3.

[495] Wo verweil'st du, Sänger? Rufe in's Gedächtniss wieder,

Durch des Saitenspieles Klänge, königliche Lieder!

Sende den berauschten Männern Kunde von Gesängen,

Grüsse heimgegang'ne Freunde mit der Wünsche Klängen!

Stimm' ein Liedchen an, o Sänger, das uns Lust gewähre,

Mit Ghăsel und Kul beginnend deine holde Mähre:

Denn die Last des Grames bannte fest mich an die Schwelle:

Hebe, durch des Tactes Schläge, mich von meiner Stelle!

Sänger, aus der Liebe Tonart lass ein Lied ertönen;

Sieh dann was der Pförtner sage, der bewacht die Schönen.

Mache, dass der Laut des Sanges so empor sich schwinge,

Dass Năhīd, das Harfenmädchen, er zum Tanze bringe.

Sänger, stimme deine Pauke und der Harfe Saiten,

Lass der theuren Freunde Lieder deinen Sang begleiten;[495]

Spiele Weisen, die den Ssofi auf zu Gott erheben,

Und die Wonne des Vereines dem Berauschten geben.

Sänger, unter deinen Händen lass die Orgel tönen,

Und die nieder'n Weltgedanken wird mein Herz verpönen;

Mein Gemüth wird dann wo möglich, seine Ruhe finden,

Wenn auf ihm des Grames Flecken nach und nach verschwinden.

Sänger, komm, wir wollen nimmer mit einander streiten:

Greife, hast du keine Pauke, in der Harfe Saiten!

Wenn der Wein – so hört' ich sagen – Schaden droht zu bringen,

Ist es nützlich, wenn man Pauken lärmend lässt erklingen.

Wo verweil'st du jetzt, o Sänger, jetzt zur Zeit der Rosen,

Wo, den Hain mit Tönen füllend, alle Sprosser kosen?

Besser ist es, wenn in Wallung du das Blut mir bringest,

Und die Harfe für ein Weilchen laut zu rauschen zwingest.

Sänger, komm und stimme freundlich deine Laute wieder,

Und in neuer Weise singe nun auch neue Lieder;

Schaffe, durch ein einz'ges Liedchen, Tröstung mir im Leide,

Reiss' mein Herz in hundert Stücke, ähnlich meinem Kleide!

Was, o Sänger, wär's, wenn freundlich du dich mir erwiesest,

Und in's Herz mir, durch die Flöte, Feuergluthen bliesest;[497]

Wenn aus meinen Grübeleien du hinaus mich trügest,

Und den Hausrath meines Grames mir in Trümmer schlügest?

Wo verweil'st du denn, o Sänger? Lass ein Lied erklingen

Und zu uns, den Mittellosen, deinen Aufruf dringen:

Wenn wir einst von dieser Erde werden scheiden müssen,

Ist's viel besser, wenn wir Bettler als Monarchen hiessen.

Sing' die Weise Kul, o Sänger, lass den Ton sich heben,

Denn nur du kannst Hilfelosen wahre Hilfe geben.

Willst du mit dem Saitenschwinger nach Irāk mich leiten,

Lass ich einen Sīndĕrūd mir aus dem Auge gleiten.

Komm, o Sänger, höre freundlich, dir zu eig'nem Frommen,

Dies mein Wort, das alle Weisen willig angenommen:

»Naht der Gram mit seinem Heere, lass in dichten Reihen

Aufmarschiren Harfen, Lauten, Pauken und Schallmeien!«

Sänger, dem ich mein Geheimniss liebevoll vertraute,

Menge ein paar Freunschaftshauche in der Flöte Laute:

Treib' durch Wein dir aus dem Herzen Kummer und Beschwerde,

Und dann hauche in die Flöte: Hauch ja ist die Erde.

Wo verweil'st du, Sänger? Greife in der Zither Saiten;

Sänger, komm, mit Wein zu füllen den Pocal, den weiten:[499]

Dass wir bei einander sitzen, nur der Lust ergeben

Und, ein Weilchen froh verbringend, ohne Sorgen leben!

Sänger, nur Ein Lied, entnommen meinen Lustgesängen,

Wolle du zur That gestalten bei der Harfe Klängen:

Dass es mir als Strasse diene zum Begeist'rungsziele,

Dass ich mich zum Tanz erhebe und mein Kleid verspiele.

Leicht lässt die Geheimnissperle sich im Rausch durchbohren:

Kein Geheimniss kann man wahren, hat man, sich verloren.

Sänger, traurig bin ich; schlage die zweisait'ge Leier,

Schlag' die dreifach überspannte zu des Ein'gen Feier!

Sänger, singe uns die Weise dieses Lied's, des neuen:

Durch des Instrumentes Stimme sprich mit den Getreuen,

Und erfreu' der grossen Männer abgeschied'ne Seelen;

Von Pĕrwīs auch wolle freundlich und Bărbūd erzählen!

Lust zu Schelmenstreichen zeigt sich wieder bei'm Geschicke;

Frommt doch Rausch und Schelmerei mir nur aus Freundes Blicke.

Sollst in diesem blutgetränkten Auferstehungsthale

Nur der Flaschen Blut vergiessen und der Weinpocale.

Staunen fasst mich, seh' ich rastlos sich den Himmel drehen,

Und ich weiss nicht wer nun wieder wird zu Grabe gehen?[501]

Klar ist's, dass die Welt uns immer Täuschung nur gewähre,

Und die Nacht ist immer schwanger: – was sie wohl gebäre?

Komm; dein Herz entsage fürder weltlichen Genüssen:

Steht man doch am Rand der Brücke nie auf festen Füssen.

Diese Welt, die trümmervolle, ist dieselbe Baute,

Die die thürmenden Paläste Ēfrăsjāb's einst schaute,

Und bestehet aus denselben wüsten, fernen Landen,

Wo einst jene Kriegerschaaren Selm's und Tur's verschwanden.

Doch wo weilt Pĭrān, der Feldherr mit dem scharfen Blicke?

Und wo weilt Schĭdē, der Türke, dass den Dolch er zücke?

Nicht nur ihre Vesten wurden schneller Winde Beute,

Ihrer Gräber selbst erinnert Niemand mehr sich heute.

Wenn aus Einem die Geschicke einen Schreiber machten,

Gaben sie das Schwert dem Ander'n an dem Tag der Schlachten.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 495-503.
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