Carcharias

[236] Carcharias.

Carcharias, Plinii.

Canis marinus, Aristot. Jonston.

Galeus Canis, Oppiani.

frantzösisch, Requiem, Requin, grand Chien de mer, Poisson à deux cents dents.

spanisch, Phiburon.

holländisch, Haye.

teutsch, ein Hay, ein Seehund.

Ist eine Gattung des Seehundes, oder ein Americanischer Fisch, der zu einer solchen Grösse gelanget, daß ihrer sind gesehen worden, die bis auf die 4000. Pfund gewogen. Er ist lang und dick, mit einer rauhen Haut bedecket: der Kopf ist sehr groß, und einem Hundekopfe an Gestalt gar gleich. Der Rachen ist lang und weit, mit einer grossen Anzahl dreyeckigter Zähne besetzet, die bisweilen dicker als der Daumen sind, breit und platt, hart und spitzig, voller Kerben, schneidend scharff, und stehen ihrer in iedem Kieffel drey Reihen. Die Augen sind groß und rund. Die Augen sind knorplicht; und der Schwantz ungefehr anderthalben Schuh lang: die Floßfedern sind groß, dann er pflegt in der offenbaren See herum zu schwimmen: doch kommt er auch zuweilen in den Mund der Ströme,[236] wann er seinen Raub verfolgt. Er lebt von Fischen und vom Fleisch: nach Menschenfleische ist er sonderlich begierig. Er ist verwogen, grimmig und grausam, fällt alle Thiere an, insonderheit die Menschen: kan er sie nun nicht gantz bekommen, so nimmt er ihnen zum wenigsten ein Bein oder einen Arm hinweg, das schneidet er im Augenblick mit seinen Zähnen ab. Er folget den kleinen Nachen oder den Canoen der Indianer sie zu erhaschen; und wann er nicht darzu gelangen mag, so beisset er aus Grimm doch in die Ruder. Er ist sehr heißhungrig und verschlinget alles ungekaut, gar Stücken Holtz, wann sie nur fettig sind. Er begiebet sich manchmahl gantz bis auf das Ufer, damit er nach den Leuten schiessen möge. Ihm werden allerhand Netz und Stricke geleget, damit er gefangen und erschlagen werde. Nicht selten werden in seinem Magen Arme, Schenckel, zusamt den Beinen und den Füssen gefunden, auch wohl halbe Menschen zur Helffte verzehret und verdauet. Jonstonius berichtet, daß man in einem solchen Seehunde einen gantzen gewaffneten Mann gefunden. Es giebet ihrer von allerhand Grösse. Sein Fleisch wird gegessen, ist aber nicht gar sonderlich gut. Die Haut brauchen unterschiedene Handwercker. Sein Kopf beschliesset zwey bis drey Untzen überaus weisses Hirn. Die Zähne dienen zu den Klappern für die Kinder, daß ihnen die Zähne leichte durchbrechen. Aus der Leber wird Brennöl gemacht.

Das Hirn gedörret und zu Pulver gemacht, ist ungemein eröffnend, und dienet wider Sand und Gries, wird auch gar gut gehalten zur Beförderung der Geburt. Die dosis ist von einem halben Scrupel, bis auf ein Quentlein in blancken Wein. Wann seine Zähne auf einem Reibesteine sind zu einem gantz subtilen Pulver gerieben worden, so eröffnen sie; sind alkalisch und gut zum Stein, wie auch den Durchfall und die Blutstürtzung zu hemmen. Die dosis ist von einem halben Scrupel bis auf zwey gantze Scrupel, auch wol gar bis ein Quentlein.

Allem Ansehen nach sind diejenigen Zähne, die man uns unter dem Titel Langue de serpent, auf Teutsch Schlangenzungen, zuführet, Zähne vom Seehunde und andern grossen Fischen, die in der Erde sind versteinert worden, dieweil sie so gar lange darinne gelegen haben.

Dieser Fisch Carcharias wird darum Requiem genannt, weil er Ursache ist, wann er die Menschen tödtet und verschlinget, daß ihrentwegen muß das Requiem gesungen werden.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 236-237.
Lizenz:
Faksimiles:
236 | 237
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika