Nitrum

[785] Nitrum.

Nitrum.

Sal nitrum.

Sal petræ.

frantzösisch, Nitre oder Salpêtre.

teutsch, Salpeter.

Ist ein mineralisches Saltz, zum theil flüchtig, zum theil fix; das wird aus den Steinen und aus der Erde, von alten Gemäuer und Gebäuden, aus den Hölen und Kirchhöfen, aus Pferde- und Vieheställen, aus Taubenhäusern, und vom Urine allerhand Thiere, der lange auf der Erde in Kellern und auf Steinen gestanden hat, gezogen und gemacht. Es wird dieses Saltz vornehmlich von einem acido und sauern in der Luft formiret, welches dann die Steine und die Erde durchtringet, sich daselbst figiret und einen Cörper überkommt. Es wird auch etwas weniges davon in gewissen tieffen Brunnen gefunden, in faulen Wassern, im Thau und im Regen. Fruchtbares Land ist mit Salpeter gantz erfüllt, und mag man sagen, daß dieses Saltz eines der Hauptstücke ist, welche zur Hervorbringung und zu dem Wachsthum der Gewächse helffen. Das natürliche Saltz in den Thieren, bevor es noch durchs Feuer ist gegangen, hat eine grosse Gleichheit mit dem Salpeter; dahero wird auch gar sehr viel Salpeter aus dergleichen Erde bereitet, welche der Mist und Urin von Thieren wol durchzogen hat.

Der Salpeter wird durchs solviren, filtriren und coaguliren davon gebracht, und die Steine, welche entweder lange an der Luft gelegen haben, oder welche von alten Gebäuen sind genommen worden, werden nur gröblich zerstossen. Hierauf in eine grosse Menge warmes Wasser geschüttet und eingeweicht, damit sich das Saltz darinnen auflöse und zergehen möge: dieses wird alsdann ab- und über gemeine Asche gegossen, damit eine Lauge davon werde, und es sich reinige; solches aufgiessen auf frische Asche wird mehrmahls wiederhohlet, und sodann das lautere über dem Feuer auf drey vierte Theile abgerauchet, hingesetzt, daß es erkalte und zu Crystallen anschiesse, welche herausgenommen und getrocknet werden. Der Uberrest wird endlich auch, bis daß fast alle Feuchtigkeit hinweg, noch abgedämpft, und der liquor zum verkühlen hingestellt, der Salpeter gleichergestalt heraus genommen, der aber sehr viel Aschensaltz enthält, und dem Seesaltze ziemlich nahe kommt. Ob nun gleich das Aschensaltz alkalisch ist, so ändert es doch seine[785] Natur, weil seine poruli mit des Salpeters acido und sauern angefüllet worden. Der auf diese erste Weise ausgezogene und gereinigte Salpeter wird gemeiner Salpeter genennet, und der zu letzt heraus gekommen ist, soll gar nicht mit demselbigen vermischet werden, dann er bey nahe gantz und gar figiret ist, und derohalben nicht so gut. Wird dieser letzte gleich wie sonsten der Salpeter destilliret, so bekommt man einen sauern spiritum heraus, der eine Gattung aqua regia seyn, und das Gold dissolviren mag.

Der zu letzt hinterstellige liquor, wann nemlich die Crystallen sind davon genommen worden, ist schmierig, klebrig und gelblicht: frantzösisch wird er Mere de Salpetre und Eau-mere, auf teutsch, Mutterlauge und Salpetermutterlauge genennet.

Soll der gemeine Salpeter gereiniget werden, so schütten sie ihn in einen geraumen, verzinnt- und reinen Kessel, giessen darzu hell und klares Wasser, so viel als genug: damit er nun zergehe, wird Feuer drunter angemacht; wann es dann anfängt aufzusieden, so wird der erste Schaum, frantzösisch, boue de Salpetre, dürffte auf teutsch Salpeterschlamm bedeuten, herab genommen. Drauf lassen sie es eine zeitlang gantz gelinde sieden, bis daß es etwas dicker worden ist, als es zuvor gewesen; werffen alsdann ein klein wenig zerstossenen weissen Vitriol darein, damit es sich abkläre; davon entstehet ein schwartzer Schaum, der setzet sich zusammen, und wird so viel als man nur immer kan, mit einem Schaumlöffel herab genommen.

Wann der liquor dergestalt ist abgeschäumet worden, so wird er mit Löffeln, oder sonst auf andre Art in ein hohes und enges Gefäß geschüttet, welches auf frantzösisch, Cuve à rasseoir, auf teutsch möchte das heissen ein Stellfaß, geneñet wird, und mit einem Tuch bedecket, damit er nicht zu jähling kühle werde. Also bleibet er anderthalbe bis zwey Stunden lang geruhig stehen, da sich indessen eine Art gelber Hefen zu Boden setzen. Wann dann der liquor sich von dieser Unreinigkeit entladen hat, so wird er klar und schön. Die Hefen sondern sie vom liquor ab, indem sie ihn noch laulicht in Gefässe abgiessen, welche auf frantzösisch Jattes, oder Bassinets à rocher genennet werden. Diese bedecken sie gleichergestalt mit einem Tuche, lassen den liquor einen oder ein Paar Tage lang geruhig stehen, bis daß der Salpeter zu schönen grossen, hellen und weissen, durchsichtigen Crystallen, welche insgemein sechseckigt sind, ist angeschossen. Die werden sodann aus den Gefässen ausgenommen, und in ein am Boden durchlöchertes Faß gethan, damit sie austropfen und austrocknen mögen: das ist hernach gereinigter Salpeter.

Den hinterstelligen liquor, der noch gar viel Salpeter hält, lassen sie abermahls bis auf die Helffte verrauchen und dann kalt werden: so werden wol auch Crystallen, die sind aber nicht so schön, als wie die ersten. Dergestalt fahren sie fort, bis daß sie allen Salpeter heraus bekoen haben: doch müssen die letzteren Crystallen, deren ohnedem gar wenig sind, von denen andern abgesondert werden, indem sie gar viel fixes Saltz enthalten.

Der gereinigte Salpeter wird zum zweyten mahl gereiniget, damit er desto reiner werde und sein fixes Saltz um soviel mehr verliehren möge: sodann wird er nicht so gar leichtlich feuchte von der Luft.

[786] Wird die Erde, daraus Salpeter ist gezogen worden, einige Jahr hindurch an die Luft geleget, so nit sie ihn aufs neue wieder an.

Es findet sich auch natürlicher Salpeter an die Mauern und Klippen, in Gestalt kleiner Crystallen angehenget, die werden mit Besen davon abgekehrt und dessentwegen Salpêtre de boussage auf frantzösisch genennet. Dieser dienet besser zum Pulver machen und zum Scheidewasser, weder der gemeine Salpeter; dann, weil er nicht ist über die Lauge gegangen, hat er auch kein Saltz von derselben zu sich nehmen können. Man soll denjenigen erwehlen, welcher fein reine ist und leichtlich Feuer fängt. Die Alten nannten ihn Aphronitrum.

Aus Ostindien wird uns gar schöner Salpeter zugeführet, der sehr gesuchet wird, absonderlich zum Pulver machen. Er soll unfern von Pegu fallen, und dieses mineralische Saltz sich so gar häuffig daselbst finden, daß man sehen kan, wie er sich an gewissen wüsten und unfruchtbaren Orten als weisse Crystallen erhebe, und so dichte bey einander stehe, gleichwie das Gras. Er darff nur gesammlet und gereiniget werden, und kommt dann unserem gereinigten Salpeter ziemlich bey.

Den gemeinen Salpeter soll man erwehlen, welcher fein wol gereiniget ist, und lange Crystallen hat, wie oberwähnet, der auf die Zunge geleget Kühlung giebet, und eine grosse Flamme machet, wann er auf glühende Kohlen geschüttet wird. Zu Paris wird der Salpeter im kleinen Arsenal geläutert und er kot desgleichen aus Indien.

Er eröffnet, zertreibet und zertheilet, stillet den Durst, treibt den Urin, widerstehet der Fäulung, tilget die Hitze im Geblüt, treibet den Stein in Nieren und der Blase. Auf einmahl wird ein halber Scrupel bis auf ein Quintlein eingegeben. Die Lachse werden damit eingesaltzen, damit sie eine schöne rothe Farbe überkommen.

Der Alten ihr Salpeter ist uns gantz unbekannt, es war auch kein Salpeter, und hatte seinen Namen von der egyptischen Landschaft Nitrum bekommen, woselbst er, wie man saget, sich gantz häuffig finden lassen. Wie man dafür hält, soll er das Anatrum gewesen seyn, davon an seinem Ort gehandelt worden.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 785-787.
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