Rhinoceros

[954] Rhinoceros.

Rhinoceros, Rhinocer, Nashorn, ist ein vierfüßiges Thier: welches so groß ist als ein Ochse, dessen Leib aber einer wilden Sau nicht unähnlich siehet, ausser, daß es viel dicker und häßlicher ist. Sein Kopf ist dick, von hinten wie mit einer platten Pfaffenmütze überzogen, daher ihm auch die Portugiesen den Titel, Moine des Indes, indianischer Mönch, gegeben. Der Rachen ist ein wenig gespalten, der Rüssel lang und über den Nasenlöchern mit einem Horn bewaffnet, welches ungefehr anderthalben Schuh lang, dick, hart und starck, wie eine Pyramide geformiret ist, die Spitze ist in die Höhe und gegen den Kopf zu gekehret, und siehet schwartz. Auf dem Rücken führet es noch eine ander Horn, einer Hand lang, das ist gedrehet, als wie eine Schraube und spitzig, so dichte und so schwartz als wie das andere.[954] Diese Hörner machen das Tier bey den Büffeln und den Tygern erschröcklich, ja selbst den Elephanten, mit welchen es nicht selten streitet. Die Zunge ist mit einer dermassen harten Haut überzogen, daß sie statt einer Raspel oder einer Feile zu gebrauchen ist, mit derselben schälet es alles und nimmt es weg, was es belecket. Die Haut auf seinem Leibe ist überall mit breiten, dicken Schupen bedecket, die so gar harte sind, daß sie von keinerley Gewehr durchdrungen werden kan. Sie stehen als wie kleine Vierecke oder erhabene Knöpfe ein wenig über die Haut heraus, und sehen castanienbraune. Die Beine sind sehr dicke und sehen, als ob sie in schupigen Stiefeln steckten: die Füsse sind groß. Dieses Thier findet sich in den Wüsteneyen von Africa und Asia, in Siam und in China. Die Zweige von den Bäumen, welche über und über voll starcker Stacheln sind, mag es gerne fressen. Es ist gantz zahm, wann man ihm nur kein Leid nicht thut, ja es werden unterweilen einige gantz zahm gemachet. Hingegen ist es desto mehr zu fürchten, wann man es aufgebracht, da reisset es mit seinem Horn die Bäume mit der Wurtzel aus der Erde, zerbricht alles, was ihm nur vorkot, wirfft Mann und Roß ohne grosse Mühe übern Hauffen und richtet dergleichen Verwüstung ferner an. Die Thiere, die es überwunden, lecket es mit seiner Zunge, daß Haut und Fleisch abgehen. Zur Artzney werden seine Hörner, Klauen und Blut gebrauchet, die führen viel flüchtiges Saltz und Oel.

Sie werden wider den Gift gebrauchet, das Hertz zu stärcken, den Schweiß zu treiben, den Durchfall zu stillen, auch zu allen ansteckenden Kranckheiten. Auf einmahl wird ein oder zwey Scrupel eingegeben; es wird auch dieses oder jenes drauf gegossen: desgleichen Schalen daraus gemacht, darinne lässet man den Wein stehen, den man will trincken, damit er das Geblüte reinigen und einen vor der bösen Luft verwahren möge.

Rhinoceros kommt von ῥὶν, nares, nasus, die Nasenlöcher, die Nase, und κέρας, cornu, Horn, als ob man wolte sprechen, ein Thier mit einem Horne auf der Nase.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 954-955.
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