen fünff verhält: um welcher Ursach willen auch die alte Seide leichtlich vor der neuen einen Vorzug dürffte erhalten.

[88] Es ist in Wahrheit ein jeder Faden von dem Spinnenhäuslein nicht eben gar viel dünner als ein Seidenfaden, wann man erwäget, daß er um ein gut Theil schwächer ist. Doch dieses wird es darum nicht ausmachen, indem es sehr schwer ist viel solcher Fäden wol zusammen zu bringen: dann, ausser dem, daß dieses grosse Mühe giebt, so steht dabey auch zu befürchten, es möchten diese zarten Fäden sich nicht alle recht gleich ziehen lassen, daher sie folglich alle mit einander so viel Stärcke niemahls haben dürfften, dergleichen doch ein jeder Faden an und für sich selbsten haben könte. Die Menge dieser zarten Fäden, daraus ein jeder Faden von der Spinnenseide bestehen muß, wann er so dicke werden soll, als wie ein Faden von den Seidenwürmern ist, möchte auch wol zum Theil Schuld seyn, daß die von dieser Seide bereitete Arbeit bey weitem keinen solchen Glantz bekommen solte, als wie die von der Seidenwürmerseide. Ihr Glantz ist in der That nicht also schön; und dessen Ursach ist; ie mehr ein solcher Seidenfaden kleine leere Räumlein hat, als sonst ein anderer Seidenfaden, ie schlechtern Glantz wird er darum auch haben; dann das Licht wird nicht so sehr davon zurücke schlagen, weil ausser allen Zweiffel eine noch viel grössere Anzahl solcher kleinen Räumlein an dergleichen Faden zu befinden, der aus viel andern wircklich von einander abgesonderten Fäden bestehet, als wie an einem solchen Faden, der von gleicher Dicke ist und gar aus keinen anderen und unterschiednen Faden nicht bestehet. Die Theilgen von dem Schleim, daraus derselbige besteht, die müssen sich ohne Zweiffel besser und viel näher an einander angeleget haben, daher sie auch an mehrern Orten an einander stossen; als wie die Fäden, die wircklich von einander abgesondert sind. Gesetzt nun, daß ein Faden von der Spinnen ihrer Seide von Natur keinen grössern Glanz nicht hätte, als wie ein Faden von der Seidenwürmerseide, so ists doch gantz gewiß, wann man wird fünff dergleichen Fäden mit einander nehmen und einen daraus machen, der eben also dick seyn soll, als wie ein seidner Faden von Natur, daß ein solcher aus andern zusammengesetzter Faden, und die daraus verftertigte Arbeit, bey weiten keinen solchen Glantz nicht haben werden, als wie ein Faden von der Seidenwürmerseide, und die davon bereitete Arbeit.

Wolte man nun setzen, daß nur zwey Wärtzlein Fäden zu der Spinnenwebe hergegeben hätten, und daß iedwedes dererselben einen einfachen Faden gegeben, da sie sonst oftmahls einen Faden geben, der aus gar vielen Faden ist zusammen gesetzt; und es sind die Fäden zu der Spinnenwebe achtzehenmahl schwächer, als ein Faden von dem Häuslein, so müste dieser letztere, der fünffmahl dünner ist, als wie ein seidner Faden (wie oben auch erinnert worden) zum wenigsten aus sechs und dreyßig zarten Fäden zusammen gesetzet seyn. Wie klein muß dann ein Faden seyn, den wir dannoch erblicken können, der auch nicht gar viel dicker ist, als der hundert und achtzigste Theil eines einfachen seidnen Fadens, welcher einfache Faden selbst nur der zweyhunderte Theil von einem Faden von der zartesten Seide ist, die wir zum nähen brauchen? dann spricht de Reaumur, ich habe manchmahl dergleichen Seidenfäden in zweyhundert Fäden, oder doch bey nahe in so viel, zertheilet: so daß ein Faden von der Spinnenseide, der wie ein Faden[89] Näheseide dick seyn soll, gewißlich biß auf sechs und dreißig tausend Fäden haben müste: und man könte sie natürlicher Weise bis in tausend theilen.

