Formica

[464] Formica.

Formica, frantzösisch, Fourmi, teutsch, Ameis,[464] ist ein kleines, jederman bekannt Geschmeisse. Es giebet ihrer allerhand Arten: einige sind roth, andere schwartz, dunckelfärbig oder grau: einige haben Flügel, andere keine. Am Kopfe haben sie zwey braune Hörnlein, ein Paar schwartze Augen, einen Schnabel mit zwey Zähnen gewapnet: der Leib ist gleichsam in zwölff Ringlein abgetheilt. Sie verändern ihre Haut und legen dieselbige von einer Zeit zur andern ab: eine iedwede hat sechs rauche Beinlein, an deren Ende ihre Füslein zu befinden, die aus zwey kleinen Näglein oder Zängelein bestehen. Im Frühjahre, im Herbste und in dem Sommer schleppen sie zusammen, was sie nur ertappen können, z.E. Korn, Mohn, Stücklein von Früchten, und tragen solches mit einander ein in ihre Wohnung in der Erde, damit es ihnen im Winter zu ihrer Nahrung dienen möge. Von ihrer Vorsichtigkeit, Behendigkeit und Arbeit wird sehr viel wunderliches Zeug geschwatzt, das aber alle zu erzehlen, würde gar zu lange fallen. Im Winter legen sie ihre Eyer oder kleinen Würme, die schlieffen oder kriechen im Sommer aus, und verändern sich in Ameisen.

Die dicksten sind die besten, die in den hartzigen Bäumen sich aufhalten, und sauer riechen.

Sie ersetzen die Lebensgeister, machen kräftigen Samen, heilen den Aussatz und die Krätze, und trocknen: sie dienen auch gut zu der Taubheit.

In Indien sind vielerley Arten der Ameisen zu sehen, z.E. die geflügelten Ameisen, welche das Laccgummi bereiten; und sind so dick, wie unsere gemeinen Fliegen. Der Jesuit P. Louis le Comte erzehlet in seinen neuen Nachrichten von dem ietzigen Zustande in China/ daß sich die weissen Ameisen überalle finden liessen, was Mühe man auch nur anwendete, sie zu vertilgen. Sie sind gar sehr beruffen, spricht er, wegen der Ungelegenheit, die sie zu machen pflegen, und wegen ihrer natürlichen Eigenschaften. Uberaus klein sind sie, von weicher, weisser, auch zuweilen etwas braunröthlichter Substantz: sie vermehren sich gar unendlich: und wann sie nur einmahl ein Haus und Zimmer eingenommen haben, so kan sie nichts, als nur die schwartzen Ameisen, von dannen treiben. Sie haben ein dermassen scharffes Gebiß, daß sie in einer einigen Nacht nicht alleine die grösten Ballen, Tuch, Wolle und allen andern Zeug durchbohren, sondern auch so gar die Kisten und die Kästen, daran das Holtz alsdann in wenig Tagen gantz wurmstichig wird. Sie verderben selbst das Eisen, das Kupfer und das Silber, auf dem man oftermahls ihre Fußstapfen und die Merckmahle von ihren kleinen Zähnen kan verspüren. Wiewol es viel wahrscheinlicher ist, daß dieses wol von der besonderen Beschaffenheit ihres Geiffers mag herkoen, als welcher dissolvirend und zertheilend ist, und dergestalt als wie das Scheidewasser auf Metalle wircket.

Ein und andere Reisende berichten, daß zu Paramaribo, einer holländischen Colonie in der Provintz Surinam, es solche Ameisen gäbe, welche die Portugiesen Fourmis de visite zu nennen pflegten; auf teutsch möchte es heissen, Ameisen die ihnen zusprächen und sie besucheten: dieselben marschiren truppenweise. Wann sie dieselbigen anziehen sehen, so öffnen sie ihnen Thür und Thor, Kisten und Kasten, die sie in den Häusern haben; dahinein machen sie sich,[465] und vertilgen die Ratten, die Mäuse und alle andere schädlichen Thiere: sie möchten sie gern alle Monat sehen, allein sie bleiben manchmahl wol drey gantzer Jahre aus.

Formica, quod micasferat, weil sie die Bröcklein, zusammen tragen: dann dieses Geschmeisse träget die Bröcklein und Krümlein zu Hauffe und hinweg, damit es sich ernähren möge.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 464-466.
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