Terebinthina

[1116] Terebinthina.

Terebinthina, frantzösisch, Terebinthine, teutsch, Terpentin, ist ein flüßiges Hartz, oder ein schleimig und klebriger, hartzig und ölichter Saft, der helle und durchsichtig ist. Er ist so dicke wie die anderen natürlichen Balsame und auch also beschaffen. Er kommt aus allerley Bäumen, welche aufgerissen worden, oder auch gar nicht gerissen sind, und in warmen Landen wachsen, z.E. von Terpentinbaume, von Lerchenbaume, von Fichten, Tannen und von Kiefern.

Zur Artzney brauchen wir zweyerley Terpentin; der erste wird genannt Terebinthina Chia, frantzösisch, Terebinthine de Chio, teutsch, Terpentin aus Chio, weil er aus der Insul Chio kommt. Er ist der beste und der theuerste, jedoch auch rar. Er rinnet aus den Ritzen, die in den Stamm und in die stärcksten Aeste der Terpentinbäume gemachet werden; ist dick und ziemlich harte. Man soll ihn nehmen, wann er reine und durchsichtig ist, von Farbe grünlicht weiß, von schlechtem Geruch, und schier gantz ohne Geschmack. Er wird zum Theriac gebrauchet.

Bisweilen wird in den Recepten Cyprischer Terpentin, lateinisch, Terebinthina Cypria, frantzösisch, Terebinthine de Cypre, von den Apotheckern verlanget; alleine, weil dergleichen aus demselben Lande nicht zu uns gebracht wird, so geben sie an seine statt den Terpentin aus Chio.

Der andere wird genannt Terebinthine claire, klarer, lauterer Terpentin: der ist viel flüßiger, weit schöner und riecht stärcker, als der erste. Er rinnet aus den gerissenen und ungerissenen Terpentin- und Lerchenbäumen, aus Fichten und aus Tannen, auch aus einigen andern Bäumen mehr, welche in den warmen Ländern zu wachsen pflegen. Den wir gebrauchen, derselbige wird uns aus Dauphine,[1116] aus Forest, und aus dem Holtze von Pilatre zugeführet.

Der Terpentin, so ohne Riß ausrinnet, wird von den Bauersleuten in dem Delphinat Bijon genannt. Er ist ein etwas dicker Balsam; er hat schier eine solche Farbe und gleiche Kraft, als wie der weisse Peruvianische Balsam: dieweil er aber nahe um uns fällt, und ziemlich sehr gemeine ist, deshalben wird er auch nicht sonderlich geachtet.

Der aus den aufgerissenen Bäumen tringt, wird insgemein Venetischer Terpentin genennet, lateinisch, Terebinthina Veneta, frantzösisch, Terebinthine de Venise, wiewol er gar nicht daher kommt, ob er gleich sonst zu andrer Zeit aus demselbigen Lande gebracht wurde: zur Artzney wird derselbige am meisten gebrauchet. Man soll den nehmen, welcher rein und helle ist, schön, weiß und durchsichtig, so dicke wie ein dicker Syrup, von starcken und ziemlich lieblichen Geruch und etwas bitteren Geschmack.

Alle Arten des Terpentins führen viel Oel und sal volatile acidum oder essentiale.

Sie eröffnen trefflich, sind gut zum Stein und zu dem reissen in den Lenden, zu den Nieren- und Blasengeschwüren, zu verhaltenem Urin, zum Samenfluß: sie werden eingenommen und unter die Clystire gemischet. Zum einnehmen werden sie von einem halben Quintlein bis auf ein gantzes gegeben. Davon bekommt der Urin einen Veilgengeruch und manchesmahl entstehet auch Hauptweh davon. Zu einem Clystire werden zwey bis drey Quintlein genommen. Aeusserlich werden sie als ein Balsam gebrauchet, zur Reinigung und Heilung der Wunden, zu Quetsuren, zum stärcken und zertheilen. Innerlich wird nur der Terpentin aus Chio gebrauchet.

Terebinthina wird dieser Saft genannt, dieweil der Saft pfleget aus dem Terpentinbaume, Terebinthus, zu rinnen. Der aus andern Bäumen rinnet, wird nur, wegen Gleichheit, also genennet.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 1116-1117.
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