Myrmicaleon

[762] Myrmicaleon.

Myrmicaleon, oder Formicaleon, teutsch, Ameisenfresser, ist eine Gattung langer Würmer, die schier so dicke sind als wie die Kellerschaben, iedoch rund und oval, bisweilen cylinderformig, mit einem Hauffen kleiner grauer Ringe umgeben. Der Kopf ist klein, und hat zwey erhabnen Hörnlein, so ihnen als wie eine Zange dienen. Sie wachsen an dörren, sandigen Orten, die sehr an der Sonne liegen: verscharren sich in den Sand, und machen sich in demselben eine kleine Wohnung, gemeiniglich pyramidal, dieweil sie den Kopf, welcher dünne ist, stets in die Höhe halten und heraus stecken, damit sie die Ameisen ertappen mögen, damit sie sich ernähren: sie fressen wol auch Fliegen, iedoch sind ihnen die Ameisen angenehmer. Sie erwischen ihren Raub mit den Hörnern, und saugen ihn aus: welches nothwendig mit den Hörnern geschehen muß, weil sonst kein Rüssel oder andre Oeffnung nicht dran zu verspüren, dadurch die Nahrung gehen könte. Und dannoch scheinen auch die Hörnlein nicht, als ob sie ausgehölet wären. Wann sie dann ihren Raub gantz ausgesogen haben, so stossen sie den Rest davon fast eines halben Schuhes weit von sich: sie halten sich sehr mäßig, essen wenig und selten, sie können wol ein halb Jahr lang ohngegessen bleiben. Sie lauffen ziemlich behende, iedoch stets hinter sich. Wann sie eine gewisse Zeit lang gelebet haben, so bedecken sie sich gantz mit Sande, essen weiter nichts, und bauen sich ihr Grab von dem Gespinste, das, wie bey den Spinnen, ihnen aus dem Hintern gehet. Sie machet alsdann eine Hülse, so groß wie eine Haselnuß, die ist rund und weiß, inwendig weich wie Seide, zu anfangs weich und liegt genau um sie, wird aber endlich unten hart und veste. In dieser Hülse leget dieser Wurm ein Ey, das ist so dick, als wie ein ovalrundes Leinkorn, weiß, und hat eine Schale, die bald wie eine Hünereyerschale siehet. Wann sie nun in diesem ihren Grabe zwantzig bis vier und zwantzig Tage stille und ohne merckliche Bewegung gelegen haben, so beissen sie sich an einem Orte, vermittelst kleiner Beine, die wie die Zähne an der Säge formiret sind, hindurch, sind dannoch noch mit einer zarten Haut umschlossen. Zuletzt kleiden sie sich noch einmahl gar aus, und da erscheinet eine schöne Fliege, Demoiselle auf frantzösisch genannt. Dieser Wurm führet viel Oel und flüchtig Saltz.

[762] Er erweichet und zertheilet, wann er äusserlich gebrauchet wird.

Formicaleon kommt von formica, Ameis, und λέων, Löwe, ob wolte einer sprechen, ein Löwe oder Tyranne der Ameisen, Ameisenlöwe.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 762-763.
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