Sulphur

[1090] Sulphur.

Sulphur, frantzösisch, Soufre, teutsch, Schwefel, ist eine Gattung Erdhartz oder Erdpech, oder eine fette, vitriolische Materie: ja, es ist, allem Ansehen nach, nichts anders als ein Vitriol, der in der Erde,[1090] von dem unterirdischen Feuer aufgeführet worden: dann, es finden sich zuweilen unter dem Schwefel, bevor derselbige geschmeltzet wird, kleine Stücklein Vitriol; dazu bestehet er, der Schwefel selbst, aus eben solchen Stücken und principiis, als wie der Vitriol.

Sulphur vivum, frantzösisch, Soufre vif, teutsch, lebendiger Schwefel, wird von einigen Scribenten Apyrotium genannt; und ist eine graue, fette und lettige Materie, die sich gar leicht entzündet: wird in Sicilien, und sonst an vielen andern Orten mehr gefunden. Man soll denjenigen erwehlen, welcher sauber, glatt und gleissend ist, lind anzufühlen, zart und leicht zu brechen, von Farbe grau. Die Weinschencken brauchen ihn, und geben ihren Fässern, darinne sie den Wein über See versenden wollen, Einschlag damit.

Er wird zur Krätze, zum Grinde, und zu den Schwinden gebrauchet, und unter die Salben gemischet.

Apyrothium kommt vom α privativo, und von πῦρ, ignis, Feuer, dieweil der Schwefel des Feuers Element und Nahrung ist.

Der gelbe oder gemeine Schwefel, der Kramerschwefel, Sulphur commune oder citrinum, frantzösisch, Soufre jaune oder commune, ist eine leichte, harte Materie, die leichtlich bricht, auch leichtlich schmeltzt und sich entzündet, giebt einen unangenehmen, beissenden, der Brust beschwerlichen Geruch. Er kommt aus dem Berg Vesuvius, und von andern Orten mehr. Er wird geschmoltzen und in Formen gegossen, auf daß solche Röhren, die auf frantzösisch canons oder bâtons heissen, daraus werden, dergleichen bey den Materialisten zu sehen sind.

Die Schwefelröhren, frantzösisch, Soufre en canon, sollen leichte seyn, bald brechen, und goldgelb von Farbe; oder grünlicht, wann man den Schwefelgeist daraus bereiten will: dann, dieses ist ein Zeichen, daß er mehr vitriolisch und voll sauern sey.

Der Schwefel dienet für die Hüter und für viel Handwercker, wann sie etwas wollen weiß machen. Von Natur bestehet er aus einer fetten und leicht entzündlichen Materie, oder aus einem wircklich schwefligtem Theile, und aus einem vitriolischen, sauren Saltze. Wann man eine Schwefelröhre in frisches Wasser leget, so wird es noch so kalt. Welches denenjenigen dienen könte, die den Wein im Sommer gern erfrischen wollen: dann, wann sie in das Gefässe, darinne die Flaschen mit dem Weine stehen, eine Schwefelröhre legen, so werden sie ihn, ohne Eis zu brauchen, gar frisch trincken können. Doch dienet eine solche Röhre nicht zum andern mahl, dann sie wirds nicht weiter thun.

Allem Vermuthen nach, kommt diese Erfrischung von einem sauern Theil des Schwefels her, welcher sich ablöset, und in dem Wasser zergehet, dadurch dann die Bewegung des liquoris gehemmet wird, und seine Theile auf gewisse Weise verdicket werden. Im übrigen bleibt die Schwefelröhre, wann sie wieder aus dem Wasser heraus genommen ist, eben so gut als zuvor, zu allen denenjenigen operationen, die darmit vorgenommen werden, und scheinet[1091] nicht, daß die Kraft des Schwefels im geringsten sey dadurch vermindert worden.

Der Schwefel dienet zur Engbrüstigkeit, zu den Brust- und Lungengeschwüren, zur Schwindsucht, wider die Fäulung, zur Krätze, und zu den Schwinden, die Geschwulst zu zertheilen und zu zertreiben. Er wird innerlich und äusserlich, von funffzehen Gran bis auf zwey Scrupel gebrauchet.

Seit einigen Jahren her ist eine gewisse Zubereitung des Schwefels in den Schwung gekommen, welche zur Engbrüstigkeit nicht undienlich ist. Dieselbige bestehet darinne, daß sie die gemeinen gelben Schwefelröhren zerschlagen, etwan eine Viertheilstunde lang im Wasser kochen lassen, dasselbige abgiessen, und bis auf vierzehenmahl solche Arbeit wiederhohlen: doch nehmen sie iedesmahl ander frisches Wasser darzu, damit der Schwefel milde werde: hernach, wann sie denselbigen zum letzten mahl heraus genommen haben, lassen sie ihn in einem neuen Topfe gantz gelinde schmeltzen und kalt werden, stossen ihn alsdann zu Pulver und mengen den vierten Theil so schwer klar zerstossenen Zucker drunter.

Davon lassen sie den Patienten des Morgens und des Abends eine halbe Untze auf einmahl gebrauchen, und damit zwey bis drey Monat anhalten: es macht gemeiniglich des Tages zwey bis drey Stühle.

Bey dem Gebrauchte dieses Mittels habe ich gemercket und in Acht genommen, wie daß dasselbige bey vielen engbrüstigen, doch starcken Leuten gar fein gut gethan: hingegen bey gar zart und delicaten Schneiden und grosse Schärffe verursachet habe. Auch habe ich gesehen, daß einige davon gar nicht purgiret worden sind: und befinde, daß die dosis allzugroß, dieweil zu einer ieden drey Quintlein Schwefel kommen. Besser dürffte es thun und nicht so heftig würcken, wann die Helffte abgenommen würde. Dann, man darff sich nicht einbilden, als ob das Wasser, durch so oftmahls wiederhohltes kochen des Schwefels, so gar viel von dessen Schärffe abgenommen hätte: es ist nur über dieses von Natur gar fette mixtum gleichsam hingewischet, und das stärckste acidum ist dannoch gantz hartnäckig an desselben Wesen und Substantz behangen blieben, löset sich aber davon ab, wann es in eines Menschen Leib gerathen, und machet schneiden und reissen. Im übrigen ist diese Zubereitung eben nicht stracks zu verwerffen: sie kan ihren guten Nutzen haben, und die groben Feuchtigkeiten, oder den zähen Schleim, der in den Zäserlein der Lungen pflegt Verstopfung zu erwecken, und dannenhero die Engbrüstigkeit erwecket, auf das genaueste durchtringen; wiewol dazu, gleichwie zu andern Medicamenten mehr, eine gute Aufführung und vorsichtige Regierung eines Medici gehöret. Auch darff man gar nicht glauben, daß dieses Mittel für alle und iede Temperamenten und Naturen sich schicke, ich habe das Gegentheil mehr dann zu ofte aus der Erfahrung verspüret. Der gröste Nutzen, den wir davon ziehen mögen, ist dieser, daß wir frey und kecklich den Schwefel in weit grösserer dosi geben können, als wol zuvor geschehen ist.

[1092] In der Stadt Aachen in Teutschland, ist ein mineralischer heisser Brunnen, der muß bedecket und verstopfet werden, dieweil er einen dermassen starcken Schwefelgeruch ausdünstet, der einen Menschen ersticken solte, wann er sein Gesicht darüber hielte. Sie heben den Brunnendeckel von Zeit zu Zeiten ab, und finden, daß sich eine grosse Menge Schwefel dran gehencket, der als wie weisse Schwefelblumen aufgeführet oder sublimiret worden. Dieser Schwefel ist gantz linde, und wird in demselbigen Lande als wie die Schwefelmilch gebraucht.

Aus America wird uns eine trefflich schöne Art von Schwefel überbracht, und Soufre de Guidoa, Schwefel von Guidoa, oder insgemeine Soufre de Quito, Schwefel von Quito genannt, dann er den Namen dererjenigen Landschaften hat behalten, daher er kommt. Er ist in spiegelglatten Stücken, sieht schwefelgelbe aus, und gläntzet wie die schönste Carabe; hat keinen Geschmack, und giebt im Feuer eine blaue Flamme, die etwas heller ist, als die von dem gemeinen Schwefel. Dieser Schwefel ist sehr rar, und wird höher geachtet, als alle die andern Arten.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 1090-1093.
Lizenz:
Faksimiles:
1090 | 1091 | 1092 | 1093
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Seltsame Leiden eines Theaterdirektors

Seltsame Leiden eines Theaterdirektors

»Ein ganz vergebliches Mühen würd' es sein, wenn du, o lieber Leser, es unternehmen solltest, zu den Bildern, die einer längst vergangenen Zeit entnommen, die Originale in der neuesten nächsten Umgebung ausspähen zu wollen. Alle Harmlosigkeit, auf die vorzüglich gerechnet, würde über diesem Mühen zugrunde gehen müssen.« E. T. A. Hoffmann im Oktober 1818

88 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon