Myrtus

Mÿrtus.
Mÿrtus.

[766] Myrtus.

Myrtus seu Murtus, frantzösisch, Myrte oder Meurte, teutsch, Myrten, ist ein kleiner Baum, oder ein Strauch, der beständig grün und wolriechend ist, dessen es allerhand Arten giebet, welche durch die Grösse ihrer Blätter und durch die Farbe ihrer Früchte von einander unterschieden werden. Dann einige haben breitere Blätter, andere schmälere, an andern sind sie spitziger und wie stehend: einige tragen weisse Früchte, einige aber schwartze. Ich werde allhier die gemeine Myrte beschreiben, welche genennet wird

Myrtus minor vulgaris, C.B. Pit. Tournef.

Myrtus Tarentina, J.B. Raji Hist.

Myrtus minor, Dod. Gal.

frantzösisch, petit Myrte.

teutsch, kleiner Myrten, kleinblätteriger Myrten.

Der treibet kleine, schmale Zweiglein oder Reiserlein, die mit sehr vielen Blätterlein besetzet sind,[766] welche dem Buchsbaum nicht unähnlich sehen, iedoch viel kleiner und viel spitziger sind, gantz linde anzufühlen, grün und gläntzend, von lieblichen Geruch. Die Blüten entspriessen zwischen den Blättern, und bestehen iede aus fünff weissen, wolriecheden Blätterlein, in Rösleinform, so in einem zerkerbten Blumenkelche stehen. Wann die Blüten vergangen sind, so wird aus dem Kelche eine ovale oder länglichte Beere, als wie mit einem Krönlein ausgeschmückt, welches von den Zacken des Kelchs entstanden. Diese Beere ist anfänglich grün, wird aber schwartz, indem sie zeitiget. Innewendig ist sie in drey Fach abgetheilt, die voller Samen stecken, welche als wie halbe Monden, oder besser, als wie kleine Nieren, und weiß sehen. Das gantze Gewächse hat einen anziehenden Geschmack: es wird in den Gärten gezogen, absonderlich in warmen Landen, woselbst es einen weit stärckern Geruch hat, weder in unserer temperirten Himmelsgegend. Es führet viel eines Theiles kräftiges Oel und phlegma, nicht gar viel Saltz.

Seine Blätter und Blüten sind anziehend: sie werden zur Reinigung der Haut gebraucht, zur Bevestigung des Fleisches, und zur Stärckung der Fibren. Es wird ein Wasser daraus gebrannt, damit wäscht sich das Frauenzimmer.

Die Myrtenbeeren werden auf lateinisch Myrtilli, und auf frantzösisch Myrtilles genannt. Diejenigen, die wir gebrauchen, werden uns gedörrt, aus warmen Landen zugeführet: sie werden von allerhand Myrtensträuchen abgenommen, und an der Sonne getrocknet, daher werden sie gantz runtzlicht, daß man sie nicht für das ansehen solte, was sie auf ihrem Strauche sind gewesen. Man soll die frischen erwehlen, die recht dicke sind und wol gedörret, schwartz, und von anziehendem Geschmack. Sie führen viel Oel und Sal essentiale.

Sie reinigen, halten an und stärcken. Sie werden unter allerhand äusserliche Mittel genommen, auch innerlich gebraucht. Etliche Färber färben mit den Myrtenbeeren blau.

Die Myrten wachsen in warmen Landen ohne Wart, und in so grosser Menge, daß sie die Luft recht durchräuchern und recht voll Geruch machen.

Myrtus kommt von Myrrha, dieweil man will vorgeben, der Myrten habe einen Geruch, der dem Geruche einer sehr starcken riechenden Myrrhenart, Stacte genannt, gleich komme. Allein diese Etymologia und Herleitung dieses Worts, will mir nicht gar zu gut vorkommen; dann ausser dem, daß diese beyde Geruche gar nicht mit einander überein kommen, so ist und bleibt man ungewiß, wann beyde Namen Myrrha, und Myrtus, zu erst entstanden sind.

Einige wollen, Myrrus habe seinen Ursprung von einer Atheniensischen Jungfrau Myrsine empfangen, welche, wie die Fabel meldet, nach ihrem Tode von der Pallas, welche sie lieb hatte, in diesen Strauch verwandelt worden.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 766-767.
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