Bezoar

Bezoar.
Bezoar.

[163] Bezoar.

Bezoar: der Bezoar, ist ein Stein, der aus dem Leibe unterschiedener Thiere in Indien genommen wird, und wir bekommen allerhand Arten desselbigen zu sehen: doch will ich hier nur viere beschreiben, welche zu der Artzney gebräuchlich sind.

Der erste Bezoarstein, oder welcher am gebräuchlichsten ist, wird auf lateinisch Lapis Bezoar orientalis, frantzösisch, Bezoar oriental, teutsch, der orientalische Bezoarstein genennet. Er findet sich wie Kugeln von unterschiedener Gestalt und Grösse, dann einige sind so dick wie eine Nuß, andere wie eine Muscate, andere wie[163] eine Haselnuß, oder als wie die Erbsen, etliche sind rund, etliche oval, einige platt und bucklicht. Alle sehen aussenher, glatt und gläntzend, sind dichte und linde anzufühlen, grau oder olivenfarbig. Wann man sie zerbricht, so zertheilen sie sich in Schupen oder Schalen, welche nach und nach von den saltzigten Feuchtigkeiten, die in dem Leibe des Thieres versteinert werden, sind angeleget worden, gleichwie in den Steingruben die unterschiedenen Bäncke vom Wasser, das voll Saltz stickt, sich anlegen und gantz steinern werden. Dieser Bezoar wächst an unterschiedenen Orten in dem Leibe einer ostindischen Ziege, welche Capricerva genennet wird, dieweil sie zugleich vom Hirsch und der Ziege etwas hat. Die Einwohner des Landes nenneten dieses Thier vor diesem Bezoar, daher mag auch gar leicht der Name Bezoar entstanden seyn. Dieser Stein beschliesset insgemein inwendig einen kleinen Kern, der ist noch etwas härter als die Blätter.

Es ist ein überaus geschwindes Thier, welches von Klippen zu Klippen pflegt zu springen, und sich gefährlich jagen läst, indem sichs wehret und die Indianer leicht ums Leben bringet, wann sie ihm zu sehr zusetzen. Um den Kopf siehet es als ein Bock, seine Hörner sehen sehr schwartz, und liegen ihm vest auf dem Rücken, der Leib ist mit aschgrauen und röthlichten Haar bedeckt, so jedoch viel kürtzer ist als Ziegenhaar, bey nahe als wie Hirschhaare, der Schwantz ist kurtz und stehet über sich, die Läuffte sind so ziemlich dick, die Füsse gespalten als wie der Ziegen.

Diesen Bezoar soll man wehlen, wann es feine gantze, dichte, glatte und gläntzende Steine sind, von lieblichen Geruch, fast wie Ambergris, die sich auch in Blättlein zertheilen, wann sie zerschlagen werden, und grau oder olivenfarben sehen, die auch das Bleyweis, wann man sie drauf reibt, gelb färben. Die dicksten sind die theuersten und werden von den Liebhabern am höhesten geachtet: zur Artzney aber mögen sie so groß seyn, als sie wollen. Er führet ein wenig flüchtig und schweflicht oder ölicht Saltz.

Er soll das Hertz stärcken, den Schweiß treiben, den bösen Feuchtigkeiten widerstehen, und den Durchlauff stillen. Er wird in der Pest gebrauchet, in Pocken, in der rothen Ruhr, fallenden Sucht, Schwindel, Hertzklopfen, und wider die Würmer. Die dosis ist von vier bis sechzehen Gran, gantz zart zerrieben und in einem dienlichen Wasser oder etwas andern dergleichen genommen.

Der andere Bezoar wird Lapis Bezoar occidentalis, frantzösisch, Bezoar occidental, der occidentalische Bezoarstein genennet. Er ist gemeiniglich von solcher Grösse wie die orientalischen, allein weder so glatt noch so gleissend, die Farbe ist aschgrau oder weißlicht, so lassen sie sich auch in Platten zertheilen, die aber gar viel dicker sind, als an dem orientalischen, und sehen inwendig aus, als ob sie voller Spitzen wären. Dieser Bezoar wird aus Peru zu uns überbracht, und wächset in dem Leibe einer wilden Ziege, ist nicht so theuer und nicht so geacht, als wie der orientalische, iedannoch ist er ziemlich rar und hat nicht schlechte Kräfte. Den soll man erwehlen, der in feinen gantzen Kugeln ist, und schier einen Geruch hat wie der orientalische. Es führet ein wenig flüchtiges, schweflichtes oder ölichtes Saltz.

