[710] Mel.
Mel, frantzösisch, Miel, teutsch, Honig, bestehet aus dem unterschiedenen Wesen der Blumen, welches die Bienen auflecken und in ihrem Magen sammlen, damit sie es in ihre Stöcke tragen können, allwo sie es wieder von sich geben und damit die sechseckigten Löchlein oder Wachsbecherlein anfüllen, die sie vorher dazu bereitet haben, gleichwie bereits im Articul Cera erwähnet worden. Sie tragen diesen Vorrath zu ihrer Nahrung ein. Dieses Honigwesen läst sich an vielen Blumenarten sattsam spüren, z.E. an dem Wiesenklee, an Rosen und an Nelcken: dann, wann man dererselben untern Theil, der Nagel genannt, der in dem Blumenkelche steckt, zerkauet, so empfindet man einen angenehmen süssen Honiggeschmack. Diese Materie wird in der Biene und in deren Gewircke ausgearbeitet, vollkommen gemacht, und überkommt davon des Honiges Beschaffenheit. Ich bemercke hierbey viererley Hauptstücken, welche zu der natürlichen composition des Honiges verhelffen. Zum ersten, daß die Luft recht warm und reine sey; dann wir ersehen, daß der Honig, der in warmen Landen wird gemacht, z.E. in Languedoc und Dauphine, gemeiniglich weit besser ist, als der in temperirten Landen ist bereitet worden. Daher ist auch in acht zu nehmen, wie daß nicht alle Orte in der Landschaft sich gut und wol zum Honig machen schicken: z.E. ein Berg giebt auf der einen Seite guten Honig, hingegen auf der andern Seite wird er nicht so gut. Es kan auch dieser Unterschied gar wol vom unterschiednen Stand der Sonne her entstehen.
Zum andern, die Güte der Bienen, nachdem dieselben nemlich wilde oder zahme sind: dann die wilden Bienen schleichen sich auch manchmahl in die Stöcke ein.
Drittens, der Bienen Nahrung: dann, nachdem die Kräuter geartet und kräftig sind, die von den Bienen abgelecket werden, entstehet und wird der Honig besser oder schlechter, und bekommt einen stärckern oder schwächern Geruch. Also sehen wir, wie daß dergleichen Orte sich am besten zu dem Honig machen schicken, welche bergicht sind und vor dem Nordwind wol beschirmet, und welche gegen Morgen oder gegen Mittag sehen, dieweil die Bienen daselbst weit bessere und viel kräftigere Kräuter finden, als sonst irgendswo. Uber dieses haben die Bienen allda mehr Ruhe, als wie in der Fläche.[710] Die besten Blumen und Blüten zum Honig sind die vom Rosmarin und Thymian, von Veilgen und Lavandel, von Schlüsselblumen und vom Majoran, von der Basilic und Melisse, vom Sonnenthau und von der Salbey, vom Poley, von der Betonie, von Nelcken und Ringelblumen, von Rosen und Mähenblümlein, von der Acacia und unzehlich vielen andern mehr.
Zum vierten, die Art und Weise, wie der Honig zu handthieren, wann er ist aus den Bienenstöcken genommen worden: dann, nachdem die Leute, die damit umzugehen pflegen, geschickt genug sind, bekommt man aus einem Stocke bessern oder schlechteren Honig.
Der Honig wird zweymahl im Jahre ausgenommen, im Frühling und im Herbst. Wegen der hierzu gehörigen Zeit sind die Gedancken nicht einerley: beyden fehlets nicht an ihren Gründen; mir aber deucht der Frühling sey hierzu am besten. Erstlich darum, dieweil um diese Zeit die Bienen grössere Kraft und Stärcke haben; dann, sie verlassen um diese Zeit ihren Stock, fliegen davon, und machen neue Colonien und Schwärme. Zum andern, weil die Bienen im Frühlinge den Thau auflecken und einschlucken, der im April und Mäy in Menge fällt, und sonderlich in warmen Ländern, bey schönem, heitern Wetter, auf dem Laube der Bäume gerinnet, wie dicke Corianderkörner, von süssem, lieblichen Geschmack, welches eine Gattung Manna und auf frantzösisch Manne d- Briançon genennet wird. Drittens, weil die Substantz und Wesen von den Kräutern gut und reine ist, wann nun die Wärme sich beginnet zu verneuern.
