12.

O du, auf dessen Angesichte

Der Herrschaft Licht sich offenbart,

Und dessen Geist die Weisheit Gottes

Bezeugt auf hundertfache Art!

Dein Schreibrohr – möge Gott es segnen! –

Erschloss dem Glaubensreiche schnell,

Mit einem einz'gen schwarzen Puncte,

Verhundertfacht den Lebensquell.

Auf einen Ahriman fällt nimmer

Des grössten Namens lichter Strahl;

Dein ist die Herrschaft, dein das Siegel:

D'rum ord'ne an nach eig'ner Wahl!

Wer einen Zweifel wagt zu setzen

In Salomon's erhab'ne Macht,

Der wird vom Vogel wie vom Fische

Mit seiner Weisheit ausgelacht;

Und setzt von Zeit zu Zeit der Falke

Auf's Haupt sich eine Krone auch,

So weiss doch nur des Kafes Vogel,

Was Herrchersitte sei und Brauch.

Ein Schwert das von des Himmels Segen

Das Wasser seines Stahl's erhält,

Setzt, ohne Hilfe eines Heeres,

Allein sich in Besitz der Welt.

Es schreibt dein Rohr mit schönen Lettern

– Auf Freund und Gegner nimmt's Bedacht –

Die Formel die das Leben mehret,

Den Zauberspruch, der's schwinden macht.

Der du im Urstoff eine Schöpfung

Der Alchimie der Ehre bist,

Und dessen Glück vor allen Stürmen

Des Missgeschick's gesichert ist![37]

Fällt nur ein Schimmer deines Schwertes

Auf Schachte und auf Minen hin,

So färbt er mit des Strohes Farbe

Den hochrothwangigen Rubin.

Mein Glas ist leer von Wein, o Kaiser,

Ist's durch ein Menschenleben schon!

Sieh, dies behaupte ich, der Diener,

Und Zeuge ist der Vogt davon.

Ich weiss gewiss, dein Herz erbarmet

Der armen Nachtdurchwacher sich,

Im Falle du um meine Lage

Beim Morgenwind erkundigst dich.

Bring' hurtig Wasser uns, o Schenke,

Doch soll's vom Weinhausquelle sein,

Auf dass vom eitlen Klosterstolze

Wir uns die Kutten waschen rein.

Seitdem in der Familie Adam's

Die Herrschaft ihr Beginnen fand,

Hat Keiner noch, wie du, hienieden

Dies Wissen nach Gebühr erkannt.

Dir thut der Himmel nichts zu Leide,

Du bist den Engeln gleichgestellt;

Die Welt ist frei von Grausamkeiten,

Seit du die Zuflucht bist der Welt.

Wenn schon der Blitzstrahl der Empörung

Selbst Adam traf, war er gleich rein,

Ziemt's uns so minder zu behaupten,

Wir könnten frei von Sünden sein.

Hafis, mit Achtung spricht zu Zeiten

Der Kaiser deinen Namen aus:

D'rum schmolle nicht mit dem Geschicke,

Und kehre reuevoll nach Haus!

O Zufluchtsort der Unterthanen,

O edler Gabenspender du,

Sei diesem armen Manne gnädig,

Denn schon viel Unglück stiess ihm zu!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 35-39.
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