2.

Nicht so leicht, wie es scheint, ist's mit der Demuth zu prahlen,

Tausend Dinge erheischt, merke dir's wohl, dieses Thun:

Denn die Schönheit verlangt weit mehr als Lippen von Zucker:

Herschte doch Salomon nicht nur durch das Siegel allein.

Tausendfältige Macht der Demuth bewirket doch immer,

Dass du durch Kunst in ein Herz siegreich dir Eingang verschaffst.

Welche Wolken von Staub' erregtest du mir schon im Leben!

Nimmer ermüde dein Gaul, treib'st ja gar eilig ihn an!

Senke in Demuth das Haupt wenn bei den Zechern du weilest:

Solche Bescheidenheit birgt köstliche Schätze in sich.

Bringe den farbigen Wein! von Hundert ganz eigenen Dingen

Sprech' ich und richte doch nimmer den Islam zu Grund.

Bei dem Fussstaub der Männer die Morgenwein trinken! – Seitdem ich

In des Weinhauses Gau trunken die Wache versah,

Kam nicht Einmal ich noch an einem Gleissner vorüber,

Der nicht unter'm Gewand hätte den Gürtel versteckt.[525]

Bei dem reizenden Haar beschwör' ich dich: übe das Gute;

Denn vor Verwirrung bewahrt sicher der Schöpfer dich dann,

Wende das Auge der Huld nicht ab von der Lage Hafisens.

Denn dem zweiten Ăssāf mach' ich die Lage sonst kund;

Ihm, dem König-Vesir der Zeiten und Räume beherrschet,

Und der das Menschengeschlecht so wie die Dschinne beglückt;

Mōhămēd Sohn Alī's, der Stütze des Reichs und des Glaubens,

Ihm, dem ein göttlicher Glanz hell aus dem Angesicht strahlt.

Edler gepriesener Mann! bei deinem hohen Verstande

Hast du gegründetes Recht auf die Beherrschung der Welt.

Dir verbrämet, wie billig, das ewige Glück die Gewänder:

Hat doch vergänglichen Ruhm immer dein Streben verschmäht.

Böte der Schatz deiner Huld nicht freudig die Hände zur Rettung,

Würde das Weltall gar bald wieder in Wüsten verkehrt.

Frei von gröberem Stoffe ist deines Körpers Gebilde,

Denn, von Engeln erzeugt, trägst du der Menschen Gewand.

Welche schwindelnde Stufe des Ruhmes müsste man bauen,

Dass dein Gedanke nicht höher noch trüge als sie?

In dem einsamen Haus der Cherubime des Himmels

Ist deines Schreibrohrs Geräusch geistige Reigenmusik.[527]

Dir gebühret mit Recht der Meisterschaft Lob, denn in Grossmuth

Schüttelst die Ärmel du aus über die Edlen der Welt.

Wie beschreibe ich wohl was lang schon an Gnaden du übest?

Segne dich Gott, denn du bist so allerbarmend wie er!

Wie verkünde ich wohl den zündenden Blitz deines Zornes?

Schütz' uns der gütige Gott vor so verheerender Fluth;

Jetzt wo in's Brautzelt der Flur die schöne Rose getreten,

Und noch der Ostwind allein ihr sich zum Freunde geweih't;

Wo Anemonen, zum Schutze der lieblichen Königin Rose,

Mit des Ostwindes Hand röthliche Zelte gebaut,

Ist es so weit schon gedieh'n, durch das emsige Lüftchen des Lenzes,

Dass mit der Gabe es prahlt Leben und Geist zu verleih'n.

O wie entzückte es mich als Morgens der zärtliche Sprosser,

Zu der Rose gewandt, also zu sprechen begann:

»Was beengt dir das Herz? O tritt heraus aus dem Schleier:

Perlet im Krug doch ein Wein, roth wie jemen'scher Rubin.«

Trink'st einen Monat du nicht auf's Wohl der Schönheit der Rose,

Nun, so bereust du's gewiss, nahet der folgende Mond.

Dankbar dafür, dass man jetzt nicht fürchtet verketzert zu werden,

Nimm dir von Rosen und Wein was dir an Wonne gebührt![529]

Keine Grausamkeit übt ein Glaubensernährer. Bewahre!

Gnade und Huld nur allein fordert des Schöpfers Gesetz.

Das Geheimniss des Wort's »Ich bin die Wahrheit« erkennet

Nimmer der Thor, den die Kraft Gottes nicht zu ihm erhob.

Sieh die Knospe verhüllt im Schleier der Rose; – sie schmiedet

Für das Aug' deines Feind's blutige Lanzen darin.

Dies ist das Haus des Vesir's; der Lust ist's gewidmet, o Schenke;

Hier beschwere den Geist nichts als ein Becher voll Wein!

Du, o Morgen der Hoffnung, du warst es der, rein nur aus Liebe,

Freundlich erschien; da verschwand plötzlich das Dunkel der Nacht.

Zwar ich hörte, dass du zu Zeiten dich meiner erinnerst;

Doch berufest du mich nie in den engeren Kreis,

Fragst auch kein Wörtchen mir ab; dies ist wohl grausam zu nennen:

Denn wie zeigt' ich mich sonst als ein Beredter vor dir?

Von den Hafisen der Welt trug Keiner mir ähnlich zusammen

Was an Freiheit und Geist Weisheit und Koran umfasst.

Es verleihet mein Lob dir hundertjähriges Leben:

Eines so köstlichen Gut's ist, wer dir gleichet, wohl werth. –

Lang spann die Rede ich aus; allein ich hoffe, du deckest

Mit dem Saume der Huld das was ich sprechend verbrach;[531]

Und so lange im Frühling der Ost auf den Blättern des Gartens

Tausend Gebilde entwirft, zart wie Basiliconschrift,

Soll dir im Garten des Reiches am Zweige der Hoffnung beständig,

Ohne dass du dich mühst, blühen die Rose des Glück's!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 523-533.
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