Hauptsächlich giebt es zweyerley Honig, weissen und gelben. Der weisse kommt ohne Feuer aus den frischen Honigwaben und Tafeln: diese werden entzwey gebrochen und auf Hurden und Flechten von weidenen Ruthen gelegt, oder auch auf Tücher, die mit den Zipfeln an vier Säulen aufgehenget worden. Unter die Flechten oder Tücher werden feine reine Geschirre gestellt, so rinnet ein weisser vortrefflicher Honig darein, der gar bald dicke wird: und dieser wird Mel virginis, frantzösisch, Miel de vierge, teutsch, Jungfrauhonig, Jungfernhonig, genennet. Noch bekommt man weissen Honig aus denenselben Tafeln, wann man sie unter eine Presse bringt: allein er riechet gar nach Wachse und ist so gut nicht wie der erste.
Der weisse Honig, der schönste, beste und annehmlichste vom Geschmack ist der aus Languedoc, und wird Miel de Narbonne genennet. Er muß frisch seyn, dick und körnig, weiß und hell, eines lieblich gewürtzhhaftigen Geruchs, von süssen, beißigen Geschmack. Was diesen Honig so geachtet macht, ist, daß die Bienen in diesem Lande insonderheit die Rosmarinblüten aussaugen, deren es daselbst die Menge giebet, und die auch allda trefflich kräftig sind. Ob nun gleich dieser Honig seinen Zunamen von Narbonne hat erhalten, so wird er doch gar nicht in dieser Stadt gemacht, sondern in dem kleinen Dorffe Courbiere, drey Meilen von Narbonne, und daher führen ihn die Kauff- und Handelsleute, die mit demselbigen zu handeln pflegen, nach einem guten Theile von Europa. Jedoch wird auch sehr guter weisser Honig an andern Orten mehr in Languedoc[711] und Dauphine gemachet, z.E. um Bagnols, Saint Esprit, Berjac, Mantauban und Villeperdrix.
Der gelbe Honig wird aus allerhand Honigkuchen bereitet, aus alten und aus neuen, welche sie aus den Bienenstöcken geschnitten. Dieselben brechen sie entzwey, lassen sie mit etwas Wasser in Becken oder auch in Kesseln warm werden: schütten sie hernach in Säcke von feinem Tuche und bringen sie unter die Presse, damit der Honig heraus kommen möge. Das Wachs das bleibt im Sack, doch gehet allezeit ein wenig mit dem Honig durch: dann man findet allezeit ein kleines Stücke bey dem Honig, welches sich davon absondert, wann man ihn destilliret.
Der weisse Honig, insonderheit der von Narbonne, der ohne Presse, von sich selbst ausgelauffen, ist der beste, wann man ihn zu sich nehmen will. Der gelbe Honig hat etwas mehrere Schärffe, weder der weisse: und schickt sich derenwegen auch besser zu Clystiren und zu äusserlichen Mitteln; dieweil er besser reinigt und laxiret.
Man soll denjenigen erwehlen, der die gebührende Consistenz und Dicke hat, der schön gelb siehet und gut schmecket. Der beste wird uns aus Champagne zugeführet: führet viel Sal essentiale oder acidum und phlegma, wenig Oel und Erde. Der weisse Honig bestehet aus eben solchen Stücken, hat iedoch etwas minder Saltz.
Er dienet für die Brust, befördert den Auswurff, macht einen leichten Athem, und den groben Schleim dünne, löset den Leib. Der gelbe Honig reiniget, laxiret, zeitiget, macht dünne und zertheilet.
Dieweil der Honig von Narbonne diesen Ruhm hat, daß er des Rosmarins Substantz und bestes Wesen in sich halte, deshalben pflegen die Kauffleute, welche den weissen und gemeinen Honig, der wolfeil ist, verfälschen und für Narbonischen, weil er theuer, ausgeben wollen, Rosmarinsträucher darein zu legen und einige Tage darinne liegen zu lassen, damit er einen solchen Geruch überkommen möge, und sie ihren Betrug verstellen können. Dieweil sie aber hernach die Sträucher niemahlen so geschickt daheraus bringen können, daß nicht einige Blätter oder Blüten zurücke bleiben solten, so ist dieser ihr Betrug sofort zu mercken, wann man den Honig nur ein wenig rühret und scharff drauf siehet.
Die Bauersleute haben noch eine andere Art den Honig zu verfälschen: dann, damit er desto weisser siehet, so rühren sie gantz zart zerstossenes Kraftmehl darein.
Wiewol nun der Honig noch würcklich gar sehr starck im Brauche ist, doch wurde er weit mehr gebraucht, bevor der Zucker ist bekannt geworden. Dit Alten thaten ihn an ihre Speisen und macheten ihr Zuckerwerck davon, dergleichen war das Melimelum, oder Quitten und ander Obst in Honig eingelegt: es wurde auf die Tafeln gebracht und die Apothecker bedieneten sich seiner zu ihren Syrupen und anderen medicinalischen compositionibus, dazu wir Zucker brauchen. Sie bereiteten auch unterschiedene Geträncke davon, dergleichen ware Hydromel, das sie auch Aqua mulsa, Melicratum, Apomeli zu nennen pflegten. Sie trancken Wein mit Honig eingerührt und hiessens Oenomeli; auch truncken[712] sie Oxycratum, das ware Honig und Eßig mit vielem Wasser vermischet, zur Kühlung.
Ob nun schon der Zucker den Honig bey nahe gar in Vergessenheit gebracht, vornehmlich bey den Speisen, so ist dannoch der Honig dem Zucker sehr oftmahls vorzuziehen; insonderheit, wann man nicht auf den delicaten Geschmack will sehen. Dann, ausser dem, daß der Honig das reineste und zärteste Wesen von gar unzehlich vielen Blumen ist, welche alle mit einander vortreffliche Kraft und Tugenden besitzen, so ist er auch der Brust sehr viel vorträglicher und lindert die Schmertzen mehr, als wie der Zucker, welcher nichts anders ist, als der dick gemachte Saft des blosen Rohres.
Unter andern guten Tugenden und Beschaffenheiten des Honigs, hat man ihn auch als eine gute Speise und Mittel erkannt, welches gar sonderlich für solche Leute dienet, welche durch ausserordentlich und allzu langes Fasten gantz von Abkräften kommen. Wir verspüren auch seine heilsame Wirckung beym Anfang der Schwindsucht, bey Auszehrung oder der Dörrsucht, und andern dergleichen Kranckheiten; nur daß vorher generalia gebrauchet, und er alsdann zu rechter Zeit und in darzu dienlichen liquoribus gebrauchet werde.
Wann der Honig zu hart gesotten wird, wird er, wie alle andere süsse Sachen, bitter: er vermischet sich gar balde mit der Galle in dem Leibe, zertreibet sie und macht sie gar zu flüßig und zu gähren, daher wird er für bilios und gallenartig erachtet. Am Feuer entzündet er sich, fast eben wie der Zucker.
Die wilden Bienentragen grosse Hauffen Honig auf den Felsen und Steinklippen zusammen, der dient gemeiniglich zu nichts, als nur zur Nahrung für die Fliegen und die Vögel. Etliche stehen in den Gedancken, und zwar nicht so gar ohne Grund, der graue Amber komme davon her.
Mel kommt von dem griechischen Worte μέλι, welches eben also viel bedeutet.
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