Der Faden von der Spinneseide, welcher aus 36000. einfachen Fäden bestehet, möchte vielleicht etwas dicker seyn als ein Faden von der Seidenwürmerseide, der aus 200. einfachen Fäden bestehet, obgleich 36000. und 200. gegen einander gerechnet einerley seyn dürffte, indem es schwer genung hergehen solte, eine so grosse Anzahl Fäden dergestalt zusammen zu bringen, daß keine leere Räumlein zwischen ihnen blieben, welche dererselben Umfang, dem Ansehen nach, vergrössern dürfften. Daher man auch vermeinet, es würde sich die Spinnenseide zur Arbeit noch viel besser schicken, als die Seidenwümerseide. Alleine, wann man auch zugleich erwogen hätte, daß sie dagegen um ein gutes schwächer müste seyn, so würde sichs gewiesen haben, daß dieses vielmehr einer von den Mängeln dieser Seide sey, dieweil ein dicker Faden, von derselben nicht stärcker seyn kan, als ein mittelmäßiger Faden von der Seidenwürmer Seide. Wir wollen aber endlich, verfolgt der de Reaumur, zum letzten Hauptpuncte kommen, und wollen sehen, wie sich die Menge Seide, welche eine iede Spinne jährlich giebet, wird mit derjenigen, die von den Seidenwürmern kommt, vergleichen lassen. Ich habe gar viel Seindenwürmer Häuslein mit gröstem Fleiß gewogen, und befunden, wie daß die allerstärckesten, oder, soviel der Wurm in einem Jahre hat gesponnen, vier Gran gewogen haben, und die geringsten mehr als drey; so daß zu einem Pfund von sechzehn Untzen zum allerwenigsten 2305. Würmer gehören, wann man will ein Pfund Seide haben.

Mit eben also genauer Aufsicht habe ich eine grosse Anzahl Spinnenhäuslein nachgewogen, und iederzeit befunden, daß bis vier Stück der grösten gegen ein Seidenwürmer-Häuslein und dessen Gewichte zu vergleichen gehören, und jedes ein Gran schwer gewesen; daher man vier der grösten Spinnen haben müste, wann sie soviel als wie ein Seidenwurm Seide geben solten, und wann nicht mehr von der einen Art Seide abgienge, als wie von der andern, wann sie auch alle durchgehends Seide gäben. Allein, von denen Spinnenhäuslein gehet ungleich mehr ab, als bey den Seidenwürmerhäuslein niemahls zu besorgen. Diesen Schaden aber verursachet, daß die Spinnenhäuslein zusamt den Schalen von den Eyerlein gewogen werden, darinn die kleinen Spinnen sassen, bevor sie ausgekrochen, und weil auch sonst viel Unrath unter diese Seide sich gemischet hat.

Will man dann diesen Abgang rechnen, so werden wir gar gern mehr als zwey Drittheil vom Gewicht abziehen müssen, dieweil Herr Bon von dreyzehn Untzen unreiner Seide mehr nicht als nur vier Untzen reine hat bekommen. Hingegen geht an denen Seidenwürmerhäuslein nichts nicht ab, oder doch so wenig, daß er gar leichtlich zu ersetzen ist, wann man den Abgang von den Spinnenhäuslein auf zwey Drittheil rechnet. Nun haben wir gesehen, daß das Gewichte eines Spinnenhäusleins, bevor es ist gereinigt worden, gegen das Gewichte eines Seidenwurmhäusleins als wie eins gegen viere sich verhält, darum wird sein Gewichte, wann es ist gereinigt[90] worden, gegen das andere wie eins gegen zwölffe sich verhalten: und wird man also zwölff der grösten Spinnen haben müssen, wann sie soviel als wie ein Seidenwurm Seide geben sollen; allein der Seidenwurm verfertiget sein Häuslein, sich darinne zu verwandeln, die Spinnen aber bereiten die ihrigen blos darum, daß sie ihre Eyerlein darein einwickeln können.

Wann man mit denenjenigen Naturforschern, welche vor Herr Bon gelebet haben, die Arten der Spinnen als Männlein und Weiblein betrachtet, ich will sagen, wann man sie nicht für Zwitter will ansehen, so werden keine andern Spinnen, als nur Weiblein, Eyer legen. Daraus dann folget, wann man will setzen, es habe einer so viel Männlein, als wie Weiblein, welches auch bey nahe seyn muß, daß vier und zwantzig von den grösten Spinnen doch nicht mehr Seide geben werden als ein Seidenwurm. Also müste man zu einem Pfunde Seide in die 55296. Spinnen, und zwar die grösten haben: die müsten nothwendig alle mit einander, viel Monat lang, iedwede sonderlich ernährt und unterhalten werden. Und hieraus siehet man, wie diese Seide, welche man davon erhalten würde, dergleichen Kosten solte verursachen, die ihren Werth gar sehr weit überstiegen, indem sie vier und zwantzig mahl mehr kosten dürffte als die Seide von den Seidenwürmern. Wolte man gleich setzen, daß man nicht eben nöthig hätte die Spinnen iede sonderlich zu halten, und daß iedwede Spinne keinen grössern Raum nicht brauchte, als etwa ein Seidenwurm; so würde solches doch falsch seyn, weil eine iede gnug Platz haben muß, wann sie soll ihr Gewebe machen. Wann man nun rechnen wolte, was es wol kosten würde, wann man sie alle von einander abgesondert unterhalten solte, und müste einer ieden Raum gnug geben, daß sie bequeme wohnen könte, so würde sonnenklar zu sehen seyn, daß diese Spinnenseide gar ungleich höher zu stehen kommen solte, als wie die Seidenwürmerseide.