[164] Er hat eben solche Kräfte als wie der orientalische, die Wirckung jedoch ist ein gut Theil schwächer. Die dosis ist von sechs Gran bis auf eine halbe Drachma.

Der dritte heist Bezoar Porci, seu lapis porcinus, frantzösisch, Pierre de porc, teutsch, Sau- oder Schweinstein. Dieser Stein ist fast so groß als eine Haselnuß, unterschiedener Gestalt, insgemein weiß und dabey etwas grünlicht, jedoch zuweilen auch von anderer Farbe. Aussenher ist er gantz glatt. Er wird in der Galle einiger wilden Schweine in Malacca und andern Orten Indiens gefunden. Die Indianer nennen ihn in ihrer Sprache Mastica de Soho, die Portugiesen Pedro de vassar oder Piedra de puerco, die Holländer Pedro de porco. Er ist sehr rar und trefflich hoch geschätzet, so daß sie ihn in Holland bis zu 400. frantzösische Pfund und auch oftmahls noch höher zu verkauffen pflegen, wie Pomet in seiner Beschreibung der Specereyen und Materialien anführet. Er wird von den Indianern mit sonderlichem Fleiß aufgesuchet.

Sie bedienen sich seiner als eines gar sonderbaren preservatifs u. verwahrenden Mittels wider den Gift, und halten ihn trefflich dienlich zu Vertreibung einer gewissen Beschwerung, Mordoxi bey ihnen genannt, welche von der aufgerührten Galle zu entstehen pfleget, und denenjenigen, welche sie anfällt, eben so grosse Beschwerlichkeit, als wie die Pest zuziehet. Er wird auch in Kinderpocken gebrauchet, auch in hitzigen Fiebern, Mutter- und dergleichen Beschwerungen, und verhaltner Blum. An Kräften soll er gar dem orientalischen Bezoar vorgehen. Wann man ihn brauchen will, so muß man etwas Wein und Wasser darauf giessen und stehen lassen, damit die Kraft sich darein ziehe, hernach läst man dieses lang vor der Mahlzeit trincken: es schmeckt etwas bitter, doch nicht unangenehm.

Die dergleichen Steine besitzen, lassen sie an goldne Kettlein hangen, damit sie dieselbigen darein hängen können, worinne sie weichen sollen, und verwahren sie in goldnen Büchsen.

Der vierte Bezoar heist Bezoar simiæ, frantzösisch, Bezoar de singe teutsch, Affenstein; der ist so groß, wie eine kleine Nuß, rund oder oval, und schwärtzlicht. Man sagt, er werde aus einer Gattung Affen genommen, die sich insonderheit auf der Insul Macassar in Asia aufhalten. Er ist überaus rar und theuer. Tavernier meldet, wann er so groß sey als eine Nuß, so koste er 100. Thaler.

Er soll viel stärcker schwitzen machen und sonsten auch viel dienlicher seyn, weder alle die andern Bezoarsteine, den bösen Feuchtigkeiten Widerstand thun, wie ingleichen der Pestilentz und andern ansteckenden Seuchen. Die dosis ist von zwey bis auf sechs Gran.

Man will, das Wort Bezoar komme vom hebräischen bed, das bedeutet so viel, als eine Artzney, ein Artzneymittel, und Zahard, Gifte, als wolte man sagen, ein Mittel wider den Gift.

Andere sagen es käme von dem hebräischen Worten Bel, König, und Zoar, Gift, und bedeutet soviel, als ein Herr und Beherrscher des Giftes.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 163-165.
Lizenz:
Faksimiles:
163 | 164 | 165
Kategorien: