Vermes Lapidum

[1171] Vermes Lapidum.

Vermes lapidum,

frantzösisch, Vers de Pierre.

teutsch, Steinwürmer.

Sind kleine Würmer, die man in Steinen findet. Sie sind bey nahe ein Paar Linien lang und drey Viertheil Linie breit, sehen schwartz, und ein jedweder steckt in einer Hülse, die so dicke wie ein Gerstenkorn, graulicht siehet, an dem einem Ende[1171] spitziger ist als wie am andern, und hat schier eine solche Figur als wie ein spitziger Seihebeutel. Der Herr de la Voye hat in einem Briefe, den er im Jahre 1666, an den Herrn Auzout geschrieben, versichert, wie daß er, mit Hülffe eines recht guten Vergrösserungsglases gesehen habe, daß diese Hülse oder Schale mit kleinen Steinlein und grünlichten Eyerlein gleichsam übersäet gewesen: an dem spitzigsten Ende sey ein kleines Löchlein zu befinden, durch welches diese Würmlein ihren Unrath von sich gäben; an dem andern Ende aber sey ein grösser Loch, dadurch die Würme ihre Köpfe steckten und sich an die Steine henckten, wann sie dieselbigen zernagen wolten. Doch sind sie nicht so veste in die Hülse eingesperret, daß sie nicht unterweilen herauskriechen solten. Ihr Kopf ist ziemlich dick, ein wenig breit und glatt, von Farbe braun, wie eine Schupe von Schildkröten, mit etlichen weissen Härlein besetzet: ihr Schwantz ist groß. Am Kopfe erblicket man viererley Kieffel, die übers Creutze stehen, die bewegen sie unaufhörlich, öffnen und schliessen sie wie einen Circkel mit vier Schenckeln. Am untersten Kiesel ist eine lange Spitze, die siehet einem Bienenstachel gleich, ohne daß sie keine Häklein hat, sondern gantz glatt und gleich aus ist. Aus ihrem Maule ziehen sie mit ihren Füssen Fäden und bedienen sich ermeldter Spitze, dieselbigen in Ordnung zu bringen und ihre Schale zu bereiten. Sie haben runde und sehr schwartze Augen, welche viel grösser als eine Nadelkuppe scheinen, stehen fünff und fünff an jeder Seite von dem Kopfe. Ihr Leib ist in gar viele Falten abgetheilt und sie halten ihn insgemein erhaben in der Luft, wann sie fortkriechen, das Maul aber nahe an dem Steine. Nicht weit vom Kopfe haben sie, auf einer jeden Seite drey Füsse, nur mit ein Paar Gelencken, die sehen schier wie die an Flöhen. Diese Würmer wachsen in den gehauenen Steinen und werden insonderheit in den alten Gebäuen und Mauerwerck gefunden. Sie zernagen die Steine dergestalt, daß sie wie Blätter und als Staub zerfallen.

Der Mauerkalch wird ebenermassen von einer unzehlichen Menge kleiner schwartzer Würmlein zerfressen, die so groß sind als die Käsemülben. Ein jedes hat zwey Augen und vier noch ziemlich lange Füsse auf einer jeden Seite; die Spitze an ihrem Rüssel ist ungemeine scharff. Diese kleinen Würmlein im Mauerkalch leben nicht so lange, wie die Würmer in den gehauenen Steinen, davon erst Meldung geschehen.

Es dienet zu mercken, daß diese Würmer die einen wie die andern, sich öfter in den Mauern finden, die gegen Mittag stehen, als wie in denen andern. Alle aber führen viel flüchtig Saltz und Oel.

Sie zertheilen, wann sie zerquetscht und aufgeleget werden.

Es finden sich auch kleine Würmlein in andern steinigen Materien, wie z.E. in Corallen, in Auster-Muschel- und Schneckenschalen, ja selbst in ein und andern Stücken Glas. Von jeder Gattung dieses Geschmeisses habe ich Erwähnung gethan, wann ich von denjenigen Materien gehandelt, darinne sie sich befinden.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 1171-1172.
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