Tamarindi

Tamarindi.
Tamarindi.

[1103] Tamarindi.

Tamarindi,

Oxyphœnica.

frantzösisch, Tamarinds.

teutsch, Tamarinden.

Ist das Fleisch, oder ein schwartz und saures Wesen, das ziemlich lieblich schmeckt und in den Früchten[1103] eines indianischen Baumes sich befindet, welcher genennet wird

Tamarindus, Raji Hist. Pit. Tournef.

Tamarindus Derelside appellata, G. Alp.

Balam-pulli seu Maderam-pulli, H. M.

Siliqua Arabica, quæ Damarindus, C. B.

Tamarindi, J. B.

frantzösisch, Tamarin.

teutsch, Tamarindenbaum.

Ist so groß wie ein Nußbaum, nur daß er buschiger. Der hat einen schönen Wuchs, ist gerade, und also dicke, daß ihn zwey Mann genau umklafftern mögen. Er ist mit einer sehr dicken, braunen und aufgesprungenen Rinde überzogen. Sein Holtz ist harte und wie geflammet. Die Zweige breiten sich fein ordentlich auf allen Seiten aus, und sind in andre Seiten- und Beyzweige abgetheilet, welche mit einer zarten, braungrünen Haut überzogen und mit einer Hand grossen Blättern besetzet sind, die ziemlich dichte bey einander und wechselsweise stehen. Ein jedes Blatt bestehet aus 9. 10. 12. und wol aus 15. Paaren kleiner Blätter, so an einem vier bis fünff Zoll langen Stiele sitzen. Diese kleinen Blättlein sind acht oder neun Linien lang, und drey bis viere breit. Vorne an der Spitze sind sie abgestümpfet, und runder als wie hinten; dann, an denselben Orte, gegen den Stiel hinzu, haben sie eine Krümme. Sie sind dünne und gar schön grün, am Rande etwas rauch, und oben laufft der Länge nach, als wie kleiner Faden, mit sehr zarten Zweiglein, durch: sie schmecken angenehme säuerlich. Der Blüten wachsen neun und zehen bey einander, aus den Winckeln, zwischen den Blättern und den Zweigen heraus, auch auf der Zweige ihren Spitzen, wie Büschlein eines halben Fusses lang, stehen gar weitläufftig von einander, und haben fast gar keinen Geruch. Jedwede sitzt auf einem Stielgen, welches vier bis fünff Linien lang ist, und eine jede Blüte bestehet aus drey Blätterlein, in Rösleinform, mit blutrothen Adern durchzogen: das eine Blättlein ist gemeiniglich viel kleiner dann die andern, welche ungefehr des halben Zolles lang und viel Linien breit sind, am Rande kraus und als wie Wellen geformiret. Ihr Kelch ist eine fleischige und grünlichte, kleine Birne, mit vier weissen oder röthlichten Blätterlein oben auf, die etwas länger sind als wie die Blätterlein der Blüte, und meistentheils herunter gekehret. Dieser Kelch wird länger, wann die Blüte vergangen ist, so daß er von dem Stiel gar wenig unterschieden.

Die Tamarindenfrucht ist der pistillus, der mitten aus der Blüte hervor spriesset, etwa des halben Zolles lang, grünlicht und krumm ist, als wie die Klauen eines Vogels. Er wird ungefehr vier Zoll lang und einen breit, und ist schier so gestalt als[1104] wie die Bonen in den Gärten vor der Stadt Paris, wird braunroth, wann er reiffet. Auf der einen Seite sind zwey oder drey gar tieffe Einschnitte, und auf jeder Seite findet sich als wie eine gar merckliche Ribbe, die laufft von einem Ende bis zum andern, oben auf ist dieselbe etwas flammig, und die Spitze ist ein wenig rund, auch mehrentheils formiret wie ein Schnabel. Die Frucht bestehet aus zwey Schalen, deren eine in der andern stecket. Die äussere ist fleischig, und einer Linie dick, so lange als sie grüne bleibet. Die innere ist wie ein zartes Pergament. Die Wand zwischen beyden Schalen ist drey biß vier Linien dicke, und als wie eine Diplöe in der Hirnschale, voll schwartzes und marckhaftes Wesen, das auf frantzösisch Tamarinds genennet wird. Es ist wie Leim und sauer; queer durch dasselbige hinweg lauffen drey dicke, vest und holtzige Faden, deren einer nach der Länge durch die Schote hingehet, die andern beydẽ sind auf der Seite gegen über zu befinden; und unter ietzt ermeldten Seiten oder Fäden, befindẽ sich noch einige kleinere, welche auf eben derselbigen Seite hinlauffen. Die Aestlein dieser Ader führen nicht alleine den sauern und weinhaftigen Saft, der hernachmahls dicke wird wie Marck; sondern sie geben auch den Samen ihre Nahrung, deren drey oder viere an der Zahl in der Schote beschlossen liegen. Diese Samen sind platt und hart, bey nahe so groß als wie die von der Casia, jedoch ein wenig platter und irregular; dann einige sind schier gar viereckigt und haben etwas runde Ecken, andere sind dreyeckigt, andere sind an der einen Seiten spitziger und eckigter als wie an der andern. Obenher sind sie glatt und gleissend, von Farbe röthlicht und in etwas falb, auf jeder Seite mit einem braunen Fleck gezeichnet. Unter ihrer Haut, die eben nicht gar dicke ist, liegen zwey weisse, dicke lobi oder Stücklein, die sondern sich gar leichtlich von einander und schmecken lieblich, wie ein Mandelkern: sie umgeben den Keimen, der nicht viel über eine Linie lang ist: er stecket in dem Grüblein, das oben über beyden lobis zu befinden ist. Des Baumes Wurtzel ist lang und dick, in einen Hauffen Seitenwurtzeln abgetheilet, die sehr weit um sich greiffen und voller Haare, auch mit einer baumrothen Rinde überzogen sind, die gar sehr herbe schmecket. Dieser Baum wächst an vielen Orten in Ostindien, in Africa, in der Landschaft Senegal, in Arabien und in den americanischen Inseln, von dannen sie die Spanier herüber führeten, nachdem sie diese Orte einzunehmen angefangen hatten. Die Reisenden versehen sich bisweilen mit diesen Früchten, sich damit des Durstes bey grosser Hitze zu erwehren, und legen sie auch mit Zucker ein.

Die Indianer thun die Schale und die holtzigen Zasern aus den Tamarinden und trocknen sie zuvor ein wenig, hernach legen sie dieselben dichte auf einander und übersenden sie zu uns. Man soll die frischen nehmen, die wie ein ziemlich harter Kuchen sind, voll Marck und schwartz, die säuerlich und lieblich schmecken, die als ein Wein riechen und nicht im Keller gelegen haben: welches letzte daran zu erkennen, wann sie zu feuchte sind, und einen[1105] Geruch bekommen haben, auch, wann die Samen aufgelauffen sind. Sie führen viel sauer Saltz, Oel und phlegma.

Sie reinigen, laxieren gantz gelinde und halten alsdann an. Durch ihre Säure hemmen sie die allzuheftige Bewegung der Feuchtigkeiten in dem Leibe, dämpfen das Fieber, erfrischen und löschen den Durst. Sie werden bey anhaltenden Fiebern gebrauchet, auch zum Durchfall, und darzu abgesotten oder in forma boli gebrauchet. Das Marck wird aus denenselben, gleichwie aus der Caßia, in einem Siebe ausgezogen. Vor diesem habe ich auch rothe Tamarinden bey den Materialisten gesehen, sie wurden aber nicht so viel geachtet wie die schwartzen, dieweil ihr Schmack nicht also angenehm und sauer war: anjetzo ist es etwas rares, wann man sie in Franckreich zu Gesichte bekommt.

Das Tamarindenlaub, abgesotten, ist gut in hitzigen Fiebern den Durst zu löschen und zu erfrischen. Die durch solche Orte reisen, wo dieser Baum zu wachsen pfleget, die nehmen das Laub, kauen es und stillen damit den Durst.

Tamarindi kommt von tamar, welches so viel heist als dactylus, eine Dattel, ein Finger, weil diese Früchte schier als wie ein Finger, oder als wie eine Dattel sehen; und, weil Mesue, samt vielen Arabern noch mehr, vermeinet hat, obschon ohn allen Grund, die Tamarinden wären Früchte von einem wilden Dattelbaume.

Oxyphœnica kommt von ὀξὺ, acidum, sauer, und φὀινιξ, ruber, roth, als ob es solte heissen, eine rothe Dattel.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 1103-1106.
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