Man darff auch übrigens nicht dencken, verfolgt der Herr de Reaumur ferner, daß alles oben angeführete allein von solchen Spinnen, die nur von gemeiner Grösse sind, gesaget ist. Dann, wann man wissen will, wie viele Seide solche Spinnen geben dürfften, die sich in unserm Lande in den Gärten finden, und dem Ansehen nach, die grösten sind: so wird sichs gar bald weisen, daß dererselben zwölff erfordert werden, bis man von ihnen soviel Seide wird bekommen, als man von einem solchen Häuslein kriegt, davon ich bis anher geredet habe: und das ihrer 290. dannoch nicht mehr Seide, dem Gewichte nach, geben werden als ein einiges Seidenwürmerhäuslein giebt: daher auch mit genauer Noth 663550. Spinnen nur ein Pfund Seide geben dürfften.

Man wird freylich gar ungern vernehmen, daß wenig Hoffnung übrig eine so sinnreiche Entdeckung recht zu nutzen. Doch diesem allen ungeachtet, möchte wol ein Mittel noch vorhanden seyn: vielleicht dürfften sich Spinnen finden, welche vielmehr Seide geben könten, als wie diejenigen, die insgemeine in dem Reich zu sehen sind. Es berichten ja alle Reisende für gantz gewiß, daß die americanischen viel grösser sind als wie die unsern, daher dieselben auch vermuthlich grössre Häuslein geben müssen. Nun[91] haben sich die Seidenwürmer, die aus entfernten Landen bürtig sind, in gantz Europa so gar sehr vermehret, daß sie uns Hoffnung machen dürfften, daß gleichfals die americanischen Spinnen in unserm Lande leben könten. Man muß es versuchen, weil solches der aussereinige Weg curieuse und nützliche Dinge zu entdecken ist.

Dieses sind des Herrn de Reaumur Gedancken von den Spinnen: selbige schlagen die Hoffnung ziemlich nieder, welche man von des Herren Bon Bemühung mit der Seide dieses Ungeziefers hat geschöpfet. Jedannoch ist ein kleiner Unterscheid zwischen des Herren Bon und des Herren de Reaumur Bemühung anzumercken: dann jener hatte die Seide der Spinnen in Languedoc, Provence und andern warmen Landschaften vor die Hand genommen und mochte der Spinnen Häuslein eine grössre Menge angetroffen haben, welche auch viel seidenreicher gewesen, als wie die Häuslein derer Spinnen, die in unserm temperirten Lande wachsen, und welche der Herr de Reaumur vor sich gehabt.

Die Spinne und deren Gewebe führen viel flüchtig Saltz und Oel.

Die Spinne soll zu den Wechselfiebern und insonderheit zu den viertägigen gut seyn, wann sie zerquetscht und aufs Gelencke an der Hand gebunden wird, oder lebendig in eine Nußschale gesperrt und angehangen, wann das Fieber kommt.

Ihr Gewebe dient zu den Wunden, hält an und heilet, stillet das Blut, auf die Wunden gelegt: wann man sich hat geschnitten, soll man es alsofort drein stecken, damit die Wunde nicht auflauffet.

Es dienet auch zur Colick, die von Winden, entstehet wann man davon soviel als ein Ey dicke ist, mit Eßig kochet, und auf den Nabel warm aufleget; es treibet die Winde.

Aranea kommt von ἀράω, compono, apto, ich verfertige, bereite: dieweil die Spinne ihr Gewebe selbst mit grossem Fleiß verfertiget.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 80-92.
Lizenz:
Faksimiles:
80 | 81 | 82 | 83 | 84 | 85 | 86 | 87 | 88 | 89 | 90 | 91 | 92
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Lemery-1721: Mus Araneus

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Sophonisbe. Trauerspiel

Sophonisbe. Trauerspiel

Im zweiten Punischen Krieg gerät Syphax, der König von Numidien, in Gefangenschaft. Sophonisbe, seine Frau, ist bereit sein Leben für das Reich zu opfern und bietet den heidnischen Göttern sogar ihre Söhne als Blutopfer an.

178 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon