[255] Castor.
Castor,
Fiber,
frantzösisch, Biévre.
teutsch, der Biber.
Ist ein vierfüßiges Thier, das auf dem Lande und in dem Wasser leben mag, und so dicke ist als ein halbjähriges Ferckel: oder besser, zu Folge des Berichts, den der Herr Sarrazin, ein königlicher Medicus in Canada an den Herren Tournefort übersendet hat, welcher auch im Jahr 1704. den Memoires der königlichen Academie des Sciences unverleibet worden: die allerstärcksten Castors oder Biber sind drey oder vier Fuß lang, und zwölff bis funffzehen Zoll breit, mitten über die Brust, wie auch von einer Hüffte bis zur andern. Gemeiniglich wiegen sie von viertzig bis zu sechzig Pfund. Der Kopf sieht wie an einer Bergratte, die Schnautze ist lang, die Kieffel sind bey nahe einander gleich, und überaus starck; ein jeder ist mit zehen Zähnen besetzet, die groß und schneidend sind; darunter die zwey incisores, Schneidezähne, die übrigen achte molares, Backenzähne. Die ersten stehen gantz vorne an der Schnautze; die obersten sind ohngefehr acht Linien lang, die untersten etwan einen Zoll. Die Wurtzeln an den obersten haben zwey und einen halben Zoll in der Länge, die untersten sind wol länger als drey Zoll, und sind nach der Krumme der Kieffel gerichtet, welches ihnen eine gantz entsetzliche Stärcke giebet, so daß der Biber mit diesen seinen Zähnen die gröst- und stärcksten Bäume abbeissen, oder, wie der Jäger spricht, ab- und umhauen kan. Wobey zu mercken ist, däß diese Zähne einander nicht entgegen stehen, sondern die einen treffen und gehen über die andern weg, und sind auf solche Weise geordnet, daß er sie kan wie eine Scheere brauchen. Seine Augen sind sehr klein, die Ohren kurtz und rund, auswendig rauch, inwendig ohne Haar. Sein Leib ist kurtz und dick, mit zweyerley Haaren bedecket, die insgemeine braun sind und gleissend, jedoch bisweilen schwartz, sehr selten weiß. Die obersten sind anderthalben bis zwey Zoll lang, und werden immer kürtzer, je näher sie zum Kopf und zu dem Schwantze kommen; daselbst sind sie nicht so gelinde, allein am meisten gleissend: im übrigen sind sie so zarte wie das Haar auf eines Menschen Kopfe. Die untersten Haare sind wie gantz zarte Pflaumenfedern, oder auch weisse Wolle, und gantz dichte, etwan eines Zolles lang, die beschirmen das Thier vor der Kälte, und dienen zu Verfertigung der Hüte und andern dergleichen Sachen: die Handwercksleute nennen sie gantz ungeschicklich Moscovische Wolle. Sein Schwantz sieht gantz und gar nicht aus, als wie an einem andern Thiere, das auf dem Lande lebt, er kommt vielmehr mit der Natur[255] der Fische überein, und schmeckt auch eben so, desgleichen auch die Hinterpfoten. Er ist etwan eine halbe Elle lang, einen Zoll dick, ohne Haar, von Gestalt oval, an der Wurtzel ohngefehr vier Zoll breit, und fünffe in der Mitten, mit einer schupichten Haut überzogen: darunter ein hartes, vestes Fett befindlich, so nicht viel anders sieht, als wie das Fleisch vom Meerschwein. Die Schupen sind ungleich, sechs eckigt, so dicke wie ein Pergament, und drey oder vier Linien lang, liegen eine über der andern, und sind vermittelst eines zarten Häutleins zusammen gehencket.
Dem Biber dient sein Schwantz nicht nur, zu samt den Hinterpfoten, zu dem schwimmen, sondern er gebraucht ihn auch für eine Stampfe, Kelle und Kalckfaß, darinne er seinen Kalck zurichtet und denselbigen zuträgt, wann er sein Lager, das zuweilen zwey und drey Stockwercke hat, aufführen und ausbauen will. Diesen seinen Schwantz hält er beständig in dem Wasser, dessen er immerfort einen Vorrath hat, damit es ihm nie daran fehle. Seine Schenckel sind kurtz, insonderheit die vordern, und über vier bis fünff Zoll nicht lang: mit gantz kurtzen Haaren bedecket; daran stehen die Füsse, deren er sich gebrauchet seinen Raub damit zu halten: dieselben sind etwan auf dritte halben Zoll lang, und sehen wie die Füsse eines Dachsen. Seine Nägel sind wie schief zerschnitten und inwendig hol, gleichwie die Schreibefedern. Die Hinterfüsse sehen gar nicht wie die Vorderfüsse, dann sie sind platt, und fischartig, den Entenpfoten nicht ungleich, oder wie an den Schwanen, und andern Gevögel, so um das Wasser sich aufhält; daher kan der Biber auf dem Lande fortgehen, und auch im Wasser schwimmen, doch ziehet er gar langsam fort. Alle seine Musculen sind dick und über alle massen starck. Die Brust ist oben schmal, unten ein gut Theil breiter. Die Lungen haben sechs Lappen oder Stücken, die Leber aber sieben, die bedecken den Magen auf allen Seiten. Die Miltz ist klein, rund, und vester Substantz. Die Geilen sind klein und liegen in den Dünnen; haben die Gestalt eines coni und Kegels, und sehen den Hundegeilen vollkommen gleich, wann sie abgezogen sind.
Die Biber-Sie hat vier Zitzen: sie soll, der Sage nach, vier Monat tragen, und allemahl vier junge bringen.
Dieses Thier, es sey ein Männlein oder Weiblein, hat unten bey dem Schloßbeine vier grosse Beutel, von denen die zwey obersten, welche viel höher liegen als die beyden andern, die Figur einer Birne haben, und gehen beyde in einander. Gemeiniglich sind sie drey Zoll lang, und unten an dem Grunde anderthalben breit: sie enthalten eine hartzigte und stinckende Materie, Castoreum, das Bibergeil genannt, von welchen ich in einem besonderen Articul reden werde. Die beyden übrigen und untern Beutel haben ihre Residentz in den untersten Hölen, sind am Grunde rund, wann man das Häutlein weggenommen, darein sie mit einander verwickelt gewesen. Zuweilen werden ihrer drey gefunden, die sind wie Päcklein hingestellt, voll ölicht- und gelblichter Materie, die heßlich übel reucht. Ein jeder Beutel ist insgemein ein Paar Zoll und einen halben lang, und hält im Durchschnitt vierzehn bis funffzehn Zoll.
[256] Der Biber siehet von der Schnautze an bis an die Hinterfüsse einer Waldratte ähnlich, allein, von den Hinterfüssen bis an den Schwantz siehet er den Wasservögeln mit den platten Füssen nicht ungleich. Auf dem Lande ernähret er sich mit Früchten, mit Laube und mit Rinden von den Bäumen; wann er sich aber im Wasser befindet, so frist er Krebse und auch Fische, die er nur ertappen kan. Dieses Thier ist gut zu essen, wird halb Fleisch, halb Fisch zu seyn geachtet: der obere Theil bis an die Hinterfüsse ist wircklich rechtes Fleisch, welches nur an Fleischtagen bey den Römischcatholischen zu essen vergönnet ist. Hingegen der Untertheil, nach dem Schwantze zu, der am meisten ins Wasser kommt, ist von Natur und dem Geschmacke nach Fisch, und darff deswegen auch an Festtagen gespeiset werden.
Der Biber begiebet sich gemeiniglich in die grossen Hölen und Löcher, die er an den Ufern der grossen Ströme findet: in Franckreich sieht man ihrer langs an der Rhone, Isere und Oyse; noch öfter läst er sich in Teutschland und in Polen, an der Elbe und andern Flüssen finden: die gröste Menge aber giebts in Canada. Sie haben allda gleichsam wie eine Republic, die recht verwundernswürdig ist.
Zum ersten machen sie ihren Bau und Aufenthalt als wie in kleinen Hütten, die sie selbsten zu bauen wissen in die holen Ufer eines Flusses, der weder zu breit noch zu tieff ist, da sie doch Aas die Fülle finden: sie heben aber eher nicht an zu bauen, als gegen den Junius hin, wann die Wasser durchgehends seicht und niedrig sind. Dieses ihr Gebäu vollenden sie gantz glücklich, wann nahe bey dem Fluß sich ein und anderer starcker Baum befindet, der gegen das Wasser niederhangt. Denselben hauen sie um, indem sie ihn mit ihren Zähnen rund umher benagen, damit er quer über den Fluß einfallen und dessen Lauff aufhalten möge: wofern aber die Aeste und Zweige verhindern, daß er sich nicht an den Grund anlegen und stämmen kan, so sind dieselbigen bald weggebissen. Sie verkitten und verwahren ihn auf beyden Seiten auf das allerbeste, mit Steinen und Aesten, mit Leimen oder Thon, damit dem Wasser der Weg aufs allergenaueste verstopfet werde. Ist der Baum nicht lang genug, und reichet nicht von einem Ufer bis zum andern, so suchen sie einen an dem andern Ufer gegen über, und hauen denselbigen gleichfalls um. Im Fall sie aber keinen finden können, so machen sie eine Art von Dämmen, und hemmen des Wassers Lauff. Damit aber der Fluß dannoch den Damm nicht überschwemmen oder gar mit Gewalt durchbrechen möge, so lassen sie hier und da, in gemessener Weite, Oeffnungen in dem Damme, dadurch das Wasser ablauffen könne. Dieser Damm ist lang, jedoch nicht also hoch, wie in den Thälern; am Grunde hat er zehen bis zwölff Fuß dicke, wird aber nach und nach immer schmäler, bis oben auf, woselbst er insgemein nur zwey Fuß dicke ist. Auf diese Weise beginnenste ihren Bau. Hiernechst geht es ans mauern: und da gebrauchen sie statt des Kalches und Cements, Leimen oder eine fette Erde, die wissen sie mit ihren Schwäntzen zu schlagen und zuzurichten, und legen Lage auf Lage, mit eben solchen Materialien, deren sie sich bey Verfertigung ihres Dammes bedienet, bis daß sie[257] ihr Gebäu und Hütte gantz in die Höhe bis auf drey Schuh hoch aufgeführt, damit sie drinne wohnen können; sie machen es rund oder oval, und es stehet um zwey Drittheil über das Wasser heraus; wobey sie diese Vorsicht brauchen, daß sie iederzeit ein Loch offen lassen, das von dem Eis nicht mag verstopfet werden. Bisweilen machen sie ihren gantzen Bau auf das Land, und graben vier bis fünff Fuß tieffe Gräben, welche sie bis an das Wasser führen. Dieser Bau geht oben, als wie eine Cupel aus, und seine Mauren sind insgemein zwey Fuß dick. Sie beissen mit den Zähnen alle Enden vom Holtze ab, die aus der Mauer heraus stechen, und überziehen es inwendig und auswendig mit einer Materie, die wie getretener Leimen ist, aus Thon und dürren Kräutern zubereitet. Bey dieser Gelegenheit ist ihnen der Schwantz überaus dienlich, damit sie ihren Tünch recht vest anschlagen und glatt machen mögen. Die Hütte ist inwendig insgemein oval und wie ein Korbhenckel gewölbet, acht bis zehen Fuß weit, und zehen Fuß breit: darinnen können acht bis zehen Biber beysammen wohnen. Zuweilen, iedoch selten, werden dergleichen so geraume Baue gefunden, daß sie die auf dreyssig Biber beherbergen können: so giebet es auch solche, die dergestalt gelegen sind, daß sie gegen einander stossen. Alle diese Losamenter sind Stockweis aufgeführt, damit die Biber können in die Höhe kommen, im Fall das Wasser wächst: und iedwedes Quartier ist in viel Zimmer abgetheilt, und so gemacht, daß sie aus einem in das andere kommen können. In einigen wohnen sie, und in denen andern verwahren sie ihren Vorrath. Allein, in dem einen Zimmer machen sie als wie eine Wasserleitung und Canal unter der Erden hin, der geht bis an das Wasser, und dienet ihnen an statt eines Beckens oder Behälters, darinne sie ihren Schwantz beständig netzen können, dann in Ermanglung dessen müsten sie gar balde sterben. Auch dienet ihnen dieser Canal auf den Nothfall zu einem Schlaufwinckel und verborgenen Wege, darauf sie können den Fluß gewinnen. Wann sie ruhig sind und ungestört, pflegen sie stets auf dem Bauche zu liegen. Man sagt, wann bey dem Bauen sich einer hat den Schwantz wund gemacht und aufgeschlagen, so legete er denselben umgekehrt auf seinen Rücken, als wolte er dem übrigen Hauffen dadurch anzudeuten geben, er sey nicht mehr im Stande zu arbeiten. Werden ihre Baue durchs hohe Wasser beschädiget, so wissen sie dieselbigen auf eben solche Art und auch so nette wieder zu ergäntzen, als wie sie sie gebauet haben.
Erdbiber oder Landbiber werden diejenigen Biber genennet, welche in Hölen wohnen, die sie in ein erhabenes Ort am Ufer des Wassers gebauet haben. Den Ort, wo sie zu schlafen pflegen, bedecken sie mit Kraut und Gras: im Winter bedienen sie sich der Späne an statt der Matratzen.
Der Biber ihr Bau wird gemeiniglich im August, oder im September vollendet, um welche Zeit sie anheben Vorrath einzuschaffen, daß sie davon im Winter leben können. Dieser Vorrath bestehet aus Holtz, das sie in Stücken zerbeissen, von unterschiedener Länge und Dicke. Die grossen Stücken ziehen ihrer viele mit einander fort, die kleinen[258] aber nur ein einiger, iedoch auf unterschiedlichen Wegen, damit sie einander nicht hindern dürffen. Dieses Holtz legen sie Stück für Stück übereinander in das Wasser, bis daß sie für so viele Biber, als beysammen wohnen wollen, genug haben.
Die Wilden ziehen vom Monat November an, bis in den folgenden April auf die Biberjagt; dann um diese Zeit haben sie die meisten Haare: sie begehen die kleinen Flüsse nach der Länge hin, und sobald sie nur eines Damms ansichtig werden, können sie sich stracks die Rechnungmachen, der Biber ihre Hütte sey nicht fern davon; deshalben machen sie sich so nahe hinzu, als ihnen immer möglich ist. Sobald nun der Biber die Jäger merckt oder spüret, stürtzt er sich stracks in sein Becken oder Wasserleitung hinein, und begiebt sich mit dem Wasser, das unter der Erde hinwegläufft, unter das hole Ufer: dieweil er aber der Luft nicht kan ermangeln, so steckt er den Kopf immerfort über das Wasser, und der Wilde, wann es im Sommer ist, nimmt dessen wahr, und schiesset ihn mit seinem Pfeile, tödtet ihn auch gar im Wasser. Ist es aber im Winter, und die Flüsse sind mit Eis beleget, so ist kein Mittel ihn zu schiessen, deswegen macht der Jäger unterschiedene Löcher in das Eis, in geraumer Weite von einander und leget sich nicht weit davon: wann nun der Biber darunter weg gehet, und den Kopf heraus steckt, Luft zu schöpfen, so fährt der Jäger mit der Hand ins Wasser und dem Biber auf dem Leibe hin bis an den Ort, wo der Schwantz breiter wird, drucket die Hand zusammen und fasset ihn starck an, ziehet ihn heraus und wirfft ihn aufs Eis. Wann nun das Thier verspüret, daß es gefangen ist, so trachtet es nach Möglichkeit dem zu entgehen, allein, weil es so langsam läufft, wird es stracks eingehohlt und umgebracht. Wobey zu mercken ist, daß dieses das allerbeste Mittel sey sich eines lebendigen Bibers zu versichern, wann man ihn bey dem Schwantz anfasset, dann da kan er sich nicht herum wenden und denjenigen beissen, der ihn hält; deswegen fast man ihn bey der Kerbe an, die er an der Wurtzel des Schwantzes hat, und führet ihn hin, wo man nur will. Bisweilen werden wol acht oder zähen Dämme innerhalb zwey Meilen gefunden; da kommt kein Biber nicht davon.
Es werden auch dem Biber Stricke und Netze gelegt. Dann, obgleich die Biber ihren Vorrath eingetragen, iedannoch unterlassen sie deshalben nicht von Zeit zu Zeit ins Holtz zu ziehen und frische Atzung aufzusuchen: und die Jäger selbst, weil sie wissen, daß sie viel lieber frisch Holtz fressen, als solches, das schon eine Zeit im Wasser hat gelegen, tragen es ihnen gantz nahe an den Bau, und richten ihnen Schlingen, welche bald so aussehen, als wie diejenigen, damit man die Ratten zu fahen pfleget, und im frantzösischen quatre de ciffre genennet werden.
Castor kommt von castrare, castriren, verschneiden, dieweil die Alten geglaubet, der Biber, wann er von den Jägern gefangen würde, risse ihm die Geilen selbsten mit den Zähnen heraus, und liesse sie gleichsam als eine Rantzion, liegen; welches Mährlein aber keines widerlegens nicht bedarff. Die heutigen Naturkündiger sind des Gegentheils[259] genugsam überzeuget, und daß dasselbige unmöglich könne geschehen: zudem gab es ein zweydeutiges Wort, dann sie hielten das Castroreum für die Geilen des Bibers, da es doch gantz etwas anders ist, gleichwie aus folgendem Articul zu ersehen.
Fiber, quia hoc animal extremitates amnium colit, weil dieses Thier so gerne am Gestade der Flüsse wohnt.
Biévre ist ein frantzösischer Name, und von dem Teutschen Worte Biber, oder von dem englischen Bever genommen worden, welches eben soviel bedeutet.
Adelung-1793: Castōr-Arbeit, die · Castōr, der
Brockhaus-1809: Castor · Castor
Hederich-1770: Castor [1] · Castor
Heiligenlexikon-1858: Castor, S. (9) · Castor, S. (8) · Castor, SS. (10) · Castor, SS. (6) · Castor, SS. (4) · Castor, S. (2) · Castor, S. (1) · Castor, S. (3) · Castor, S. (7) · Castor, S. (5)
Herder-1854: Castor und Pollux · Castor
Meyers-1905: Castor [3] · Castor-oil · Castor [1] · Castor [2]
Pierer-1857: Me Castor · Agrippa Castor · Castor · Castor-River · Castor · Cāstor [1] · Cāstor [2]
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