1.

[515] Jung, wie die Fluren Irem's ward wieder die Fläche der Erde

Durch die Strahlen des Glück's jenes erobernden Schah's.

Herrscher in Osten und Westen, erscheint er in Osten und Westen

Herrlich als Held, Chūsrĕwschāh und als alleiniger Herr.

Eine ernährende Sonne, ein Sultan, Gerechtigkeit übend,

Fördert er stets nur das Recht, herrschend als Keïjscher Fürst.

Könige setzet er ein im weiten Gebiete der Herrschaft,

Sitzt auf dem Throne des Saal's: »Werde und siehe es ward!«

Er, der der Glanz ist und Ruhm der ganzen Welt und des Glaubens,

Der den Zelter der Zeit fest unter'm Schenkel behält;

Er, des Jahrhundertes Herr, Schĕdschā', die Sonne des Reiches,

Er, ein beglückter Chăkān, er, ein so junger Monarch;

Er, ein Mond dessen Antlitz die ganze Erde beleuchtet,

Er, ein König, durch den hoch sich gehoben die Zeit.[515]

Des Gedankens Sĭmūrgh schwingt nimmer empor sich zum Neste,

Das der Falke gebaut seines hochstrebenden Sinn's.

Gleich dem Winde durchzieht sein Machtgebot Länder und Meere,

Während Liebe zu ihm Menschen und Diwe beseelt.

Du, o Schönheit des Reich's und Reich der Schönheit an Formen,

Du, o Seele der Welt, Welt du der Seele, durch Geist!

Dir beneiden den Thron Dschĕmschīd's und Kejkŏbād's Throne,

Erdĕwān, Darius selbst neiden den Herrscherreif dir.

Spiegelt der Glanz deines Schwert's sich ab im Gedanken des Himmels,

Machen die Zwillinge sich einer vom anderen los.

Eine Sonne des Reich's erscheinst du; – wohin du dich wendest

Folget in Eile das Glück, ähnlich dem Schatten, dir nach.

Keines Jahrhundertes Schacht barg eine Gemme dir ähnlich,

Hundert Jahrhunderte sah'n nie einen Stern der dir glich.

Deine Reize allein verbinden die Seele dem Körper,

Deine Gnade allein fesselt das Mark an's Gebein.

Über die Dinge die nicht im Herzen der Bücher sich finden,

Gibst, durch die Zunge des Rohr's, immer du treffend Bescheid.

Deine spendende Hand, wer kann ihr die Wolke vergleichen?

Diese gibt tropfenweis nur das was du säckelweis gibst.[517]

Dein so erhabener Ruhm tritt selbst die Himmel mit Füssen,

Mährchen erzählt man vom Meer Deiner stets spendenden Hand.

Bist die Sonne des Wissens, die Kron' auf dem Haupt des Verstandes,

Bist des Weisheitsaug's Licht, Seele im Körper des Reich's:

Wissenschaft und Vernunft machst du nur schätzen und glänzen,

Der das Gesetz du beschirmst, der du den Glauben bewahrst:

Hoher, erhab'ner Monarch, gebietender mächtiger König,

Unvergleichlicher Herr, herrlich an Würde und gross,

Hehre Sonne des Reich's! Mit deiner Gnade verglichen

Wäre der Schatz Schājĕgjān nur ein geringer Atom.

Mit dem Meer deiner Grossmuth verglichen, sind kleiner als Tropfen

Hunderte von Schājĕgjān, welche umsonst du verschenk'st.

Hinter dem Vorhang verweilt bei dir die verschleierte Keuschheit,

Und der Dauer Gepäck legt dir das Glück vor's Gezelt.

Für dein Zelt, dessen Knauf als Sonne erglänzt, schafft der Himmel

Berge und Wolken herbei dir nur zum Sitze und Dach.

Dieser neunfache Atlas, so bunt und mit Gold übersäet,

Ist nur ein höheres Zelt über das Deine gespannt.

Nach den Keijiden besass noch Niemand in Salomon's Reiche

Diesen Prunk, diesen Schatz, dieses gewaltige Heer.[519]

Deiner Tapferen Schaar ruft, während auf Rosen du wandelst,

Wimmern in Indien hervor, Heulen an Sanguebar's Strand;

Und dein Zelt stand in Rum, als schon der Schall deiner Pauke

Weit bis nach Indien drang und in die Wüste Sĭstān's.

Seit den gelben Palast du erbautest, ist Schrecken gefahren

In des Kaisers Palast und die Gemächer des Chan's.

Lebt von Egypten bis Rum ein Herrscher mit dir zu vergleichen,

Oder von China's Gestad bis nach Cyrene's Gebiet?

Nächstes Jahr bringt man dir die Krone vom Haupte des Kaisers,

Und von China's Chan bringt man dir Steuern zum Thron.

Dankbar bist du dem Schöpfer und dir sind dankbar die Völker;

Dich erfreuet das Glück, und du erfreuest das Volk.

Durch die blumige Flur zieh'st du einher mit Gefolge,

Und dein Schenkel bezwingt kräftig den Zelter der Zeit.

Gotterleuchteter Fürst! Dir strömt von den Schaaren der Engel,

Von Moment zu Moment Segen in's reine Gemüth.

Deinem Herzen enthüllt sich das Geheimste der Dinge,

Die der Schöpfer der Welt hinter dem Vorhang verbirgt.

Deinen Händen vertraute der Himmel die Zügel des Willens,

Sprechend: »Wer bin ich vor dir? leite mich, wie's dir gefällt.[521]

Bist du in Kriege verwickelt, ich gebe dazu dir die Pfeile;

Sind dir Geschenke genehm, geb' ich aus Schachten dir Gold.

Wo verweilet dein Feind? Zermalme ihn unter den Füssen;

Doch den zärtlichen Freund setze auf's Haupt mir und Aug'.«

Wird doch immer mein Wunsch durch deinen Dienst nur geregelt,

Und verewigt mein Ruhm nur wenn ich würdig dich pries.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 515-523.
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